Warum und wie Saudi-Arabien, gemeinsam mit Israel, die USA
zum Krieg gegen das syrische Regime drängt
von Birgit Cerha
[Bild: Bandar bin Sultan]
Prinz Saud al Faisal, jahrzehntelang Außenminister des
ölreichsten Staates der Welt, konnte seine Enttäuschung über den Aufschub einer US-Militäraktion gegen
Syrien kaum noch hinter diplomatischem Gehabe verbergen. Worte reichten nicht
mehr aus, bemerkte der Prinz bitter vor
der auch über Syrien, wie so viele andere Probleme tief zerstrittenen Arabischen
Liga in Kairo. Während die offiziellen Medien des Königsreiches in scharfen
Worten gegen die mangelnde Entschlusskraft, wie sie es sehen, der befreundeten
Supermacht zu Felde ziehen, setzen die politischen Führer alles daran, dass der
US-Präsident seine „letzte Chance“ wahrnimmt, um – durch eine
Militärintervention gegen das Assad-Regime - die Glaubwürdigkeit der USA in der
Region zu retten. Und dabei, so Kommentatoren, die die politische Position des
Königshauses wiedergeben, dürften sich die Amerikaner keineswegs mit einem
kurzen Militärschlag begnügen, denn dieser könnte Assad intern mehr nützen als
schaden.
Die Diplomatie des seit dem Sturz des Ägypters Mubarak 2012
engsten arabischen Verbündeten der USA lässt sich an Hektik und Intensität kaum
noch überbieten. Und dabei finden sich die Saudis an der Seite eines anderen
US-Bündnispartners, ihrem langjährigen Erzfeind Israel. Beiden geht es
keineswegs primär um den Sturz des syrischen Diktators und ein Ende der
beispiellosen humanitären Tragödien. Mit Assads Sturz wäre iranisches
Hegemoniestreben in der Region blockiert und Teheran zum Bau einer Atombombe
entmutigt – ein Ziel, das sowohl die Israelis als auch die Saudis anstreben und
das durch Obamas mangelnde Bereitschaft zu einem Militärschlag gegen den Iran in
immer größere Ferne gerückt war. Die Wahl des gemäßigten Rouhani zum neuen
Präsidenten in Teheran könnte gar das Tor zu einer umfangreichen Übereinkunft
zwischen den USA und dem Iran öffnen und damit würden die Chancen sinken, den „Gottesstaat“
entscheidend aus der Region zurück zu drängen, ein Ziel, das nur mit massiver
US-Hilfe zu erreichen wäre.
Saudischer Hauptakteur in diesem wilden Washingtoner Lobbying
ist Prinz Bandar bin Sultan, in 22-jähriger Tätigkeit als Botschafter seines
Landes in den USA nicht nur zu einem intimen Kenner der politischen Szene in
den USA und engen Freund der Mächtigen
aufgestiegen, sondern auch zu einem Veteranen diplomatischer Intrigen. 2012 zum
Chef des mächtigen saudischen Geheimdienstes ernannt und ausschließlich mit der
„Syrien-Akte“ betraut, hat sich der umtriebige Prinz zum wichtigsten und dank seiner langjährigen Tätigkeit in
Washington auch höchst einflussreichen „Kriegstreiber“
entwickelt, der auch vor höchst zweifelhaften Methoden nicht zurückschreckt.
