Extremisten und frustrierte Bevölkerungsgruppen nützen die
Schwäche eines zutiefst korrupten Regimes, um das Land für ihre Zwecke ins
Chaos zu stürzen
von Birgit Cerha
Und wieder, wie fast jeden Monat, sucht eine großangelegte
Serie von Attentaten den Irak heim. Das Terrormuster ist stets dasselbe: in
Autos oder an Straßenrändern versteckte Sprengsätze, die fast gleichzeitig in
mehreren Landesteilen explodieren. Zuletzt starben Mittwoch in Bagdad, Kirkuk,
Hawija und Hilla mindestens 21 Menschen. Ziel der Gewalt sind meist Angehörige der
schiitischen Bevölkerungsmehrheit.
Auch diesmal war der Zeitpunkt bewusst gewählt: einen Tag vor Beginn des ersten Monats des islamischen Kalenders, Muharram, dessen erste zehn Tage für die Schiiten besondere Bedeutung besitzen, denn sie gedenken in dieser Zeit in besonderem Maße (etwa durch Umzüge und auch Selbstgeiselungen) des Märtyrertodes von Imam Hussein, des Enkels von Mohammed, 680 in Kerbala. Militante sunnitische Gruppen, darunter Al-Kaida im Irak, wählen seit Jahren regelmäßig religiöse schiitische Gedenktage für ihren blutigen Terror.
Auch diesmal war der Zeitpunkt bewusst gewählt: einen Tag vor Beginn des ersten Monats des islamischen Kalenders, Muharram, dessen erste zehn Tage für die Schiiten besondere Bedeutung besitzen, denn sie gedenken in dieser Zeit in besonderem Maße (etwa durch Umzüge und auch Selbstgeiselungen) des Märtyrertodes von Imam Hussein, des Enkels von Mohammed, 680 in Kerbala. Militante sunnitische Gruppen, darunter Al-Kaida im Irak, wählen seit Jahren regelmäßig religiöse schiitische Gedenktage für ihren blutigen Terror.
Wiewohl sich keine Gruppe zu den jüngsten Attentaten
bekannte, steht der „Islamische Staat
des Iraks“ (ISI), wie sich dieser Al-Kaida-Ableger nennt, unter Hauptverdacht.
Die Beteuerungen der Regierung Maliki, die Terrorwelle, die sich seit
Jahresbeginn wieder wesentlich verstärkt hat, erreiche längst nicht mehr Ausmaß
und Schrecken früherer Jahre, kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass
Iraks Sicherheitskräfte seit dem Abzug der US-Truppen vor fast einem Jahr nicht
imstande sind, das Land zu Ruhe und Frieden zu führen.
Über die Motive der Terrorgruppen herrscht wenig Zweifel. ISI,
aber auch andere arabisch-sunnitische Gruppierungen, die sich durch Malikis
Politik diskriminiert fühlen, nützen die Schwäche des Regimes und seiner
Sicherheitskräfte, um das Land ins Chaos zu stürzen, in der Hoffnung, damit die
politische Dominanz der Schiiten zu beenden.
ISI, die - wie Al-Kaida-Führer Ayman al-Zawaheri gerade wieder betonte –
das Konzept des Nationalstaates entschieden ablehnt, hat sich die Zerstörung
des gesamten politischen Systems im Irak zum Ziel gesetzt. Die Extremisten
finden fruchtbaren Boden in einer wachsenden politischen Krise,
weitverbreiteter Unzufriedenheit und tiefer Frustration vor allem der seit 2003 entrechteten arabischen Sunniten .
Unklar bleibt hingegen, welche Kräfte im Irak diese Gewalttäter unterstützen
und ob sie eine kohärente Strategie verfolgen oder einfach nur Chaos und Angst
erzeugen wollen.
In einem seit Jahren anhaltenden Kampf irakischer
Bevölkerungsgruppen, eine neue nationale Identität aufzubauen, die die tiefe
Kluft zwischen Sunniten und Schiiten, Arabern und Arabern , sowie anderen Minderheiten
überbrückt, gelang es den politischen
Führern bis heute nicht, nach jahrzehntelanger Diktatur, Kriegen und Sanktionen
neue staatliche Strukturen, ja nicht einmal Gesetze zu schaffen, die die
Verteilung der Öleinkünfte (90 Prozent der Devisenerträge) regelt oder die
Sicherheit ausländischer Investitionen garantieren, wichtigste Voraussetzungen,
um das Land aus wirtschaftlichem Chaos zu führen. Streitpunkte über die
Verfassung, den föderativen Charakter des Staates, bleiben ungelöst. Maliki,
der sich, machtbesessen, mehr und mehr zu einem neuen Diktator entpuppt, trägt
dafür die Hauptverantwortung. Seit Beginn seiner zweiten Amtsperiode nach den Parlamentswahlen
vom März 2010 versucht er intensiv, die Macht, vor allem auch über die
Sicherheitskräfte, in seinen Händen zu konzentrieren, sei es durch Ausschaltung
prominenter arabischer Sunniten, allen voran des unterdessen wegen angeblicher
Mordkomplotte in absentia vier Mal zum Tode verurteilten Vizepräsidenten Tarek
al-Hashemi , sei es durch seine direkte Kontrolle der für die Sicherheit des
Landes wichtigsten Regierungsressorts. Unter seiner Führung ist der Irak laut „Transparency
International“ nimmt der Irak auf der Liste der korrupten Staaten der Welt von
183 Ländern den achten Platz ein. Die Tatsache, dass sich die Korruption auch
mehr und mehr in die zunehmend politisierten Sicherheitskräfte einfrisst, öffnet Gewalt und
Terror ungeahnte Möglichkeiten. Die ökonomische Misere der Massen – ungeachtet seiner
enormen Ölschätze, liegt Iraks Pro-Kopf-Einkommen weltweit auf Rang 162 – steigert die
allgemeine Unzufriedenheit.
Diese interne politische und ökonomische Krise wird noch verschärft
durch die regionale. Der Krieg in Syrien hat zweifellos Al-Kaida im
Zweistromland bedrohlichen Auftrieb gegeben.
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