Washingtons 60-Mrd.-Dollar-Wiederaufbauprogramm scheiterte kläglich – Exzessive Korruptiion der neuen Führungsschichte blockiert jeden Fortschritt
Die von den USA angeführte
Militärkampagne zum Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein begann am 20.
März 2003. Sie traf ein Land, dessen Ökonomie bereits durch einen 13-jährigen in
seiner Intensität und Schärfe einzigartigen internationalen Wirtschaftskrieg zerstört
worden war. Die UNO-Sanktionen, 1990 als Folge der irakischen Invasion Kuwaits verhängt, kamen einer
ökonomischen Belagerung dieses Landes gleich, das einst – ungeachtet des saddam’schen
Barbarismus - zu den höchstentwickelten der Region zählte, im Gesundheitssektor
etwa genauso wie im Bildungsbereich. Sie ermöglichten dem Diktator hemmungslose
Bereicherung, und stürzten Millionen unschuldige Iraker in bittere Armut Ein
Viertel aller Kinder unter fünf Jahren waren laut einer Studie des UN-Kinderhilfswerkes
Unicef von 1998 chronisch unterernährt und führten zum Tod von etwa 500.000 Neugeborenen
und Kleinkindern. Eine ganze Generation von Irakern verlor ihre Zukunft. Die
internationale Gemeinschaft, angeführt von den USA und Großbritannien wurde bis
heute für diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht zur Rechenschaft
gezogen.
Eine Darstellung der Situation des Iraks zehn Jahre nach der
US-Invasion 2003 muss die Folgen des 13-jährigen Embargos, wohl aber auch der
zwei von Saddam angezettelten Kriege (gegen den Iran von 1980 bis 1988 und
jenen gegen Kuwait) voll miteinbeziehen. Als amerikanische Bomben und Raketen auf
Bagdad und andere irakische Städte niederprasselten, trafen sie keineswegs eine
perfekt funktionierende moderne Infrastruktur. Umso rascher ließen sich
öffentliche Versorgungsanlagen, (Strom,
Wasser, Abwässer etc) ausschalten, ebenso wie wichtige Verkehrsadern. Terror und
Sabotage des irakischen Widerstandes und der Extremisten des Al-Kaida-Netzwerkes
blockierten Wiederaufbauversuche, insbesondere im zentralen Ölbereich. Traf aber
auch kulturhistorische Schätze, wie etwa das zentrale Heiligtum der Schiiten,
die al-Askari-Moschee in Samarra, ganz
zu schweigen von einer höchst mysteriösen Kampagne zur Eliminierung der irakischen
Intelligenz. Nach Feststellungen des
angesehenen ägyptischen „Al-Ahram Zentrums für politische und strategische Studien“
wurden zwischen 2003 und -04 310 irakische Wissenschaftler ermordet, nach
anderen Quellen in den zwei darauf
folgenden Jahren weitere 340 Intellektuelle, laut UNESCO stand das irakische
Universitätssystem am Rande des Zusammenbruchs, nachdem etwa 20.000
Intellektuelle, darunter 6.700 Universitätsprofessoren in Todesangst geflüchtet waren. Nur ein
Bruchteil ist seither zurückgekehrt. In Basra wurde 2008 etwa der einzige
praktizierende Neurochirurg ermordet ind die Leiche in auf die Straße der Stadt
geworfen.
Die amerikanischen und britischen Besatzer konnten mit ihren
insgesamt fast 200.000 Bewaffneten solche Verbrechen nicht stoppen. Das
irakische Bildungs- wie auch das Gesundheitssystem hat sich bis heute von
diesem Aderlass und all den Zerstörungen nicht erholt.
Wiewohl die USA die
zweitgrößte Wiederaufbauaktion ihrer Geschichte starteten bleibt der Irak kriegszerstört. In einem
abschließenden Bericht stellt der „Special Inspector General für den
Wiederaufbau im Irak“, Stuart Bowen unumwunden das Scheitern dieses
gigantischen Projekt fest. Von den 60 Mrd. Dollar gingen gigantische acht
Miliarden verloren. Beispiel unzähliger fehlgeschlagener Projekte erschüttern. So
begannen die USA in der von blutigen Kämpfen zwischen arabischen Sunniten und
Schiiten besonders betroffenen Provinz Diyala mit dem Bau eines Gefängnisses
für 3.600 Insassen, gaben das Projekt drei Jahre später wegen eskalierender
Gewalt auf. Der unfertige Bau kostete 40 Mio.Dollar und das irakische
Justizministerium denkt nicht daran, ihn fertig zu stellen. Die USA hatten eine zentrale Brücke über den
Tigris, über die 15 Öl- und Gaspipelines in den Nord-Irak geführt hatten, 2003
zerstört und beabsichtigten, sie innerhalb von zwei Monaten für fünf Millionen
Dollar wieder herzustellen. Doch dann
beschlossen sie, die Pipelines – mit den fünffachen Kosten - lieber unter dem
Tigris durchzuziehen, berücksichtigten dabei aber nicht Studien, die darauf hinwiesen,
dass der Grund für ein solches Projekt zu sandig sei. Die Pipelines versanken
im Sand und mit ihnen Dutzende Millionen von Dollar. Schließlich wurde drei
Jahre später die Reparatur der alten Brücke für 100 Millionen Dollar vollendet.
