Donnerstag, 28. November 2013

Ägypten „Schlimmer als unter Mubarak“

Die Repression nimmt zu – Überfüllte Gefängnisse, scharfe Urteile gegen friedliche Demonstranten, radikale Restriktion der Demonstrationsfreiheit
von Birgit Cerha
Kein Zweifel: Ägyptens Herrscher drehen die Uhr zurück. Längst vergangen ist der Freiheitsrausch, in den der Sturz Diktator Mubaraks im Februar 2011 das Volk tauchte und nur wenige Optimisten hoffen noch auf eine neue Ära politischer Mitbestimmung.. Die Verurteilung von 21 Frauen, darunter sieben Minderjährige,  zu elf Jahren Gefängnis, weil sie in Alexandria  für den im Juli gestürzten ersten freigewählten Präsidenten, den Moslembruder Mursi, friedlich protestiert hatten, versetzt viele Ägyptern in Schock. Die Jüngste ist erst 15 Jahre alt.  Der ehemalige Parlamentarier Mostafa al-Naggar spricht  empört vom „Selbstmord der Justiz in Ägypten. Wer noch über ein aktives Gewissen verfügt…., wird …….nicht mehr schlafen können, solange die Mädchen hinter Gitter bleiben.“
Die Urteile Sie sind Teil einer stetig an Intensität zunehmenden Repression insbesondere gegen Anhänger Mursis. Tausende von ihnen  sitzen, ebenso wie die Führer der Moslembruderschaft in Gefängnissen. Viele werden bei Demonstrationen, andere willkürlich bei Hausdurchsuchungen festgenommen und ohne Gerichtsverfahren  gefangen gehalten. 17.000 bis 20.000 Menschen sitzen derzeit nach Schätzung des Anwalts Mansour Ahmed in in Haftanstalten und die Polizei gehe mit zunehmender Aggressivität vor.
Bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und Hunderten Menschen, die in Kairo gegen ein neues restriktives Gesetz gegen Protestkundgebungen protestiert hatten, wurden 20 Personen festgenommen, weil laut Behörden die Demonstration nicht genehmigt worden war. Es war der erste derartige Zwischenfall seit Interims-Präsident Mansour Sonntag  das Gesetz unterzeichnet hatte, das für Versammlungen und Kundgebungen von mehr als zehn Personen eine polizeiliche Genehmigung fordert, die mindestens drei Tage zuvor erteilt werden muss. Die Sicherheitskräfte erhalten das Recht, illegale Proteste mit Wasserkanonen, Tränengas und Vogelschrot aufzulösen. Demonstranten, die Waffen, Sprengstoff, Munition, Feuerwerkskörper oder Masken  bei sich tragen, werden mit hohen Geldbußen bestraft. Die Regierung begründet dieses Gesetz mit der Notwendigkeit, all jene zu schützen, die friedlich demonstrieren. Seit dem Sturz Mursis haben trotz Massenverhaftungen teils gewaltsame Demonstrationen stark zugenommen.
Nicht nur Demokratie-, Menschenrechtsaktivisten und Islamisten sind empört. Das Verfassungskomitee, das seine Arbeit an einem neuen Grundgesetz fast beendet hat, protestiert durch vorübergehende Einstellung seiner Tätigkeit gegen das neue Gesetz.  19 ägyptische Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer „Kriminalisierung aller Formen friedlicher Versammlung.“ Der Staat habe sich „freie Hand“ zu massiver Repression“ verschafft. Ägyptens neuer starker Mann, Verteidigungsminister General Al-Sisi habe die Uhr zur Zeit des Mubarak-Regimes zurückgedreht, ja die Repression sogar noch verschärft. Auch internationale humanitäre Organisationen wie Amnesty International verurteilen dieses Gesetz, das nach der Aufhebung des Notstandsgesetzes am 14. November verschärfter Unterdrückung die legale Basis verschafft und für eine ruhige Atmosphäre bei dem für Januar geplanten Verfassungs-Referendum, sowie den darauffolgenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sorgen soll.
Die Repression  droht auch zunehmend jene Kräfte zu treffen, die vor einem halben Jahr Massendemonstrationen gegen Mursis autoritäre Herrschaft organisiert hatten, um – mit Hilfe des Militärs – ihre demokratischen Ziele durchzusetzen. Nachdem Dienstag 79 säkulare Aktivisten bei Protesten festgenommen worden waren, wurde Mittwoch ein Haftbefehl gegen zwei prominente Führer der Revolution gegen Mubarak, Ahmed Maher und Alaa Abd El Fattah erlassen. Die beiden werden beschuldigt, Proteste vor dem Parlament in Kairo organisiert zu haben. „Wir sind wieder zurück in der Zeit Mubaraks.“, klagt Maher. ‚Doch nun, so fürchten andere Aktivisten, werde die Polizei sogar noch brutaler gegen Demonstranten vorgehen als zuvor.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen