Mittwoch, 12. Dezember 2012

Internationale Gemeinschaft verschärft Druck auf Assad


130 Staaten anerkennen syrisches Oppositionsbündnis – Welche Optionen bleiben dem schwer bedrängten Diktator?
von Birgit Cerha
Während militante syrische Rebellen immer näher an das Herz des Regimes heranrücken, verschärft die internationale Gemeinschaft den diplomatischen Druck auf die Diktatur Bashar el Assads. Vertreter von 130 Staaten beschlossen bei dem Treffen der „Freunde Syriens“ im marokkanischen Marrakesch , dem Beispiel Großbritanniens, Frankreichs, anderer EU-Länder und zuletzt auch der USA zu folgen und das neugegründete Oppositionsbündnis der „Syrischen Nationalen Koalition“ als legitime Vertretung des syrischen Volkes zu akzeptieren. Zugleich fordern sie Assads Rücktritt und warnen eindringlich vor dem Einsatz chemischer Waffen gegen die syrische Bevölkerung.
Die Eroberung eines strategisch wichtigen Militärstützpunktes in Syriens größter Stadt Aleppo und Geländegewinne in Damaskus versetzen die Rebellen, darunter die der Al-Kaida nahestehende, inzwischen von den USA als „Terrororganisaton“ eingestufte „Nusra Front“, in Siegesstimmung. Die Säulen des Regimes, wie der Präsidentenpalast und die Zentren der Sicherheitskräfte und des Geheimdienstes seien „in erreichbare Nähe“ gerückt, frohlocken Rebellen , die südliche Außenbezirke von Damaskus bereits voll kontrollieren und immer wieder Flüge vom nahegelegenen internationalen Flughafen blockieren.
Doch während sich zweifellos die Schlinge um Assads Hals immer enger zusammenzieht, sind sich Kenner der syrischen Verhältnisse einig, dass das Ende des Regimes noch keineswegs gekommen ist. Im Zentrum von Damaskus nimmt das Leben weitgehend seinen gewohnten Lauf. Die Kinder gehen hier zur Schule, Staatsangestellte bekommen wie gewohnt ihren Lohn und die Geschäfte stehen offen. Hier hofft wohl noch die Mehrheit der  Bevölkerung –Sunniten, Alawiten und andere Minderheiten -auf ein Überleben des Regimes und damit vermutlich die Rettung ihrer Existenz.
Zwar hat Assad das Wirtschaftszentrum Aleppo im Norden und den größten Teil Ost-Syriens an die Rebellen verloren, doch große Teile des Landes stehen noch unter seiner Kontrolle.  Vor allem sind die Streitkräfte, trotz einiger Desertionen, nicht  auseinandergebrochen. Sie verfügen über ein starkes Waffenarsenal und immer noch eine Luftwaffe und sind damit den Gegnern weiterhin überlegen. Die anhaltende Unterstützung Russlands, des Irans und der libanesischen Hisbollah, die sich fest entschlossen für das Überleben des Regimes engagieren, mildern zweifellos Assads bedrückendes Gefühl der internationalen Isolation. Vor allem aber hat sich ein großer Teil der alawitischen Minderheit, die insgesamt etwa 2,5 Millionen Menschen zählt, nicht auf die Seite der Opposition geschlagen. Es sind die militärisch hochtrainierten alawitischen Offiziere, die die Streitkräfte zusammenhalten. Der Kitt und die stärkste Antriebskraft ist eine sich stetig steigernde Angst ums eigene Überleben, geschürt durch Greuelberichte und jüngst verbreitete Videos, die Rebellen zeigen, wie sie gefangene alawitische Offiziere abschlachten und deren Köpfe wie Trophäen in die Höhe schwenken.
Über den gegenwärtigen Status des Regimes herrscht allerdings Unklarheit. Nach manchen Berichten ist Assad „ein Gefangener des Systems“ geworden, übt keine aktive Führungsrolle mehr aus. Diplomaten sprechen von Hinweisen darauf, dass ein informeller „Sicherheitsrat“ aus 50 bis hundert führenden Mitgliedern des politischen und militärischen Establishments – alles Alawiten – die Konfrontation mit der bewaffneten Opposition dirigiert. Bisher hält auch der Assad-Clan fest zusammen und der wegen seiner brutalen Skrupellosigkeit verhaßte jüngere Bruder des Präsidenten, Maher, der bei einem Attentat sein Bein verlor, soll weiterhin seine militärischen Kommandofunktionen ausüben.
Auch wenn der Zusammenbruch des Regimes nicht unmittelbar bevorsteht, verlieren Syriens Herrscher im eingekreisten Damaskus doch stetig an Boden. Nach Einschätzung von Beobachtern hat Assad drei Optionen:  Ausharren im Präsidentenpalast bis zum bitteren und ziemlich sicher blutigen Ende, wie er es im November angekündigt hatte; Flucht und Asyl im Ausland, möglicherweise Venezuela. Die wahrscheinlichste aber ist ein allmählicher, sich über Monate erstreckender Rückzug zunächst nach Homs, das an der Hauptverbindungsstraße zwischen Damaskus und den Mittelmeerstädten Tartous und Latakia sowie dem nahegelegenen alawitischen Bergland liegt, wo sich Assad und seine Anhänger mit ihren Waffen, vielleicht auch dem chemischen Arsenal, in relative Sicherheit zurückziehen und damit ihr Leben retten könnten. Zumindest kurzfristig. Nach Aussagen europäischer Diplomaten hat der Auszug von Regimeanhängern und deren Familien zur Mittelmeerküste bereit begonnen und die Regierung – so Gerüchte – hat in Tartous ihre Zelte aufgeschlagen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen