Irans künftiger Präsident ist ein Pragmatiker, ein Mann des Systems und weckt dennoch Hoffnungen
auf Veränderung
von Birgit Cerha
„Eine neue Zeit der Solidarität“, „Rationalität und Mäßigung“,
„Friede, Stabilität und Hoffnung“. Das sind die in der offiziellen Lesart der „Islamischen
Republik“ seit Jahren höchst ungewohnten Schlagworte, die Hassan Rohani nun neu
belebt. Der so überraschend zum offiziellen Sieger der Präsidentschaftswahlen
am 14. Juni deklarierte Geistliche präsentiert sich als ein „Mann des Friedens“
und kehrte in dem kurzen Wahlkampfmit Bedacht, doch nicht ohne Mut eine Seite
hervor, die nur wenige an ihm bisher kannten: die Sehnsucht nach Reformen, nach
Achtung von Menschenrechten, ja sogar jener der seit Gründung der „Islamischen Republik“ – und davor schon –
massiv unterdrückten Minderheiten. Seinen Wahlerfolg feiert er als „Sieg der
Mäßigung über Extremismus“ und verspricht einen neuen Ton des Respekts in der
Außenpolitik.
Als „erfahrener Diplomat und Politiker, der Verhandlungen
fair zu führen vermag“, wird Rohani von westlichen Politikern seit den Jahren
geschätzt, als er als führender Atomunterhändler (2003-05) einem zweijährigen
Stopp der Urananreicherung und verstärkter Kooperation mit Inspektoren der
Internationalen Atomenergiebehörde zustimmte. Und auch jetzt im Wahlkampf
signalisierte er Kompromiß, als er betonte: „Es ist nur dann gut, wenn sich
unsere Zentrifugen drehen, wenn sich auch die Volkswirtschaft in der richtigen
Richtung dreht“. Und er spielte damit auf sein
Bestreben an, zumindest eine Lockerung der der Bevölkerung schwer
zusetzenden internationalen Sanktionen durch Entgegenkommen in der Atomfrage zu
erreichen.
Hassan Rohani war der einzige Geistliche unter den acht zu
den Wahlen zugelassenen Kandidaten und gilt seit langem nicht als Reform-, sondern
als Zentrumspolitiker. 1948 in eine religiöse Familie in der Stadt Sorkheh
geboren begann er seine religiösen Studien Anfang der 60er Jahre in einem lokalen
Seminor, setzte sie dann in Irans Zentrum der islamischen Lehre, Qom, fort.
Laut seiner offiziellen Biographie engagierte er sich heftig gegen die vom
Schah eingeleitete, vom Westen unterstützte Säkularisierung des Landes und
wurde zu einem eifrigen jünger des damals führende oppositionellen Geistlichen
Ayatollah Khomeini. Als Aktivist gegen den Schah reiste er durchs Land, wurde
mehrfach verhaftet. 1972 schloss er seine Studien der Rechtswissenschaft an der
Teheraner Universität als Bachelor ab und setzte sie in Großbritannien fort.
1978 trat er dem revolutionären Kreis Khomeinis in dessen französischem Exil
bei und – so betont die offizielle Biografie – stand schließlich dem
Revolutionsführer nahe – bis heute eine wichtige Qualifikation für führende
Positionen im „Gottesstaat“.
Das politische Engagement mündete in wichtige Positionen,
die Rohani bis heute bekleidet. Parlamentsabgeordnete und jahrelang
stellvertretender Parlamentspräsident ist er seit zwei Jahrzehnten der direkte
Vertreter des „Geistlichen Führers“ Khamenei im „Höchsten nationalen
Sicherheitsrates“ und war 16 Jahre lang
bis 2005 Sekretär dieses Gremiums. Zudem ist er Mitglied des „Schlichtungsrates“
und des „Expertenrates“, beides höchst einflussreiche Gremien der Republik.
Rohani steht seit langem Ex-Präsident Rafsandschani nahe und
gestand jüngst ein, dass er sich in allen wichtigen Fragen mit diesem größten
politischen Überlebenskünstler der „Islamischen Republik“ berät Seine
überwältigende Wahl verdankt er denn auch der Unterstützung Rafsandschani, dessen
eigene Kandidatur vom „Wächterrat“ disqualifiziert wurde, der aber schließlich
eine Einigung mit dem in der „Grünen-(Reform)Bewegung einflussreichen Khatami
fand, Rohani als gemeinsamen Kandidaten zu präsentieren.
Doch als Reformer hatte sich Rohani vor diesem Wahlkampf nie
hervorgetan. Seine enge Freundschaft mit Khamenei ist allgemein ebenso bekannt,
wie seine unerschütterliche Treue zu den Grundprinzipien der Islamischen Revolution.
Während der ersten Proteste von reformorientierten Studenten 1999 verurteilte er die
Demonstranten als „Übeltäter“ mit den schärfsten Worten und unterzeichnete auch
einen Befehl des „Nationalen Sicherheitsrates“, die hochbetagten und
hochangesehenen geistlichen Führer der Reformer, Großayatollah Montazeri unter
Hausarrest zu stellen. Im Wahlkampf allerdings zeigte der Pragmatiker Rohani
Verständnis für die Massenproteste gegen den Wahlbetrug bei den
Präsidentschaftswahlen 2009. Hat sich der „Fundamentalist“ tatsächlich zu
Reformer gemausert?
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