Experten machen schlechte Planung, zahllose
Fehlkalkulationen, Desorganisation in Washington, aber auch unzureichende
Konsultation mit den Irakern für all die gigantische Verschwendung verantwortlich.
Iraks amtierender Innenminister Adnan al Asadi etwa klagt, dass Washington 200
Mio. Dollar für ein Ein-Milliarden-Dollar Programm zum Aufbau der Polizei
verschwendet hätte, das weit umfangreicher gewesen sei, als die irakische
Regierung wollte.
Die Ergebnisse dieses gigantischen finanziellen Einsatzes
sind erschütternd. Laut Bowen hatte ihm
Asadi zutiefst frustriert erklärt: „Sie können mit dem Helikopter über Bagdad
und andere Städte fliegen, aber sie werden nicht ein einziges Projekt finden,
das von den USA gebaut und vollendet wurde“ – und das, obwohl Washington fast
ein Jahrzehnt lang 15 Mio.Dollar im Tag für diesen Zweck ausgegeben hat. Große
Teile der Infrastruktur bleiben immer noch beschädigt. Im Zentralirak,
insbesondere in Bagdad ist die
Stromversorgung nur sechs bis sieben Stunden hintereinander im Tag gesichert.
Grund für diese Misere ist aber vor allem auch bei den Irakern selbst zu
suchen. Die heute herrschende Schichte hat unter Führung von Premier Maliki
Korruption und Nepotismus, seit langem heimisch am Tigris, zur alles lähmenden Hochblüte
getrieben. So erläutert ein führender Ingenieur im Elektrizitäts-Ministerium: Die
Generaldirektoren bekommen ihre Posten durch politische Beziehungen. Sie
kontrollieren die Großprojekte, besitzen aber nicht die Expertise für künftige
Planungen. Deshalb tun sie lieber nichts, um das Risiko einer Entlassung zu
vermeiden.“ Der Irak gilt heute laut „Transparency International“ als das
drittkorrupteste Land der Welt.
Mit Hilfe der USA wurde in Bagdad die
Anti-Korruptionsbehörde „Commission of Integrity“ gegründet. Dessen Chef Rahim
Hassan al-Uqailee im Dezember 2011 nach dreieinhalb Jahren wegen gravierender politischer
Einmischung zurücktrat und seinen
Schritt in einem offenen Brief an das Parlament begründete: „Der Kampf um den
Diebstahl des Staatsgeldes und des (staatlichen) Besitzes ist der
unausgesprochene Teil des Machtkampfes im heutigen Irak.“ Irakische Politiker setzten
alles daran „scih den Mechanismen der Transparenz und Rechenschaftslegung“ zu
wiedersetzen. 31 Mitarbeiter seiner Behörde wurden im Laufe der Jahre ermordet.
Die Institutionden des neuen Iraks sind nach Einschätzung
westlicher Experten „ein einziger Hort des Nepotismus und der Inkompetenz“ (Le
Monde Diplomatique) . Iraks Politiker
verschanzen sich in der streng bewachten „Grünen Zone“ Bagdads, die zum
Sinnbild geworden ist für die an Saddams Zeiten erinnernden schlimmsten
Auswüchste von Korruption und Privilegientum. Alljährlich, so schätzen
Experten, fließen an die 40 Mrd. Dollar gestohlene Gelder illegal ins Ausland.
Diese „institutionalisierte Kleptokratie“, wie ein irakischer Politiker die Missstände nennt,
aber auch die gravierende Ineffizienz der neuen politischen Führer hat nach
Überzeugung vieler Iraker ihre Ursach in den zahlreichen Tragödien der
Vergangenheit: „UN-Sanktionen zerstörten die irakische Gesellschaft in den
1990er Jahren; die Amerikaner zerstörten den irakischen Staat nach 2003“,
analysiert ein Ex-Minister Patronanz gestützt auf Partei, Familie oder soziale
Gemeinschaft bestimmt die Vergabe von Jobs. Es gibt viele Gewinner und
Verlierer und alles hängt von den Ölexporten ab. Ich erlebte nur einmal Panik
in der Regierung, als der Ölpreis plötzlich stark fiel.“
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