Ägyptens populärster Satiriker hält dem Volk den Spiegel
einer traurigen Realität vor
von Birgit Cerha
Fast hätte er den Beginn des Prozesses gegen den gestürzten
Präsident Mursi in den Schatten gestellt. Tagelang konzentrierten sich Ägyptens Medien und die
öffentliche Diskussion auf das Schicksal jenes Mannes, dem es seit dem Sturz
Präsident Mubaraks 2011 gelungen war, ein Lächeln in die Gesichter des
zunehmend verzweifelten Volkes zu zaubern. Doch viele Ägypter haben in den
Jahren dramatischer und blutiger Turbulenzen, mit sich stetig steigerndem Hass
in einem dramatisch polarisierten Land allmählich das Lachen verlernt. Denn
auch die neuen Herrscher vertragen trotz ihres Demokratie-Bekenntnisses, nicht
mehr Humor als ihre islamistischen Vorgänger. So stoppte der private TV-Sender
CBC die Satireshow Bassem Youssefs, die nach Aussagen der Produzenten mit rund
40 Millionen Zusehern fast die Hälfte der Bevölkerung Ägyptens angezogen hatte.
Droht Youssef nun auch der Prozess, vielleicht gar Gefängnis und damit Ägypten
die Rückkehr in die finstersten Zeiten der Repression?
Wer ist dieser Mann, der mit seinem Witz und seinem unerschütterlichen
Mut Ägypten in Atem zu halten vermag?
Bassem ist ein Naturtalent in einem Land, dem der Humor tief
ins Herz gepflanzt ist. In der arabischen Welt werden die Ägypter „ibn nukta“ genannt, „Sohn der Witze“. Doch politische
Satire kannten auch die Menschen am Nil ebenso wenig wie die Bürger anderer
arabischer Diktaturen. Auch Bassem hatte sich damit professionell nicht
beschäftigt. Er studierte in den USA Medizin und spezialisierte sich auf
Herzchirurgie. Doch der radikale Wandel im Leben des heute 39-jährigen setzte
am 28. Jänner 2011 ein. Ein Großaufgebot
an Sicherheitskräften riegelte an diesem Tag den Zugang von der Nilbrücke zum
Tahrir-Platz im Herzen Kairos ab. Fassungslos beobachtete Youssef im Fernsehen,
wie unbewaffnete Volksmassen mit Schlagstöcken und Gewehren ausgestatteten
Polizisten zum Tahrir-Platz zurückdrängten, um in diesem Zentrum der Revolution
ihre Protest-Camps zu errichten. Da entschloss
sich der erfolgreiche Arzt nun seinerseits einen Beitrag zu dieser historischen
Entwicklung des Landes zu leisten.
Die in den Medien so hemmungslos verbreiteten Lügen über
Widerstand und Revolution empörten ihn derart, dass er nach dem Sturz Mubaraks
Anfang März in der Hoffnung auf einen nun angebrochenen Frühling der Freiheit
mit Witz und Zynismus und einfachsten Mitteln seine Sicht der Dinge zu
präsentieren begann. In seiner Wohnung, so erzählte Youssef einmal in einer
Show, gab es einen Abstellraum, der nur zum Wäschetrocknen benutzt wurde. Dort
setzte er sich an einen Tisch, vor ihm ein Blatt Papier, im Hintergrund eine
Fotomontage der anhaltenden Demonstrationen und eine kleine Kamera. Sie nahm seine satirisch untermalten Berichte über die dramatischen
Ereignisse auf und die Filme stellte Youssef in YouTube. In kürzester Zeit
hatten diese Videos mehr als fünf Millionen Zuseher angezogen. Daraufhin
schloss er einen Vertrag mit dem ägyptischen Privatsender „ONtv“ und
schließlich mit dem unabhängigen Privatsender CBC ab. In seinen
allwöchentlichen Shows schoß er seine satirischen Pfeile vor allem auf
Präsident Mursi und dessen Serie gravierender Fehlentscheidungen. Innerhalb von mehr als zwei Jahren stieg er so
zum größten Fernsehstar Ägyptens auf. Sein schonungsloses Bemühen aber, dem
Land mit Hilfe von Witz und Satire den Spiegel einer traurigen Realität
vorzuhalten trug ihm zunehmend Kritik von allen Seiten ein, denn die wahre
Bedeutung der Meinungs- und Redefreiheit in einem demokratischen System findet
sich in der ägyptischen Gesellschaft noch keineswegs verankert. CBC setzte
deshalb auch Ende Oktober seine Sendungen ab.
