Mit seiner Reise in den Libanon will der Papst die massiv bedrängten arabischen Christen zum Ausharren überreden
von Birgit Cerha
Im Libanon, der 18 verschiedene Religionsgemeinschaft beherbergt, von denen die christlichen 40 Prozent stellen, herrscht ein labiles Machtgleichgewicht, dass allerdings durch das Blutbad im benachbarten Syrien höchst gefährdet ist. Sogar die Christen sind in Anhänger und erbitterte Gegner des syrischen Präsidenten Assad gespalten. Dem Papst aber wollen alle politischen Kräfte einen herzlichen Empfang bereiten, in der Hoffnung, er werde in seinen Botschaft die gefährdete Koexistenz der verschiedenen religiösen Gruppen stärken. “Der Himmel sinkt auf die Erde herab“, lautet ein überschwängliches Plakat zum Empfang des Papstes, dessen Besuch selbst Hassan Nasrallah, der Chef der von den Amerikanern als Terrororganisation gebrandmarkten schiitischen Hisbollah „historische“ Bedeutung beimisst. Die gemäßigtere schiitische „Amal“ bezeichnet den Papstbesuch gar als „Geschenk an den Libanon“ und der sunnitische Großmufti, Raschid Kabbani mahnt in tiefer Sorge über die Folgen der rapiden politischen Veränderungen in der Region, das Christen und Muslime nicht glauben sollten, sie säßen in „getrennten Booten“.
Während Benedikt XVI. nach Vatikankreisen keine klare Partei im Syrienkonflikt ergreifen wird, ist sein zentrales Anliegen, die schwer bedrängten Christen der arabischen Welt zum Ausharren in der Urheimat des Christentums zu überreden. Denn ihre Zahlen schrumpfen dramatisch.
Nach Schätzungen leben heute in der arabischen Welt 15 Millionen Christen. Genaue Zahlen allerdings kennt niemand, da offizielle Statistiken meist aus politischem Eigeninteresse niedrigere Angaben machen als die christlichen Gemeinschaften selbst. Ein jahrzehntelanger Schrumpfungsprozess hat sich durch den vor eineinhalb Jahren begonnenen „Arabischen Frühling“ radikal beschleunigt. Im Libanon fand der stärkste Exodus während des 15-jährigen Bürgerkrieges (1975 bis 1990) statt, der an die 7000.000 Christen in die Flucht trieb und 100.000 folgten ihnen seither. Die Zahl dieser Volksgruppe sank damit auf etwa 1,4 Millionen. In Ägypten und Syrien stellen die Christen zehn Prozent der Bevölkerung, acht bzw. 2,3 Millionen Menschen, in Jordanien leben derzeit kaum 200.000 Christen (etwa drei Prozent). Besonders dramatisch entwickelte sich der Exodus im Irak, eine der Wiegen der alten christlichen Kirchen. Seit dem Krieg gegen Diktator Saddam Hussein 2003 ist die Zahl der Christen von 1,4 Millionen auf höchstens 300.000 geschrumpft. Und die Attacken radikaler Islamisten auf diese weitgehend schutzlose Bevölkerungsgruppe halten unvermindert an, während die Welt schweigend zusieht. „Es ist als ob uns die Nacht verschluckte“, klagt ein irakischer Christ.
Dass das Grauen des Iraks auch sie heimsuchen könnte, befürchten nun Syriens Christen, die sich bisher aus dem Kampf gegen das Regime, das sie traditionell geschützt hatte, heraushielten. Doch sie geraten zunehmend zur Zielscheibe islamistischer Gegner Assads. In Damaskus und Aleppo begannen sie deshalb in letzter Verzweiflung bewaffnete Milizgruppen zum eigenen Schutz zu bilden.
Wo der „Arabische Frühling“ die Diktatoren hinwegfegte, in Tunesien und Ägypten, hat er bis heute nicht volle demokratische Freiheiten installiert. Er hat vielmehr radikalen islamistischen Gruppen neuen Freiraum beschert und bedroht damit die christlichen Minderheiten noch mehr als zuvor. Mehr als 100.000 Kopten flüchteten allein in den ersten neun Monaten nach dem Sturz Präsident Mubaraks im März 2011, und der Exodus angesichts zunehmender Attacken auf christliche Ziele an.
Und dennoch sind nicht alle Zeichen der Hoffnung geschwunden. Islamwissenschafter der Al-Azhar-Universität in Kairo, der höchsten sunnitischen Lehranstalt, haben ein „Bill of Rights“ von Rechten und Grundfreiheiten für die islamische Welt verfaßt, das die Freiheit von Religion, Meinung, wissenschaftlicher Forschung und Kunst betont und diese in den Verfassungen aller arabischen Staaten verankert sehen will.
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