Besiegelt die Entlassung des Ex-Diktators aus dem Gefängnis das
Ende der demokratischen Revolution in Ägypten?
von Birgit Cerha
„Willkommen daheim“, frohlockt ein ägyptischer
Geschäftsmann. “Die Justiz hat (Ex-Präsident) Mubaraks Unschuld festgestellt.“
Andere zeigen offen ihre Empörung: „Die Armee hat die Uhr zurückgedreht. Die
alten Tage kehren wieder, nur noch schlimmer als zuvor“, befürchtet ein junger Revolutionär,
der vor zweieinhalb Jahren auf dem Kairoer Tahrir-Platz viele Tage lang mit
Hunderttausenden Gesinnungsgenossen so erfolgreich nach dem Sturz des Diktators
gerufen hatte. Die Kommentare zu der von einem Gericht verfügten Entlassung Mubaraks
aus dem Gefängnis zeigen drastisch die tiefe Kluft, die Ägyptens Gesellschaft
an den Rand den Abgrunds treibt. Während die einen triumphieren, ist der andere
Teil des Landes, - Islamisten, aber auch säkulare Revolutionäre – schockiert
und erboßt.
Doch dass die Justiz gerade jetzt, auf dem Höhepunkt der politischen Krise durch den Entscheid über Mubaraks Schicksal noch Öl ins Feuer der Emotionen gießt, illustriert eine starke Zuversicht der neuen Herrscher am Nil, dass sie durch Härte und Kompromisslosigkeit ihre Macht konsolidieren können. Ungeachtet der blutigen Brutalitäten der Sicherheitskräfte genießt das Militär unter einem großen Teil der Bevölkerung, jenen nämlich, die eine islamistische Diktatur fürchten, beträchtliche Popularität. Viele von ihnen haben die endlosen Demonstrationen und die blutigen Attacken gegen Anhänger des am 3. Juli gestürzten Präsidenten Mursi zermürbt. Die Entlassung des 85-jährigen Mubarak wird viele wohl nicht wieder in die Straßen treiben. So zumindest dürfte Ägyptens „starker Mann“, General Al-Sisi , kalkulieren. Zur Sicherheit aber, soll er im Hausarrest auf die Wiederaufnahme seines Prozesses wegen „Beihilfe“ zur Tötung von mehr als 800 Demonstranten 2011warten und das Land nicht verlassen dürfen.
Doch dass die Justiz gerade jetzt, auf dem Höhepunkt der politischen Krise durch den Entscheid über Mubaraks Schicksal noch Öl ins Feuer der Emotionen gießt, illustriert eine starke Zuversicht der neuen Herrscher am Nil, dass sie durch Härte und Kompromisslosigkeit ihre Macht konsolidieren können. Ungeachtet der blutigen Brutalitäten der Sicherheitskräfte genießt das Militär unter einem großen Teil der Bevölkerung, jenen nämlich, die eine islamistische Diktatur fürchten, beträchtliche Popularität. Viele von ihnen haben die endlosen Demonstrationen und die blutigen Attacken gegen Anhänger des am 3. Juli gestürzten Präsidenten Mursi zermürbt. Die Entlassung des 85-jährigen Mubarak wird viele wohl nicht wieder in die Straßen treiben. So zumindest dürfte Ägyptens „starker Mann“, General Al-Sisi , kalkulieren. Zur Sicherheit aber, soll er im Hausarrest auf die Wiederaufnahme seines Prozesses wegen „Beihilfe“ zur Tötung von mehr als 800 Demonstranten 2011warten und das Land nicht verlassen dürfen.
Dennoch besitzt Mubaraks Haftentlassung für viele seiner
Gegner starke Symbolkraft. Sie sehen darin eine alarmierende Rückkehr des „tiefen
Staates“, den Versuch der Offiziere, nicht nur den Willen des Volkes (durch den
Sturz Mursis) durchzusetzen, sondern das alte System zu restaurieren.In
Wahrheit dürften die „Felul“ (wie man am Nil die „Überreste des alten Regimes“
nennt) die politische Szene größtenteils gar nicht verlassen haben. Zu ihnen
zählen hohe Beamte, aber auch Geschäftsleute, die während der drei Jahrzehnte
der Mubarak-Ära ein Vermögen gemacht haben, ebenso wie Funktionäre der 2011
aufgelösten „Nationalen Demokratie Partei“ Mubaraks und Angehörige des
Sicherheitsapparates und der Streitkräfte. Die Institution, in der sich Mubaraks
Spießgesellen wohl den stärksten Einfluß erhalten haben dürften, ist die
Justiz. Während seiner einjährigen Herrschaft hatte sich Mursi wiederholt
bitter beklagt, wie der „tiefe Staat“,
allen voran die Justiz jegliche von ihm geplante Veränderung zu blockieren
suchte.
Gravierende Beweise dafür drängen sich auf. Einen Tag nach
Mursis Sturz war plötzlich eine quälende, das Land zunehmend lähmende
Treibstoffkrise behoben, die Stromversorgung funktionierte wieder reibungslos
und die Verkehrspolizei, die sich monatelang von den Straßen ferngehalten
hatte, sorgte plötzlich wieder einigermaßen für Ordnung. Laut Kritikern des „tiefen
Staates“ hatten reiche Anhänger Mubaraks während der Herrschaft Mursis Investitionen im
Land gestoppt und einen Exodus ihres Kapitals ins Ausland organisiert, während
Bürokraten eine Unterbrechung der Strom- und Treibstoffversorgung veranlassten
und damit Panikkäufe und einen enormen Preisanstieg auslösten. Zugleich sorgten
Angehörige der Sicherheitskräfte und des Geheimdienstes für einen graduellen Zusammenbruch der
öffentlichen Ordnung, die Kriminellen und allerlei Gewalttätern freie Hand
ließ. Die Sicherheitskräfte betrieben schließlich gar ein blutiges Spiel mit
Mursi. Während der Massendemonstrationen gegen ihn am 30. Juni sah die Polizei der
Plünderung des Hauptquartiers der Moslembrüder in Kairo tatenlos zu. Nach
seinem Sturz hingegen stand die Polizei wieder voll und mit hemmungsloser
Brutalität im Einsatz.
Die Felul, Ägyptens Establishment, zahlreiche mächtige Interessensverbände, die um ihre ökonomischen
und politischen Vorteile fürchteten, sehen nun ihren Einfluss durch al-Sisis
Macht und die weitgehende Rückkehr der alten sozialen und politischen Ordnung gesichert.
Denn ihr tiefes Mißtrauen gilt keineswegs nur den islamistischen Parteien,
sondern auch den säkularen Demokratie-Aktivisten.
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