Mittwoch, 3. Juli 2013

Mohammed Mursis Weg in die Katastophe

Eine Mischung aus Inkompetenz, Fehlentscheidungen und Machtgier prägte die einjährige Präsidentschaft des ersten Islamisten an der Spitze des ägyptischen Staates
von Birgit Cerha

ER werde „alle Ägypter“ repräsentierten“, schwor Mohammed Mursi nach seinem knappen Wahlsieg vor einem Jahr. Und als er als erster freigewählter Präsident die Macht am Nil übernahm, versprach der langjährige Funktionär und zuletzt auch Führer der Moslembruderschaft, einen „demokratischen, zivilen und modernen Staat“ aufzubauen, auf die Wünsche der Bevölkerung zu reagieren, die freie Meinung nicht zu unterdrücken, das Recht auf Religionsfreiheit und friedlichen Protest zu schützen.

Doch seine Gegner, wie unabhängige Analysten sind sich einig: Mursi hat versagt, er keines der Versprechen erfüllt. Von Beginn seiner Amtszeit an hat er alles versucht, die Macht, nach der seine Moslembrüder sein sechs Jahrzehnten mit großen Opfern gestrebt hatten, abzusichern und in allen staatlichen Institutionen auszubauen. Die Isamisten versuchten, fast alle Bereiche der Regierung unter ihre Kontrolle zu bringen und durch Veränderungen an vielen Fronten ein religiös-autoritäres Regime zu errichten. Im administrativen Bereich ersetzte er alle freigewordenen Posten durch Angehörige seiner Bewegung oder rivalisierender Islamistengruppen (wie der Salafisten oder der einstigen Terrororganisation Gamaa- al-Islamiya, um sich deren Unterstützung gegen seine laizistischen Gegner zu erkaufen. Zuletzt löste er durch die Ernennung von Islamisten zu Gouverneuren, darunter darunter auch eines ehemaligen Gamaa-Terroristen in Luxor (der jedoch zum Rücktritt gezwungen wurde) helle Empörung aus. Mit Hilfe dieser Personalpolitik versuchte er auch, die unabhängigen Arbeitergewerkschaften zu unterddrücken.
Mursis intensiver Kampf gegen die Justiz, die er ebenfalls unter seine Kontrolle zwingen wollte, schlug jedoch fehl. Eben entschied ein Gericht, den vom Präsidenten im November entlassenen Generalstaatsanwalt Abdel Meguid Mahmud wieder in seinem Amt einzusetzen. Zudem begann Mursi ein Konzept zur grundlegenden Neudefinition der Rolle der Kultur in die Tat zu setzen. Danach sollte Kultur und Meinungsfreiheit, sowie Kreativität konservativen religiösen Glaubenssätzen unterworden, der kulturelle Ausdruck insgesamt geknebelt werden. Mursis Mitstreiter in der Regierung begannen auch die Lehrpläne in den Schulen und an Universitäten , insbesondere in den Bereichen Geschichte, Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft ihrer konservativ-religiösen Ideologie anzupassen. Der Präsident scheute selbst nicht vor einer möglichen Konfrontation mit Al-Azhar, der höchsten religiösen Institution der Welt der Sunniten, zurück. Al Azhar erwies sich im vergangenen Jahr als das größte Hindernis für die Moslembrüder unter Mursi, Ägypten durch eine auf konservativ-religiösen Vorstellungen basierende Kulturrevolution aufzuzwingen. Al Azhar ist berühmt für ihre Offenheit und ihre Bemühungen, einen gemäßigten Islam zu fördern.
Bei der Durchsetzung seiner Ziele legte es sich Mursi mit weiten Kreisen der Bevölkerung an, bemühte sich nicht ernsthaft, die überwiegend säkularen Kräfte, die vor zweieinhalb Jahren Mubarak gestürzt hatten, in den politischen Prozeß miteinzubinden. Vielmehr eiferte er in seiner Repressionspolitik dem gestürzten Diktator nach. Mursi, der selbst viele Monate im Gefängnis darben musste, unterwarf Tausende seiner Gegner Freiheitsraub und Folter.
Während sich der Präsident im vergangenen Jahr auf die Ausweitung seiner Machtbasis und Ideologie konzentrierte, vernachlässigte er vollends die grundlegende Probleme des Staates. Ägypten rutschte in die schwerste Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte, die zu einer gravierenden Verarmung gerade auch jener Bevölkerungsschichte führte, die die Hausmacht der Moslembrüder stellt.
Sein größter Fehler war wohl, die Bedeutung und das Ausmaß der lange angekündigten Massendemonstrationen vom 30. Juni völlig unterschätzt zu haben. Kurz vor Beginn dieser dramatischen Kraftprobe meinte der Generalsekretär der Moelsmbrüder, Mahmou Hussein, gelassen: „Das Volk wird uns schützen.“ Und am 1. Juli gestand einer seiner führenden Kollegen offen ein: „Wir haben die Situation falsch eingeschätzt und wir werden dafür den Preis bezahlen.“

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