von Birgit Cerha
„Nun schaut mal, auch wir verdienen ein besseres Leben“,
wehrt die junge irakische Ökonomin sorgenvolle Einwände ab. Auch sie will sich,
wie so manche andere irakische Frauen, endlich wieder Eitelkeit leisten und einen Hauch von
Luxus. Und sie reibt sich freudig die
Hände ob der Aussicht, dass „Paris Gallery“, die in Dubai stationierte
Luxuskette für Parfums, Kosmetiker aller Art und Schmuck, an den Tigris ziehen
und in wenigen Monaten in Bagdad, innerhalb der nächsten drei Jahre auch an
anderen Orten des Iraks insgesamt fünf Filialen eröffnen wird. Das ökonomische
Klima im kriegserschütterten Zweistromland sei reif dafür und die gequälten
Bewohner erhielten durch dieses Projekt einen enormen Schuss an „Selbstvertrauen“,
propagieren Firmenvertreter ihr Projekt.
„Paris Gallery“ zählt zu den ersten Spuren des Luxus, die in
einen der potentiell reichsten Staaten der Welt (Öl und andere Rohstoffe) nach
35 Jahren brutalster Diktatur, drei Kriegen und zwölfjährigen internationalen
Sanktionen eindringen. Eine andere ist das „Coral Boutique Hotel“ von einem
u.a. durch Ölschmuggel reich gewordenen Iraker für 13 Mio.Dollar in Bagdad
erbaut und mit Zimmerpreisen von 300 Dollar nur Superreichen erschwinglich.
Auch Schönheitssalons finden Neuland am Tigris, freilich nur den wenigen
Privilegierten (deren Zahl dank himmelschreiender Korruption aber stetig wächst)
vorbehalten.
Kein Zweifel, die junge Ökonomin hat recht. Auch die Iraker
haben ein Recht auf Luxus. Und wie steht es mit den Prioritäten? Immer noch
schlagen Attentäter regelmäßig, aber wahllos zu. Immer noch liegt die
Infrastruktur im Argen. Immer noch vegetiert ein Viertel der Bevölkerung in
absoluter Armut, obwohl das „schwarze Gold“ im Boden allen Irakern
unermesslichen Reichtum bescheren könnte und sollte. Immer noch haben 43
Prozent der ländlichen Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Immer
noch fließen Abwässer frei durch Straßen einiger Bagdader Stadtviertel. Immer
noch sind 400.000 Kinder unterernährt, während eine neue Klasse skrupellos die
Chance des Umbruchs zur Selbstbereicherung nützt, um sich zynisch dem Luxus
hinzugeben.
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