Nach dem Chemiewaffen-Abkommen mit Syrien wächst die
Hoffnung auf eine „historische“ Annäherung zwischen der „Islamischen Republik“
und den USA
von Birgit Cerha
Ein von den USA geführter Militärschlag gegen Syrien gelte
in Wahrheit dem Iran und würde einen Angriff auf die Atomanlagen des „Gottesstaates“
mit unabsehbaren Folgen überflüssig machen. Diese unter so manchen Experten im
Westen, wie auch im Iran vertretene These weckt nun, da ein zwischen den USA und Russland
ausgehandeltes Abkommen zur Übergabe des Arsenals chemischer Waffen durch
Syrien an die UNO einen US-Militärschlag - vorerst? – abgewendet hat, im Iran erneut
Ängste vor einer israelischen oder amerikanischen Attacke.
Dennoch, das offizielle Teheran begrüßt die internationale
Kontrolle der syrischen Chemie-Waffen und
US-Präsident Obamas verstärkte Bemühungen um eine diplomatische Lösung der
Syrien-Krise geben zweifellos jenen im Iran Auftrieb, die Syriens Präsidenten
Assad nicht um jeden Preis unterstützen wollen. Dazu dürfte wohl auch Präsident
Rouhani und sein Außenminister Zarif zählen. Der iranischen Regierung liegt
viel daran, der internationalen Gemeinschaft ihre wichtige Rolle bei der Abwendung eines gefährlichen Krieges
klar zu machen. Immerhin wiegt Teherans Wort neben jenem Russlands in Damaskus
schwer. Doch wird es diesen beiden engsten Verbündeten des syrischen Regimes
gelingen, Assad nun auch von Täuschungsmanövern abzuhalten?
Für den Iran steht mit der weitgehend reibungslosen Übergabe
der Chemiewaffen viel auf dem Spiel. Scheitert das Abkommen, wächst nicht nur
wieder die Kriegsgefahr, sondern die damit dramatisch verschärften
internationalen Spannungen würden auch die neue Diplomatie des Teams Rouhani/Zarif
blockieren.
Auf dem Höhepunkt des Syrien-Konflikts hatten Präsident
Obama und Rouhani geheim Briefe ausgetauscht. Zweifellos handelt es sich dabei
um eine minimale Geste in einem historischen Konflikt, der in beiden Ländern
schwere Wunden geschlagen hat. Und dennoch ist es ein höchst bemerkenswerter
Fortschritt. Denn sowohl blieb Obamas früherer Kontaktversuch – ein Brief an
den „Geistlichen Führer“ Khamenei – unbeantwortet, als auch wiederholte
Bemühungen seines Vorgängers Bill Clinton, in den 1990er Jahren einen Dialog
mit Teheran in die Wege zu leiten. Zum ersten Mal in der 34-jährigen Geschichte
der iranisch-amerikanischen Feindseligkeiten, so meinen Experten, hätten erste
Versuche zur Einleitung einer „historischen Annäherung“ tatsächlich eine Chance.
Mehrere Anzeichen nähren solche Hoffnung. Rouhani hat seit
seiner Amtsübernahme im August keine Zeit verloren, um sich vor allem
außenpolitisch radikal von seinem exzentrischen Vorgänger Ahmadinedschad
abzusetzen und erste Schritte zu einer pragmatischen Außenpolitik zu setzen.
Für den erfahrenen Politiker steht damit seine ganze Glaubwürdigkeit auf dem
Spiel. Denn er hat eine Erholung der durch die internationalen Sanktionen am
Rande des Zusammenbruchs stehenden Wirtschaft und damit die dringende Linderung
der Not der Bevölkerung zu seiner höchsten Priorität erhoben. Deshalb auch
siegte er überwältigend bei den Wahlen im Juni. Einziger Weg zu diesem Ziel ist ein Ende der internationalen Sanktionen,
das sich nur durch eine Einigung mit den Weltmächten über Irans umstrittenes
Atomprogramm erzielen lässt. Rouhani verspricht Transparenz in der Atomfrage
und verheißt eine rasche Lösung, wiewohl Teheran nicht auf sein Recht auf
friedliche Nutzung der Atomenergie verzichten werde. Noch im September werde er
bei einem Besuch in New York Vorbereitungen für eine „Win-Win-Lösung“ treffen,
die alle Seiten zufriedenstellen solle. Robert Einhorn, der vier Jahre lang die
US-Delegation bei den Verhandlungen geleitet hatte, zeigt sich zutiefst
beeindruckt über die „sehr aktive und geschickte diplomatische Kampagne“, die
Rouhani und Zarif zur Vorbereitung der nächsten Verhandlungsrunde führen. Zarif,
der sein halbes Leben in den USA, zuletzt als UNO-Botschafter seines Landes
verbracht hatte, genießt in politischen Kreisen der USA hohes Ansehen. Er ist
der erste Außenminister seit 1979, der intime Kenntnisse dieses Erzfeindes der „Islamischen
Republik“ besitzt. Er gilt als charmant und seriös, als ein Mann der nichts verspricht,
was er nicht auch glaubt halten zu können. Auch Rouhani, dem als
Atomunterhändler (2003 bis 2005) das einzige – allerdings nur zeitlich
begrenzte – Abkommen zur Suspendierung der Urananreicherung gelungen war,
genießt im Westen Achtung und – was mindestens ebenso wichtig ist – im politischen
System des Irans hohes Vertrauen. Als jahrzehntelanger Berater Khameneis ist er
in der einzigartigen Position einen gewissen Einfluss auf den „Geistlichen
Führer“ auszuüben. In diesem Zusammenhang sehen Beobachter in der jüngsten
Übertragung der Atom-Akte von dem Khamenei unterstehenden Nationalen
Sicherheitsrat des Irans ans Außenministerium ein entscheidenes Signal.
So löste Khameneis jüngste Aufforderung an „die
Administration, die Politiker und Diplomaten“ des Landes, das Verhalten des
Westens im Rahmen eines „tiefen und fundamentalen Konflikts zwischen Islam und
dem Westen“ zu analysieren, Bestürzung und Verwirrung aus. Hält Irans Führer unverändert
am Geist des „Zusammenpralls der Kulturen“ fest? Kann sich Rouhani doch nicht
den für eine Lösung des quälenden Atomkonflikts so wichtigen Freiraum schaffen?
Kenner der iranischen Politik aber werten diese erneut
feindselige Rhetorik Khameneis als
Warnung an den Westen. „Wenn ihr diese Gelegenheit verpasst, dann werdet
ihr es mit mir (Ayatollah Khamenei) zu tun bekommen“ und die Chance auf eine
Lösung des Nuklearstreits sei vertan.
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