Wer ist der Präsidentschaftskandidat Khameneis und der
mächtigen Revolutionsgarden? – Ein Wettkampf im Lager der „Prinzipalisten“
von Birgit Cerha
[Bild: Mohammad-Baqer Qalibaf]
Spätestens seit den Turbulenzen nach dem heftig umstrittenen
Wahlsieg Präsident Ahmadinedschads 2009 herrscht weithin die Überzeugung, dass
die Stimmen der iranischen Wähler in Wahrheit nicht zählen. Die radikale
Selektion der Kandidaten durch den „Wächterrat“, der Ende Mai nur acht von 686
Bewerbern zu den Wahlen zuließ, verstärkt noch diesen Eindruck.
Hinzu kommen
die mächtigen nicht-gewählten Zentren der „Islamischen Republik“, jenes des „Geistlichen
Führers“ Khamenei und das der Revolutionsgarden, die starken Einfluss auf den
Wahlausgang nehmen können. Dennoch – davon sind intime Kenner der iranischen
Politik überzeugt – können die Iraner bei den Wahlen am 14. Juni tatsächlich
mitentscheiden. Selbst in dem die Reihe der Kandidaten dominierenden Lager der Khamenei
treu ergebenen „Prinzipalisten“ hat sich die Wahlkampagne zu einem teils
schonungslosen Konkurrenzkampf entwickelt, ganz zum Missfallen Khameneis, der
nach dem Schock der monatelangen blutigen Turbulenzen von 2009 jede emotionale
Auseinandersetzung unter den Kandidaten zu vermeiden hoffte. Vor allem aber
gelang es diesen Erzkonservativen nicht, ihr Lager hinter einem oder zwei der
Aussichtsreichsten zu einen. Dies wiegt umso schwerer, als sich die Reformer
und die immer noch sehr einflussreiche Zentrumsströmung voll hinter den
pragmatischen Zentrumspolitiker Hassan Rohani stellen, nachdem sich dessen Konkurrent Mohammed Reza Aref aus dem Rennen
zurückzog. Rohanis Chances steigen damit beträchtlich, zumal die Ex-Präsidenten
Rafsandschani und Khatami nun offen für ihn werben.
Dennoch meinen Iraner, sie hätten am 14. Juni nur die „Wahl
zwischen schlecht (auch Rohani steht Khamenei nahe und ist dem System
unerschütterlich treu ergeben) und noch schlechter“. Das Rennen ist nun offen
zwischen dem zentristischen Geistlichen Rohani und der nach dem Rückzug von
Gholam Ali Haddad-Adel auf fünf geschrumpften, zersplitterten Front der Konservativen:
Said Jalili, Mohammad-Baqer Qalibaf, Mohsen Rezaei, Mohammad Gharazi und
Ali-Akbar Velayati. Glaubt man den allerdings begrenzt zuverlässigen iranischen
Meinungsumfragen, dann besitzt Qalibaf, Bürgermeister von Teheran, die größten
Siegeschancen.
Qalibaf, Feldkommandant der Revolutionsgarden während des
Iran-Irak-Krieges (1980-88) bekleidete zahlreiche führende Positionen innerhalb
dieser heute mächtigsten Institution des Landes. Während der ersten
Studentenunruhen der „Islamischen Republik“ 1999 schrieb er gemeinsam mit 23
Offizieren der Revolutionsgarden einen drohenden Brief an den damaligen
Präsidenten Khatami, nicht auf die Forderungen der Protestierenden einzugehen.
Die Warnung hatte Erfolg und unzählige Studenten, darunter deren Anführer
wanderten ins Gefängnis. Auch während der gewaltlosen Proteste 2009 setzte sich
Qalibaf für brutale Unterdrückung ein. Im Wahlkampf vertrat er die Ansicht,
dass nur eine „Kultur des Jihad und des Martyriums“ den Iran retten könne, um
damit Bemühungen Einhalt zu gebieten, ihn als Technokraten zu qualifizieren. Seine
Popularität verdankt er aber einer beträchtlichen Effizienz, die er in der
Verwaltung der chaotischen Metropole bewies. Dies weckt Vertrauen vor allem
unter der Teheraner Bevölkerung, dass er die katastrophale Wirtschaftskrise in
den Griff bekommen und die Spannungen mit dem Westen mildern könnte. Im
Gegensatz zu seinem Hauptrivalen Jalili kommandiert Qalibaf auch eine starkes
Team für seine Wahlkampagne, in der er Hardliner unter den Wählern ebenso wie
gemäßigte Kreise zu gewinnen sucht und damit seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel
setzt.
[Bild: Said Jalili]
Während nur wenige dem langjährigen Außenminister und
engsten Berater Khameneis, Velayati Siegeschancen geben, gelang es dem
derzeitigen Atomunterhändler Jalili, westliche Medien davon zu überzeugen, dass
er der Kandidat Khameneis sei und sich damit automatisch an die zwölf Millionen
Stimmen sichern könnte. Jalili, der farblose Veteran, der im Irak-Krieg ein
Bein verloren hatte, wie Ahmadinedschad das einfache Leben dem Luxus vorzieht
und die gewählte Ämter bekleidet hatte, kann sich auf keine Hausmacht stützen,
einzig auf Khamenei, dem er seit Jahren als dessen Repräsentant im „Nationalen
Sicherheitsrat“ nahe steht und ihm bedingungslos ergeben ist. Doch der „Führer“
stellte offiziell klar, dass er Jalili nicht
- und überhaupt keinen – favorisiere. Demgegenüber nannte unterdessen
Ahmadinedschad seinen Atomunterhändler als „seinen Kandidaten“ und spielt ihm
damit eine keineswegs unbeträchtliche Hausmacht zu. Entscheidend aber ist die
Rolle der Revolutionsgarden, über die iranische Analysten seit Tagen rätseln. Sie
sind davon überzeugt, dass hinter den Kulissen intensive Manöver Debatten
darüber stattfinden, welcher der Kandidaten der beste wäre.a Während 15.000 Angehörige der
paramilitärischen, den Revolutionsgarden unterstellten „Bassidsch“ Jalili in
seiner Wahlkampagne unterstützen sollen, ist nach informierten Kreisen die Hohe
Kommandatur der Garden gespalten. Eine Khameneis sehr einflußreichen Sohn
Mojtaba nahestehende Gruppe unterstützt Jalili, während eine andere Fraktion
von nicht-korruption und hochprofessionellen Offizieren Qalibaf als ihren
Kandidaten betrachtet, Eine dritte Gruppe von Offizieren, die durch das
intensive Engagement der Garden in der iranischen Wirtschaft es zu enormen
Reichtum geschafft hat, unterstützt jedoch den sich als unabhängig
präsentierenden Kandidaten, den einstigen Oberkommandierenden der Garden, Mohsen
Rezaie.
Das Rennen ist offen und viele Beobachter rechnen damit,
dass die Entscheidung erst in einer Stichwahl am 28. Juni fallen wird.
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