Sonntag, 16. Juni 2013

Hassan Rohani, der “diplomatische Scheich”

Irans künftiger Präsident ist ein Pragmatiker, ein  Mann des Systems und weckt dennoch Hoffnungen auf Veränderung
 
von Birgit Cerha
 
„Eine neue Zeit der Solidarität“, „Rationalität und Mäßigung“, „Friede, Stabilität und Hoffnung“. Das sind die  in der offiziellen Lesart der „Islamischen Republik“ seit Jahren höchst ungewohnten Schlagworte, die Hassan Rohani nun neu belebt. Der so überraschend zum offiziellen Sieger der Präsidentschaftswahlen am 14. Juni deklarierte Geistliche präsentiert sich als ein „Mann des Friedens“ und kehrte in dem kurzen Wahlkampfmit Bedacht, doch nicht ohne Mut eine Seite hervor, die nur wenige an ihm bisher kannten: die Sehnsucht nach Reformen, nach Achtung von Menschenrechten, ja sogar jener der seit Gründung der  „Islamischen Republik“ – und davor schon – massiv unterdrückten Minderheiten. Seinen Wahlerfolg feiert er als „Sieg der Mäßigung über Extremismus“ und verspricht einen neuen Ton des Respekts in der Außenpolitik.
Als „erfahrener Diplomat und Politiker, der Verhandlungen fair zu führen vermag“, wird Rohani von westlichen Politikern seit den Jahren geschätzt, als er als führender Atomunterhändler (2003-05) einem zweijährigen Stopp der Urananreicherung und verstärkter Kooperation mit Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde zustimmte. Und auch jetzt im Wahlkampf signalisierte er Kompromiß, als er betonte: „Es ist nur dann gut, wenn sich unsere Zentrifugen drehen, wenn sich auch die Volkswirtschaft in der richtigen Richtung dreht“. Und er spielte damit auf sein  Bestreben an, zumindest eine Lockerung der der Bevölkerung schwer zusetzenden internationalen Sanktionen durch Entgegenkommen in der Atomfrage zu erreichen.
Hassan Rohani war der einzige Geistliche unter den acht zu den Wahlen zugelassenen Kandidaten und gilt seit langem nicht als Reform-, sondern als Zentrumspolitiker. 1948 in eine religiöse Familie in der Stadt Sorkheh geboren begann er seine religiösen Studien Anfang der 60er Jahre in einem lokalen Seminor, setzte sie dann in Irans Zentrum der islamischen Lehre, Qom, fort. Laut seiner offiziellen Biographie engagierte er sich heftig gegen die vom Schah eingeleitete, vom Westen unterstützte Säkularisierung des Landes und wurde zu einem eifrigen jünger des damals führende oppositionellen Geistlichen Ayatollah Khomeini. Als Aktivist gegen den Schah reiste er durchs Land, wurde mehrfach verhaftet. 1972 schloss er seine Studien der Rechtswissenschaft an der Teheraner Universität als Bachelor ab und setzte sie in Großbritannien fort. 1978 trat er dem revolutionären Kreis Khomeinis in dessen französischem Exil bei und – so betont die offizielle Biografie – stand schließlich dem Revolutionsführer nahe – bis heute eine wichtige Qualifikation für führende Positionen im „Gottesstaat“.
Das politische Engagement mündete in wichtige Positionen, die Rohani bis heute bekleidet. Parlamentsabgeordnete und jahrelang stellvertretender Parlamentspräsident ist er seit zwei Jahrzehnten der direkte Vertreter des „Geistlichen Führers“ Khamenei im „Höchsten nationalen Sicherheitsrates“  und war 16 Jahre lang bis 2005 Sekretär dieses Gremiums. Zudem ist er Mitglied des „Schlichtungsrates“ und des „Expertenrates“, beides höchst einflussreiche Gremien der Republik.
Rohani steht seit langem Ex-Präsident Rafsandschani nahe und gestand jüngst ein, dass er sich in allen wichtigen Fragen mit diesem größten politischen Überlebenskünstler der „Islamischen Republik“ berät Seine überwältigende Wahl verdankt er denn auch der Unterstützung Rafsandschani, dessen eigene Kandidatur vom „Wächterrat“ disqualifiziert wurde, der aber schließlich eine Einigung mit dem in der „Grünen-(Reform)Bewegung einflussreichen Khatami fand, Rohani als gemeinsamen Kandidaten zu präsentieren.
Doch als Reformer hatte sich Rohani vor diesem Wahlkampf nie hervorgetan. Seine enge Freundschaft mit Khamenei ist allgemein ebenso bekannt, wie seine unerschütterliche Treue zu den Grundprinzipien der Islamischen Revolution. Während der ersten Proteste von reformorientierten  Studenten 1999 verurteilte er die Demonstranten als „Übeltäter“ mit den schärfsten Worten und unterzeichnete auch einen Befehl des „Nationalen Sicherheitsrates“, die hochbetagten und hochangesehenen geistlichen Führer der Reformer, Großayatollah Montazeri unter Hausarrest zu stellen. Im Wahlkampf allerdings zeigte der Pragmatiker Rohani Verständnis für die Massenproteste gegen den Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen 2009. Hat sich der „Fundamentalist“ tatsächlich zu Reformer gemausert?

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