Als vor zweieinhalb Jahren in Tunesien und dann Ägypten der „Arabische
Frühling“ langjährige Diktatoren stürzte wurde auch das autokratische Haus Saud
tief ins Mark getroffen. Doch als der Bazillus der Demokratie und Freiheit auch
Syrien erreichte, witterte n die Saudis eine einzigartige Chance, durch den
Sturz Assads das regionale Gleichgewicht zu „korrigieren“, ihrem historischen
Rivalen um politische, aber auch religiöse Vormachtstellung in diesem Teil der
Welt, Grenzen zu setzen. Seit Jahren fühlen sich die sunnitischen Saudis von
den schiitischen Iranern zunehmend eingekreist. Tatsächlich konnte Teheran
seinen Einflussbereich vom Jemen, über die schiitischen Bevölkerungsgruppen auf
der arabischen Seite des Persischen Golfes, den Irak, über den syrischen
Verbündeten und die libanesische Hisbollah bis zur israelischen Grenze hin
ausweiten. Syrien unter einem von Saudi-Arabien abhängigen sunnitischen Regime
würde, so Riads Vorstellung, diesen bedrohlichen „schiitischen Halbmond“
sprengen. Somit setzte sich das Königshaus, in Panik, es könnte schließlich gar
die ölreiche, von der unterdrückten schiitischen Minderheit bewohnte Ostprovinz
verlieren, den Sturz Assads zur höchsten
regionalpolitischen Priorität. Prinz Bandar wurde mit der militärischen und
finanziellen Unterstützung islamistischer Rebellen betraut und zeigte sich
dabei keineswegs zimperlich. Auch mit Al-Kaida eng verbündete Kämpfer nennen
ihn heute ihren ihren „Habib“ (Liebling).Hartnäckig halten sich unterdessen
auch Vermutungen, dass nicht das syrische Regime, sondern islamistische, von Riad
bezahlte Rebellen am 21. August in dem Damaszener Vorort Ghouta von Bandar
erhaltenes Giftgas eingesetzt hätten. Die Behauptung stützt sich auf Interviews
einer erfahrenen Nahost-Korrespondentin der US-Nachrichtenagentur AP, ebenso
wie Mitarbeiterin des BBC mit Rebellen und deren Angehörigen in Ghouta. Eine „Aktion
unter falscher Flagge“, um Assad die Schuld zuzuschieben und Washington zur
lange erhofften Militäraktion zu zwingen? Ob die Wahrheit je ans Tageslicht
kommt?
Nicht nur in seiner Förderung von radikalen Jihadis zeigt
sich Prinz Bandar hemmungslos. Wie weit der Prinz im Auftrag des Königshauses
sich auch auf dem diplomatischen Bankett vorwagt, zeigte jüngst ein in Rußland
durchgesickertes Protokoll eines Gesprächs zwischen ihm und Präsident Putin, in
dem Bandar dem Russen ein mafiöses Angebot zur Kontrolle des Öl- und Gasmarktes
als Gegenleistung für die Aufgabe seiner Unterstützung Assads machte. Bandar
scheute nicht vor einer offenen Drohung von Terrorakten der von Saudi-Arabien
kontrollierten tschetschenischen Rebellen gegen die Olympischen Spiele in Sotschi
2014 zurück, provozierte jedoch lediglich Putins Zorn.
Die höchst effiziente
Schützenhilfe, die die Hisbollah-Kämpfer
im Juni der bedrängten Armee Assads leisteten, versetzten Riad, ebenso wie
Israel in Panik. Das Königshaus fürchtete, die Schlacht um Kontrolle Syriens
sei verloren. Nach libanesischen Medienberichten gab Prinz Bandar Beiruter
Politikern, die ihn in Riad besuchten, daraufhin klar zu verstehen, dass er
keine Mühe scheuen werde, um Hisbollah für ihre Verwicklung im Syrienkrieg zu „bestrafen“.
Libanesen haben eine lange Tradition, sich für andere für deren Zwecke
militärisch einsetzen zu lassen. Und Bandars Geldbeutel ist groß. Unabhängige
Quellen in Beirut sind überzeugt, dass die Saudis, vielleicht auch Israel bei
den jüngsten Bombenexplosionen gegen Hisbollah-Ziele ihre Hand im Spiel haben. Eine drohende Destabilisierung des Libanons dürfte
Riad als kein zu hoher Preis für eine empfindliche Schwächung der Hisbollah
erscheinen.
Saudische und israelische Entschlossenheit, Assad so rasch
wie möglich zu Fall zu bringen wuchs mit
der Überzeugung, dass die Zeit amerikanischer Hegemonie in der Region zur Neige
gehe und damit auch ihre eigene Vorrangstellung.
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