Dienstag, 27. November 2012

Ägypten „auf des Messers Schneide"


Lässt sich der Weg zu einer neuen, einer islamistischen, Diktatur am Nil noch blockieren?
 
von Birgit Cerha

Ägypten stand Montag auf des „Messers Schneide“. Noch nie, seit Beginn der Revolution gegen Diktator Mubarak am 25. Januar 2011 war das Land so alarmierend tief polarisiert wie heute. Ein „Marsch von Millionen“, zu dem Islamistische Kräfte, angeführt von den Anhängern Präsident Mursis auf der einen und einer Opposition aus Linken, Säkularisten, Liberalen und Sympathisanten des alten Regimes auf der anderen Seite droht heute, Dienstag das Ringen um ein neues politisches System am Nil gefährlich zu eskalieren. Zwar rufen die Demonstranten, die sich seit vier Tagen auf dem Kairoer Tahrir-Platz versammelt haben, um gegen die neuen „pharaonischen Dekrete“ zu demonstrieren, die Mursi vergangenen Donnerstag erlassen hatte, wieder, wie vor fast zwei Jahren, nach dem „Sturz des Regimes“, diesmal eines vom Volk gewählten. Doch auch die meisten von ihnen wissen, dass ein solcher Ausgang ihres Konflikts Ägypten noch weit Schlimmeres bescheren könnte. Deshalb standen Montag plötzlich die Zeichen auf Versöhnung, als sich Mursi mit Vertretern der von ihm entmachteten Justiz zusammensetzte, um einen Kompromiss zu finden, der sein Gesicht wahrt.
Mursi hat seine politischen Möglichkeiten weit überschätzt, als er Donnerstag ohne Konsultation mit den politischen Kräften des Landes, ganz in diktatorischem Stil sieben Verfassungsdekrete verkündeten, die ihn und seine Entscheidungen unantastbar machen, eine drohende Auflösung der in die Sackgasse geratenen Verfassungsgebenden Versammlung, sowie des Oberhauses des Parlaments durch die Justiz verhindern und den Weg zur Einschleusung islamistischer Richter in das bisher von Juristen aus der Mubarak-Ära besetzte Justizsystem ebnen. Der Sturm des Protestes, den die auf diese ausgelöste Angst vor einer neuen Diktatur auslöste, kam für Mursi offenbar völlig überraschend. So versuchte er unterdessen, die erzürnten Teile der Bevölkerung durch Beteuerungen zu beschwichtigen, dass diese absolute Machtfunktionen nur dazu dienten, die Übergangsphase, die Verabschiedung einer Verfassung zu beschleunigen, um Ägypten rasch zu der so dringend nötigen Stabilität zu führen. Viele aber glauben ihm nicht.
Schlüsselfrage ist die Verfassung: Wird die islamistische Mehrheit im Verfassungskomitee einen Entwurf durchboxen, den ein Drittel der Komitee-Mitglieder - alle Repräsentanten säkularer Kräfte und religiöse Minderheiten – so entschieden ablehnen, dass sie in Protest aus dem Gremium auszogen? Dieser Entwurf legt die Basis für eine islamische Republik am Nil und enthält keinerlei Garantien für demokratische, religiöse Freiheiten oder Gleichberechtigung der Frauen. Nur wenn Mursi zur Politik des nationalen Konsenses findet, kann er Ägypten in eine bessere Zukunft führen.
 

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