Die Repression nimmt zu – Überfüllte Gefängnisse, scharfe Urteile
gegen friedliche Demonstranten, radikale Restriktion der Demonstrationsfreiheit
von Birgit Cerha
Kein Zweifel: Ägyptens Herrscher drehen die Uhr zurück.
Längst vergangen ist der Freiheitsrausch, in den der Sturz Diktator Mubaraks im
Februar 2011 das Volk tauchte und nur wenige Optimisten hoffen noch auf eine
neue Ära politischer Mitbestimmung.. Die Verurteilung von 21 Frauen, darunter
sieben Minderjährige, zu elf Jahren
Gefängnis, weil sie in Alexandria für
den im Juli gestürzten ersten freigewählten Präsidenten, den Moslembruder Mursi,
friedlich protestiert hatten, versetzt viele Ägyptern in Schock. Die Jüngste
ist erst 15 Jahre alt. Der ehemalige
Parlamentarier Mostafa al-Naggar spricht
empört vom „Selbstmord der Justiz in Ägypten. Wer noch über ein aktives
Gewissen verfügt…., wird …….nicht mehr schlafen können, solange die Mädchen
hinter Gitter bleiben.“
Die Urteile Sie sind Teil einer stetig an Intensität
zunehmenden Repression insbesondere gegen Anhänger Mursis. Tausende von
ihnen sitzen, ebenso wie die Führer der
Moslembruderschaft in Gefängnissen. Viele werden bei Demonstrationen, andere
willkürlich bei Hausdurchsuchungen festgenommen und ohne Gerichtsverfahren gefangen gehalten. 17.000 bis 20.000 Menschen
sitzen derzeit nach Schätzung des Anwalts Mansour Ahmed in in Haftanstalten und
die Polizei gehe mit zunehmender Aggressivität vor.
Bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und Hunderten
Menschen, die in Kairo gegen ein neues restriktives Gesetz gegen
Protestkundgebungen protestiert hatten, wurden 20 Personen festgenommen, weil
laut Behörden die Demonstration nicht genehmigt worden war. Es war der erste derartige
Zwischenfall seit Interims-Präsident Mansour Sonntag das Gesetz unterzeichnet hatte, das für Versammlungen
und Kundgebungen von mehr als zehn Personen eine polizeiliche Genehmigung
fordert, die mindestens drei Tage zuvor erteilt werden muss. Die
Sicherheitskräfte erhalten das Recht, illegale Proteste mit Wasserkanonen,
Tränengas und Vogelschrot aufzulösen. Demonstranten, die Waffen, Sprengstoff,
Munition, Feuerwerkskörper oder Masken bei sich tragen, werden mit hohen Geldbußen
bestraft. Die Regierung begründet dieses Gesetz mit der Notwendigkeit, all jene
zu schützen, die friedlich demonstrieren. Seit dem Sturz Mursis haben trotz
Massenverhaftungen teils gewaltsame Demonstrationen stark zugenommen.
Nicht nur Demokratie-, Menschenrechtsaktivisten und
Islamisten sind empört. Das Verfassungskomitee, das seine Arbeit an einem neuen
Grundgesetz fast beendet hat, protestiert durch vorübergehende Einstellung
seiner Tätigkeit gegen das neue Gesetz.
19 ägyptische Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer „Kriminalisierung
aller Formen friedlicher Versammlung.“ Der Staat habe sich „freie Hand“ zu
massiver Repression“ verschafft. Ägyptens neuer starker Mann, Verteidigungsminister
General Al-Sisi habe die Uhr zur Zeit des Mubarak-Regimes zurückgedreht, ja die
Repression sogar noch verschärft. Auch internationale humanitäre Organisationen
wie Amnesty International verurteilen dieses Gesetz, das nach der Aufhebung des
Notstandsgesetzes am 14. November verschärfter Unterdrückung die legale Basis
verschafft und für eine ruhige Atmosphäre bei dem für Januar geplanten
Verfassungs-Referendum, sowie den darauffolgenden Parlaments- und
Präsidentschaftswahlen sorgen soll.
Die Repression droht auch
zunehmend jene Kräfte zu treffen, die vor einem halben Jahr
Massendemonstrationen gegen Mursis autoritäre Herrschaft organisiert hatten, um
– mit Hilfe des Militärs – ihre demokratischen Ziele durchzusetzen. Nachdem
Dienstag 79 säkulare Aktivisten bei Protesten festgenommen worden waren, wurde
Mittwoch ein Haftbefehl gegen zwei prominente Führer der Revolution gegen
Mubarak, Ahmed Maher und Alaa Abd El Fattah erlassen. Die beiden werden
beschuldigt, Proteste vor dem Parlament in Kairo organisiert zu haben. „Wir
sind wieder zurück in der Zeit Mubaraks.“, klagt Maher. ‚Doch nun, so fürchten
andere Aktivisten, werde die Polizei sogar noch brutaler gegen Demonstranten
vorgehen als zuvor.
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