Youssef empörte er nicht nur Anhänger des Militärs, sondern
auch Liberale, die heute in großen Zahlen Ägyptens neuen „starken Mann“ ,
Verteidigungsminister General Al-Sisi, unterstützen, als er in seiner jüngsten
Show Ausschnitte aus TV-Sendungen zeigte, in denen Moderatoren zunehmend
fantastische Schätzungen der Menschenmassen nannten, die im Juni gegen
Präsident Mursi protestierten: 25 Millionen, 40 Millionen – bis zu 70
Millionen. Dann folgte eine Passage aus
einem Interview mit dem Abgeordneten der Moslembruderschaft Azza el-Garf, der
triumphierend bekanntgab, dass 45 Millionen Menschen zur Unterstützung Mursis
in die Straßen gezogen waren. Mit verstörtem Blick zog Youssef den
Taschenrechner hervor, drückte auf die Tasten und warf ihn in theatralischer
Geste zu Boden. Denn Ägyptens Bevölkerung zählt nur rund 80 Millionen. „Das
kann zweierlei bedeuten“, schließt der Satiriker: „Entweder hat sich die
ägyptische Bevölkerung vermehrt oder wir haben Leute, die auf beiden Seiten
spielen.“
Mit beißendem Witz attackierte er, der einst den
Militärputsch gegen Mursi unterstützt hatte, die „Heuchelei, Vergötterung,
Pharaoisierung und die Wiederholung der Fehler der vergangenen 30, ja gar 60
Jahre“ und er meinte damit Sisis rasant anschwellende Popularität, die fast an
Hysterie grenzende Verherrlichung des Generals, dessen Gesicht unterdessen nicht
nur auf Plakaten allgegenwärtig ist, sondern auch tausendfach auf kleinen
Schokoladeriegeln und anderen Süßigkeiten in Geschäftsregalen erscheint. „Sisi
wandelte sich in Schokolade“, so der sarkastische Spruch über den General, der
seine politischen Gegner mit zunehmend harter Hand verfolgt.
Besonders beklagt Youssef das sich stetig verschärfende
Klima der Feindseligkeit und des Hasses, das den Weg zu politischer
Verständigung vollends zu blockieren droht. „Ich kann die Intoleranz der
religiösen Bewegungen und deren Neigung zum Rechtsextremismus verstehen. Das
ist schließlich ihr ideologischer Standpunkt und sie stehen damit zumindest in
Übereinstimmung mit ihrem Glauben. Aber ich kann eine Strömung nicht begreifen,
die vorgibt Liberalismus und Freiheit zu verteidigen, doch in Wahrheit weniger
tolerant ist als die religiösen Bewegungen.“
Seine enorme Popularität vor allem auch in den sozialen
Netzwerken wie im Fernsehen nützt Youssef, um sich für in Ägypten verfolgte
Aktivisten einzusetzen. Zugleich wirbt er woimmer er kann um finanzielle
Unterstützung für die Ausstattung von kardiologischen Spezialkliniken im armen
Oberägypten und um jungen ägyptischen Ärzten die Ausbildung zu Chirurgen zu
ermöglichen.
Ende Oktober eröffnete die Staatsanwaltschaft Untersuchungen
gegen diesen unbequemen Kritiker, der fest entschlossen ist, die Wahrheit zu
verteidigen und sich nicht einschüchtern zu lassen.
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