Lässt sich der Weg zu einer neuen, einer islamistischen,
Diktatur am Nil noch blockieren?
von Birgit Cerha
Ägypten stand Montag auf des „Messers Schneide“. Noch nie,
seit Beginn der Revolution gegen Diktator Mubarak am 25. Januar 2011 war das
Land so alarmierend tief polarisiert wie heute. Ein „Marsch von Millionen“, zu
dem Islamistische Kräfte, angeführt von den Anhängern Präsident Mursis auf der
einen und einer Opposition aus Linken, Säkularisten, Liberalen und Sympathisanten
des alten Regimes auf der anderen Seite droht heute, Dienstag das Ringen um ein
neues politisches System am Nil gefährlich zu eskalieren. Zwar rufen die
Demonstranten, die sich seit vier Tagen auf dem Kairoer Tahrir-Platz versammelt
haben, um gegen die neuen „pharaonischen Dekrete“ zu demonstrieren, die Mursi
vergangenen Donnerstag erlassen hatte, wieder, wie vor fast zwei Jahren, nach dem
„Sturz des Regimes“, diesmal eines vom Volk gewählten. Doch auch die meisten
von ihnen wissen, dass ein solcher Ausgang ihres Konflikts Ägypten noch weit
Schlimmeres bescheren könnte. Deshalb standen Montag plötzlich die Zeichen auf
Versöhnung, als sich Mursi mit Vertretern der von ihm entmachteten Justiz
zusammensetzte, um einen Kompromiss zu finden, der sein Gesicht wahrt.
Mursi hat seine politischen Möglichkeiten weit überschätzt,
als er Donnerstag ohne Konsultation mit den politischen Kräften des Landes,
ganz in diktatorischem Stil sieben Verfassungsdekrete verkündeten, die ihn und
seine Entscheidungen unantastbar machen, eine drohende Auflösung der in die
Sackgasse geratenen Verfassungsgebenden Versammlung, sowie des Oberhauses des
Parlaments durch die Justiz verhindern und den Weg zur Einschleusung
islamistischer Richter in das bisher von Juristen aus der Mubarak-Ära besetzte
Justizsystem ebnen. Der Sturm des Protestes, den die auf diese ausgelöste Angst
vor einer neuen Diktatur auslöste, kam für Mursi offenbar völlig überraschend.
So versuchte er unterdessen, die erzürnten Teile der Bevölkerung durch Beteuerungen
zu beschwichtigen, dass diese absolute Machtfunktionen nur dazu dienten, die
Übergangsphase, die Verabschiedung einer Verfassung zu beschleunigen, um
Ägypten rasch zu der so dringend nötigen Stabilität zu führen. Viele aber
glauben ihm nicht.
Schlüsselfrage ist die Verfassung: Wird die islamistische
Mehrheit im Verfassungskomitee einen Entwurf durchboxen, den ein Drittel der
Komitee-Mitglieder - alle Repräsentanten säkularer Kräfte und religiöse Minderheiten
– so entschieden ablehnen, dass sie in Protest aus dem Gremium auszogen? Dieser
Entwurf legt die Basis für eine islamische Republik am Nil und enthält
keinerlei Garantien für demokratische, religiöse Freiheiten oder Gleichberechtigung
der Frauen. Nur wenn Mursi zur Politik des nationalen Konsenses findet, kann er
Ägypten in eine bessere Zukunft führen.
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