Montag, 19. November 2012

Irak: Die ersten Spuren von Luxus

von Birgit Cerha

„Nun schaut mal, auch wir verdienen ein besseres Leben“, wehrt die junge irakische Ökonomin sorgenvolle Einwände ab. Auch sie will sich, wie so manche andere irakische Frauen, endlich wieder  Eitelkeit leisten und einen Hauch von Luxus.  Und sie reibt sich freudig die Hände ob der Aussicht, dass „Paris Gallery“, die in Dubai stationierte Luxuskette für Parfums, Kosmetiker aller Art und Schmuck, an den Tigris ziehen und in wenigen Monaten in Bagdad, innerhalb der nächsten drei Jahre auch an anderen Orten des Iraks insgesamt fünf Filialen eröffnen wird. Das ökonomische Klima im kriegserschütterten Zweistromland sei reif dafür und die gequälten Bewohner erhielten durch dieses Projekt einen enormen Schuss an „Selbstvertrauen“, propagieren Firmenvertreter ihr Projekt.
„Paris Gallery“ zählt zu den ersten Spuren des Luxus, die in einen der potentiell reichsten Staaten der Welt (Öl und andere Rohstoffe) nach 35 Jahren brutalster Diktatur, drei Kriegen und zwölfjährigen internationalen Sanktionen eindringen. Eine andere ist das „Coral Boutique Hotel“ von einem u.a. durch Ölschmuggel reich gewordenen Iraker für 13 Mio.Dollar in Bagdad erbaut und mit Zimmerpreisen von 300 Dollar nur Superreichen erschwinglich. Auch Schönheitssalons finden Neuland am Tigris, freilich nur den wenigen Privilegierten (deren Zahl dank himmelschreiender Korruption aber stetig wächst) vorbehalten.
Kein Zweifel, die junge Ökonomin hat recht. Auch die Iraker haben ein Recht auf Luxus. Und wie steht es mit den Prioritäten? Immer noch schlagen Attentäter regelmäßig, aber wahllos zu. Immer noch liegt die Infrastruktur im Argen. Immer noch vegetiert ein Viertel der Bevölkerung in absoluter Armut, obwohl das „schwarze Gold“ im Boden allen Irakern unermesslichen Reichtum bescheren könnte und sollte. Immer noch haben 43 Prozent der ländlichen Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Immer noch fließen Abwässer frei durch Straßen einiger Bagdader Stadtviertel. Immer noch sind 400.000 Kinder unterernährt, während eine neue Klasse skrupellos die Chance des Umbruchs zur Selbstbereicherung nützt, um sich zynisch dem Luxus hinzugeben.

 

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