Was steckt wirklich hinter dem hysterischen Aufruhr über den Propheten Mohammed beleidigende Filmausschnitte? – Höchste islamische Führer beschwichtigen
von Birgit Cerha
Auf Internetseiten wie „Onislam“ mahnen Prediger Muslime, ihre Emotionen zu kontrollieren. „Mit eurem Kreischen und Brüllen schadet ihr nur euch selbst“, wettert Nouman Ali Khan und er klagt, die Proteste hätten – wie 2006 beim Aufschrei gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen – bewiesen, dass sich Muslime als „emotionale Schachfiguren“ missbrauchen ließen. Auch die höchste sunnitische Lehranstalt, die Al-Azhar Universität in Kairo, mahnt zur Mäßigung. Reaktionen auf Verunglimpfungen des Islam müßten die Fakten klarstellen und dürften nicht Unschuldige treffen. Viele der Protestierenden hatten die Filmausschnitte gar nicht gesehen.
Unterdessen analysieren arabische Intellektuelle Ursachen und Hintergründe dieser hysterischen Protestwelle. Der Chefredakteur der Kairoer „Al Ahram“, Hani Shukrallah, sieht das Motiv der bis heute unbekannten Produzenten dieses als Provokation geplanten Films, gewaltsame Reaktionen in der islamischen Welt auszulösen, um Muslime als irrational, intolerant und barbarisch zu „entlarven“ und damit „dem rassistischen anti-muslimischen Diskurs im Westen neue Nahrung“ zu geben, Islamfeinden verstärkte Argumente zu liefern. Shukrallah sieht einen klaren Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen in den USA, wo die christliche Rechte Präsident Obama „wenn nicht als „Anti-Christen, so doch zumindest als einen islamischen Maulwurf im Weißen Haus“ verdächtigt.
Shukrallah erinnert daran, dass es Obama schon bald nach seinem Amtsantritt vor vier Jahren gelungen war, das Feuer des „Zusammenpralls der Kulturen“, die sein Vorgänger George Bush und Al-Kaida-Chef Bin Laden voll entfacht hatten, stark einzudämmen. Durch ein Wiederaufflammen dieses Konflikts, so meint der prominente Journalist, erhoffen sich die republikanischen Gegner des Präsidenten eine entscheidende Wahlhilfe.
Zugleich schwärzen die zornigen Demonstranten die Bilder der neuen arabischen Helden an, die so mutig im „Arabischen Frühling“ für Freiheit, Würde und Menschenrechte“ gekämpft und Despoten vor allem in Tunesien, Libyen und Ägypten zu Fall gebracht hatten. Nun gebe wieder „Fanatismus, Ignoranz und Dummheit“ den Ton an und die Hoffnungen der Provokateure haben sich mehr als erfüllt.
Doch die Dramatik der Demonstrationen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Akteure nur eine kleine Minderheit in ihren Ländern repräsentieren, meist sind es radikale Islamisten, darunter etwa auch Anhänger der im ägyptischen Parlament vertretenen Salafisten, durch gemäßigtere Muslime der Moslembruderschaft an den Rand gedrängt, die die hochwillkommene Chance ergriffen, sich wieder auf die politische Bühne zu drängen. Vor allem in Ägypten und Tunesien ist das Machtvakuum nach den Revolutionen noch nicht voll überwunden und fühlen sich die gemäßigten und demokratisch gewählten Herrscher ratlos im Umgang mit ihren radikalen Gesinnungsgenossen.
Der Groß-Imam von Al-Azhar, Ahmed Al-Tayeb, appelliert deshalb an die Vernunft der Muslime. Sie müßten dieses filmische Machwerk ignorieren und sich lieber darauf konzentrieren, in der Kommunikation mit dem Westen den „wahren Islam“ darzulegen.
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