Dienstag, 25. Juni 2013

Machtwechsel in Katar

Der superreiche Ministaat spielt in seinem ehrgeizigen Streben nach einer zentralen Führungsrolle in der Region mit dem Feuer
 
 von Birgit Cerha

[Bild: Scheich Tamim bin Hamad al-Thani]
 
Der winzige Stadtstaat Katar, mit seinen nur 1,7 Millionen Einwohnern und davon nur 225.000 eigenen Staatsbürgern auf einer kleinen Halbinsel im Persischen Golf gelegen, schafft es immer häufiger in die Schlagzeilen der internationalen Medien. Nicht nur ist diese absolute Monarchie Heimat der reichsten Bürger der Welt mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 80.870 Dollar im Jahr. Die materiellen Schätze aus Öl- und vor allem Gasquellen sollen nach den Wünschen der Herrscherfamilie al-Thani schier Unmögliches bewerkstelligen: den Aufstieg zur Großmacht in der Region. Zu diesem Ziel hat Emir Hamad bin Khalifa bereits eine Serie bemerkenswerter Schritte gesetzt. Der jüngste ist die Hofübergabe des 61-jährigen an seinen 33-jährigen Sohn, der  in einer Region der Gerontokraten einen friedlichen Generationenwechsel vollziehen soll. Über innenpolitische Öffnung und Demokratisierung  schweigt sich das Herrscherhaus allerdings aus. Kein Termin für die bereits für 2004 versprochenen Wahlen zu einer beratenden Versammlung wurde festgesetzt, politische Parteien bleiben ebenso verboten, wie Gewerkschaften und Kritik am Herrscherhaus wagen die Untertanen nur im Geheimen. Dennoch bleibt die Zahl der einheimischen Demokratie-Aktivisten angesichts des hochprivilegierten Lebensstils der Kataris bescheiden.
Niemand zweifelt derzeit daran, dass der neue, in England ausgebildete  Emir, Tamim bin Hamad, den Kurs des Vaters insbesondere in der Außenpolitik fortsetzen wird. Die weit größere Nähe des als konservativ geltenden Herrschers zur breiten Strömung der Moslembrüder in diversen arabischen Ländern  läßt nach Einschätzung von Experten allerdings den Schluss zu, dass Katar einen zunehmend umstrittenen außenpolitischen Kurs fortsetzen, wenn nicht gar intensivieren dürfte.
Eingekeilt zwischen  Saudi-Arabien und Iran begann sich Katar unter dem zurückgetretenen Emir Hamad in den vergangenen 18 Jahren aus dem Schatten dieser beiden Erzrivalen auf der Suche nach einer eigenen, unabhängigen Identität zu lösen. Freundschaft mit allen erwies sich dabei als entscheidend, zumal Katar sein größtes Gasfeld mit dem Iran teilt. Durch geschickte Diplomatie versuchte der Emir , dem militärisch schwachen Land  einen für die Region unentbehrlichen Status zu verschaffen, der es vor bedrohlichen Attacken von Feinden und Rivalen schützen würde. Hamad vermittelte  in unzähligen Konflikten, vom Jemen, über Somalia, dem Libanon bis zu den Palästinensergebieten und scheute in seiner Außenpolitik auch nicht vor krassen Widersprüchen zurück, pflegte lange gute Beziehungen mit dem Iran, während die USA einen Marinestützpunkt vor der Küste Dohas einrichteten, von dem aus sie die „Islamische Republik“ attackieren können. Er ließ die Israelis in Doha ihr erstes offizielles Büro in einem arabischen Land eröffnen, besuchte sodann als erster arabischer Führer offiziell Gaza und sagte der dort herrschenden islamistischen Hamas Projekthilfe von einer Viertel-Milliarde Dollar zu. Durch großzügige Finanzgaben lockte er Hamas aus dem engen Bund mit dem Iran und Syrien.
Doch mit Beginn der arabischen Revolutionen 2011 erreichte Hamads geopolitischer Ehrgeiz gefährliche Ausmaße. Katar begann sich in jede Revolte einzumischen, als erster arabischer Staat unterstützte es offen die NATO-Militäraktionen zum Sturz des Libyers Gadafi, doch mit seiner Position im Syrienkrieg begab sich der Emir  ins Zentrum eines Sturmes, der auch vor den Grenzen seines Luxusreiches nicht Halt machen könnte. Er geriet zunehmend in die Kritik arabischer Politiker und Kommentatoren, weil  er alle Regeln unabhängiger Diplomatie über Bord warf und in den diversen internen Konflikten der arabischen Bruderländer offen Partei ergriff – und dies stets zugunsten der Moslembrüder, denen er – den ägyptischen, ebenso wie den syrischen – seit vielen Jahren in  Katar Unterschlupf gewährt hatte. Während er in Libyen die Moslembrüder (finanziell) zu stärken sucht und auch großzügig  die in Ägypten bereits  herrschenden  Bruderschaft unterstützte, riskierte er in Syrien durch seine bedingungslose Förderung der dortigen Moslembrüder einen offenen Rivalitätskampf mit dem zunehmend um seinen regionalpolitischen Einfluss bangenden Saudi-Arabien, das in Syrien wie in Ägypten rivalisierende Gruppen unterstützt. Kommentatoren am Golf weisen darauf hin, dass man im saudischen Königshaus, wie auch in dem über Katars Machenschaft höchst irritierten Vereinigten Arabischen Emiraten den rasanten Aufstieg der Moslembrüder als Folge des „Arabischen Frühlings“ für noch gefährlicher erachtet als das Hegemoniestreben des Irans.
Zunehmend werden in der Region, unter Führungskräften ebenso wie unter politischen Aktivisten der Opposition Katars Machenschaften mit Mißtrauen, ja sogar Haß kommentiert. Und der Westen, vor allem der amerikanische Verbündete, verfolgt die Geschehnisse mit wachsendem Unbehagen. Die politischen Neigungen des jungen Emirs, der zwar seine Freundschaft zu den USA und dem Westen bekräftigt, geben wenig Anlass zur Beruhigung.

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