Mittwoch, 12. Juni 2013

Iraner haben die „Wahl zwischen schlecht und schlechter“

Wer ist der Präsidentschaftskandidat Khameneis und der mächtigen Revolutionsgarden? – Ein Wettkampf im Lager der „Prinzipalisten“

von Birgit Cerha

[Bild: Mohammad-Baqer Qalibaf]

Spätestens seit den Turbulenzen nach dem heftig umstrittenen Wahlsieg Präsident Ahmadinedschads 2009 herrscht weithin die Überzeugung, dass die Stimmen der iranischen Wähler in Wahrheit nicht zählen. Die radikale Selektion der Kandidaten durch den „Wächterrat“, der Ende Mai nur acht von 686 Bewerbern zu den Wahlen zuließ, verstärkt noch diesen Eindruck.
Hinzu kommen die mächtigen nicht-gewählten Zentren der „Islamischen Republik“, jenes des „Geistlichen Führers“ Khamenei und das der Revolutionsgarden, die starken Einfluss auf den Wahlausgang nehmen können. Dennoch – davon sind intime Kenner der iranischen Politik überzeugt – können die Iraner bei den Wahlen am 14. Juni tatsächlich mitentscheiden. Selbst in dem die Reihe der Kandidaten dominierenden Lager der Khamenei treu ergebenen „Prinzipalisten“ hat sich die Wahlkampagne zu einem teils schonungslosen Konkurrenzkampf entwickelt, ganz zum Missfallen Khameneis, der nach dem Schock der monatelangen blutigen Turbulenzen von 2009 jede emotionale Auseinandersetzung unter den Kandidaten zu vermeiden hoffte. Vor allem aber gelang es diesen Erzkonservativen nicht, ihr Lager hinter einem oder zwei der Aussichtsreichsten zu einen. Dies wiegt umso schwerer, als sich die Reformer und die immer noch sehr einflussreiche Zentrumsströmung voll hinter den pragmatischen Zentrumspolitiker Hassan Rohani stellen, nachdem sich dessen  Konkurrent Mohammed Reza Aref aus dem Rennen zurückzog. Rohanis Chances steigen damit beträchtlich, zumal die Ex-Präsidenten Rafsandschani und Khatami nun offen für ihn werben.
Dennoch meinen Iraner, sie hätten am 14. Juni nur die „Wahl zwischen schlecht (auch Rohani steht Khamenei nahe und ist dem System unerschütterlich treu ergeben) und noch schlechter“. Das Rennen ist nun offen zwischen dem zentristischen Geistlichen Rohani und der nach dem Rückzug von Gholam Ali Haddad-Adel auf fünf geschrumpften, zersplitterten Front der Konservativen: Said Jalili, Mohammad-Baqer Qalibaf, Mohsen Rezaei, Mohammad Gharazi und Ali-Akbar Velayati. Glaubt man den allerdings begrenzt zuverlässigen iranischen Meinungsumfragen, dann besitzt Qalibaf, Bürgermeister von Teheran, die größten Siegeschancen.
Qalibaf, Feldkommandant der Revolutionsgarden während des Iran-Irak-Krieges (1980-88) bekleidete zahlreiche führende Positionen innerhalb dieser heute mächtigsten Institution des Landes. Während der ersten Studentenunruhen der „Islamischen Republik“ 1999 schrieb er gemeinsam mit 23 Offizieren der Revolutionsgarden einen drohenden Brief an den damaligen Präsidenten Khatami, nicht auf die Forderungen der Protestierenden einzugehen. Die Warnung hatte Erfolg und unzählige Studenten, darunter deren Anführer wanderten ins Gefängnis. Auch während der gewaltlosen Proteste 2009 setzte sich Qalibaf für brutale Unterdrückung ein. Im Wahlkampf vertrat er die Ansicht, dass nur eine „Kultur des Jihad und des Martyriums“ den Iran retten könne, um damit Bemühungen Einhalt zu gebieten, ihn als Technokraten zu qualifizieren. Seine Popularität verdankt er aber einer beträchtlichen Effizienz, die er in der Verwaltung der chaotischen Metropole bewies. Dies weckt Vertrauen vor allem unter der Teheraner Bevölkerung, dass er die katastrophale Wirtschaftskrise in den Griff bekommen und die Spannungen mit dem Westen mildern könnte. Im Gegensatz zu seinem Hauptrivalen Jalili kommandiert Qalibaf auch eine starkes Team für seine Wahlkampagne, in der er Hardliner unter den Wählern ebenso wie gemäßigte Kreise zu gewinnen sucht und damit seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt.

[Bild: Said Jalili]
Während nur wenige dem langjährigen Außenminister und engsten Berater Khameneis, Velayati Siegeschancen geben, gelang es dem derzeitigen Atomunterhändler Jalili, westliche Medien davon zu überzeugen, dass er der Kandidat Khameneis sei und sich damit automatisch an die zwölf Millionen Stimmen sichern könnte. Jalili, der farblose Veteran, der im Irak-Krieg ein Bein verloren hatte, wie Ahmadinedschad das einfache Leben dem Luxus vorzieht und die gewählte Ämter bekleidet hatte, kann sich auf keine Hausmacht stützen, einzig auf Khamenei, dem er seit Jahren als dessen Repräsentant im „Nationalen Sicherheitsrat“ nahe steht und ihm bedingungslos ergeben ist. Doch der „Führer“ stellte offiziell klar, dass er Jalili  nicht - und überhaupt keinen – favorisiere. Demgegenüber nannte unterdessen Ahmadinedschad seinen Atomunterhändler als „seinen Kandidaten“ und spielt ihm damit eine keineswegs unbeträchtliche Hausmacht zu. Entscheidend aber ist die Rolle der Revolutionsgarden, über die iranische Analysten seit Tagen rätseln. Sie sind davon überzeugt, dass hinter den Kulissen intensive Manöver Debatten darüber stattfinden, welcher der Kandidaten der beste wäre.a  Während 15.000 Angehörige der paramilitärischen, den Revolutionsgarden unterstellten „Bassidsch“ Jalili in seiner Wahlkampagne unterstützen sollen, ist nach informierten Kreisen die Hohe Kommandatur der Garden gespalten. Eine Khameneis sehr einflußreichen Sohn Mojtaba nahestehende Gruppe unterstützt Jalili, während eine andere Fraktion von nicht-korruption und hochprofessionellen Offizieren Qalibaf als ihren Kandidaten betrachtet, Eine dritte Gruppe von Offizieren, die durch das intensive Engagement der Garden in der iranischen Wirtschaft es zu enormen Reichtum geschafft hat, unterstützt jedoch den sich als unabhängig präsentierenden Kandidaten, den einstigen Oberkommandierenden der Garden, Mohsen Rezaie.
Das Rennen ist offen und viele Beobachter rechnen damit, dass die Entscheidung erst in einer Stichwahl am 28. Juni fallen wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen