Der superreiche Ministaat spielt in seinem ehrgeizigen
Streben nach einer zentralen Führungsrolle in der Region mit dem Feuer
von Birgit Cerha
[Bild: Scheich Tamim bin Hamad al-Thani]
Der winzige Stadtstaat Katar, mit seinen nur 1,7 Millionen
Einwohnern und davon nur 225.000 eigenen Staatsbürgern auf einer kleinen
Halbinsel im Persischen Golf gelegen, schafft es immer häufiger in die
Schlagzeilen der internationalen Medien. Nicht nur ist diese absolute Monarchie
Heimat der reichsten Bürger der Welt mit einem durchschnittlichen
Pro-Kopf-Einkommen von 80.870 Dollar im Jahr. Die materiellen Schätze aus Öl-
und vor allem Gasquellen sollen nach den Wünschen der Herrscherfamilie al-Thani
schier Unmögliches bewerkstelligen: den Aufstieg zur Großmacht in der Region.
Zu diesem Ziel hat Emir Hamad bin Khalifa bereits eine Serie bemerkenswerter
Schritte gesetzt. Der jüngste ist die Hofübergabe des 61-jährigen an seinen
33-jährigen Sohn, der in einer Region
der Gerontokraten einen friedlichen Generationenwechsel vollziehen soll. Über
innenpolitische Öffnung und Demokratisierung schweigt sich das Herrscherhaus allerdings aus.
Kein Termin für die bereits für 2004 versprochenen Wahlen zu einer beratenden
Versammlung wurde festgesetzt, politische Parteien bleiben ebenso verboten, wie
Gewerkschaften und Kritik am Herrscherhaus wagen die Untertanen nur im Geheimen.
Dennoch bleibt die Zahl der einheimischen Demokratie-Aktivisten angesichts des
hochprivilegierten Lebensstils der Kataris bescheiden.
Niemand zweifelt derzeit daran, dass der neue, in England
ausgebildete Emir, Tamim bin Hamad, den
Kurs des Vaters insbesondere in der Außenpolitik fortsetzen wird. Die weit
größere Nähe des als konservativ geltenden Herrschers zur breiten Strömung der
Moslembrüder in diversen arabischen Ländern läßt nach Einschätzung von Experten allerdings
den Schluss zu, dass Katar einen zunehmend umstrittenen außenpolitischen Kurs
fortsetzen, wenn nicht gar intensivieren dürfte.
Eingekeilt zwischen Saudi-Arabien und Iran begann sich Katar unter
dem zurückgetretenen Emir Hamad in den vergangenen 18 Jahren aus dem Schatten dieser
beiden Erzrivalen auf der Suche nach einer eigenen, unabhängigen Identität zu
lösen. Freundschaft mit allen erwies sich dabei als entscheidend, zumal Katar
sein größtes Gasfeld mit dem Iran teilt. Durch geschickte Diplomatie versuchte
der Emir , dem militärisch schwachen Land einen für die Region unentbehrlichen Status zu
verschaffen, der es vor bedrohlichen Attacken von Feinden und Rivalen schützen
würde. Hamad vermittelte in unzähligen
Konflikten, vom Jemen, über Somalia, dem Libanon bis zu den
Palästinensergebieten und scheute in seiner Außenpolitik auch nicht vor krassen
Widersprüchen zurück, pflegte lange gute Beziehungen mit dem Iran, während die
USA einen Marinestützpunkt vor der Küste Dohas einrichteten, von dem aus sie
die „Islamische Republik“ attackieren können. Er ließ die Israelis in Doha ihr
erstes offizielles Büro in einem arabischen Land eröffnen, besuchte sodann als
erster arabischer Führer offiziell Gaza und sagte der dort herrschenden
islamistischen Hamas Projekthilfe von einer Viertel-Milliarde Dollar zu. Durch
großzügige Finanzgaben lockte er Hamas aus dem engen Bund mit dem Iran und
Syrien.
Doch mit Beginn der arabischen Revolutionen 2011 erreichte
Hamads geopolitischer Ehrgeiz gefährliche Ausmaße. Katar begann sich in jede
Revolte einzumischen, als erster arabischer Staat unterstützte es offen die
NATO-Militäraktionen zum Sturz des Libyers Gadafi, doch mit seiner Position im
Syrienkrieg begab sich der Emir ins
Zentrum eines Sturmes, der auch vor den Grenzen seines Luxusreiches nicht Halt
machen könnte. Er geriet zunehmend in die Kritik arabischer Politiker und
Kommentatoren, weil er alle Regeln
unabhängiger Diplomatie über Bord warf und in den diversen internen Konflikten
der arabischen Bruderländer offen Partei ergriff – und dies stets zugunsten der
Moslembrüder, denen er – den ägyptischen, ebenso wie den syrischen – seit
vielen Jahren in Katar Unterschlupf
gewährt hatte. Während er in Libyen die Moslembrüder (finanziell) zu stärken
sucht und auch großzügig die in Ägypten
bereits herrschenden Bruderschaft unterstützte, riskierte er in
Syrien durch seine bedingungslose Förderung der dortigen Moslembrüder einen
offenen Rivalitätskampf mit dem zunehmend um seinen regionalpolitischen
Einfluss bangenden Saudi-Arabien, das in Syrien wie in Ägypten rivalisierende
Gruppen unterstützt. Kommentatoren am Golf weisen darauf hin, dass man im
saudischen Königshaus, wie auch in dem über Katars Machenschaft höchst
irritierten Vereinigten Arabischen Emiraten den rasanten Aufstieg der
Moslembrüder als Folge des „Arabischen Frühlings“ für noch gefährlicher
erachtet als das Hegemoniestreben des Irans.
Zunehmend werden in der Region, unter Führungskräften ebenso
wie unter politischen Aktivisten der Opposition Katars Machenschaften mit
Mißtrauen, ja sogar Haß kommentiert. Und der Westen, vor allem der
amerikanische Verbündete, verfolgt die Geschehnisse mit wachsendem Unbehagen.
Die politischen Neigungen des jungen Emirs, der zwar seine Freundschaft zu den
USA und dem Westen bekräftigt, geben wenig Anlass zur Beruhigung.
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