Ägyptens Präsident gibt der “Islamischen Republik“ die Ehre und zeigt damit die Entschlossenheit zur Rückkehr in eine aktive Führungsrolle der Region
von Birgit Cerha
Zutiefst irritiert und in banger Erwartung der Folgen beobachten Kairos alte Bündnispartner in der arabischen Welt und im Westen den ersten Besuch eines ägyptischen Präsidenten in der „Islamischen Republik“. 33 Jahre lang hatte der gestürzte Präsident Mubarak den Iran politisch boykottiert und nur ein Minimum an diplomatieschen Beziehungen aufrechterhalten. Nun gibt sein freigewählter Nachfolger Mohammed Mursi heute, Donnerstag, den Führern des schiitischen „Gottesstaates“ die Ehre, um ihnen persönlich beim Gipfel der Blockfreien Staaten die dreijährige Führung der Organisation zu übertragen.
„Schande für Ägyptens Präsidenten“, empört sich ein Kommentator in der „New York Times“ und wirft Mursi vor, dem iranischen Regime, das eine Demokratiebewegung vom Schlage jener, die ihn selbst nun in Ägypten an die Macht gespült hat, brutal unterdrückt, „Legitimität verleiht“ und den demokratiehungrigen Iranern damit die Hoffnung raubt, doch noch eines Tages Ähnliches zu erringen. Dass Teheran die Vertreter aus 118 Ländern, darunter zahlreiche Präsidenten, vor allem aber auch jenen des wichtigsten arabischen Verbündeten Washingtons , Ägyptens, empfangen kann, schmerzt jene westlichen Führer, die seit Jahren um totale internationale Isolation des Irans wegen des umstrittenen Atomprogramms ringen. Iranische Politiker betrachten den Gipfel als „einen Misserfolg der USA“. Das gelte vor allem für Mursis Besuch, der „einen Meilenstein“ setze. Parlamentssprecher Ali Larijani rühmt die „Schlüsselrollen“, diese beiden, eng miteinander verbundenen Länder in der Geschichte der islamischen Zivilisation gespielt hätten.
Die „Islamische Revolution“ 1979 hatte die engen Bande zwischen beiden abrupt zerrissen. Revolutionsführer Khomeini verdammte den Friedensschluß zwischen Ägypten und Israel im selben Jahr als „Verrat des Islams“ und rief zum Sturz des damaligen Präsidenten Sadat auf. Dessen Mörder Khaled Islambouli 1981 ehrt das Regime bis heute, indem es eine Straße nach ihm benannte. Mubarak stufte den Iran als Gefahr für die regionale Stabilität ein und auch für die nationale Sicherheit Ägyptens. Eine jüngst von Wikileaks publizierte US-Diplomatenbotschaft vom 28.4.2009 zitiert Mubarak, der den Iran als „die größte Gefahr für den Mittleren Osten“ einschätzt und die dominierende Sorge seiner Bündnispartner Saudi-Arabien und anderer Golfstaaten vor iranischem und schiitischem Expansionismus in der Region teilt. Diese Angst quält auch die radikale und sehr einflußreiche salafistische Bewegung in Ägypten, die den Schiismus als Häresie verdammt und die „Islamische Republik“ damit als Erzfeind. Mursi verrate mit seinem Besuch in Teheran die durch Irans Bündnispartner, den syrischen Präsidenten Assad, blutig verfolgten Sunniten in Syrien, empören sich Salafisten-Führer. Er schwäche die Allianz der Sunniten in der Konfrontation mit dem Schiismus. Mursi hingegen ist bestrebt, die Kluft zwischen den islamischen Glaubensrichtungen zu überbrücken.
Teheran hatte denn auch seinen Aufstieg zur Macht am Nil hoffnungsvoll begrüßt, und zum erstenmal seit 1979 durften jüngst zwei iranische Marineschiffe durch den Suezkanal fahren. Offensichtlich mit Blick auf Ägyptens alte Bündnispartner versucht das Regime unterdessen die Bedeutung von Mursis Besuch herunterzuspielen. Der Ägypter bliebe nur vier Stunden in Teheran, um seine Funktion auf dem Gipfel zu erfüllen, auf dem Heimflug aus China, wo er seine erste Visite in einem nicht-arabischen Land angetreten und sich Finanzhilfe gesichert hatte. Beide Reisen besitzen zweifellos starken Symbolcharakter. Während Mursi als Signal an Washington durch seine Gespräche in Peking die Absicht unterstreicht, Chinas wachsende Rolle in der arabischen Welt – als Gegengewicht zu den USA – zu fördern, halten es diplomatische Kreise für wenig wahrscheinlich, dass der Ägypter rasch volle Beziehungen zum Iran aufnehmen werde. Vorerst zeichnet sich noch keine klare politische Linie gegenüber dem Iran ab. Mursi ist ein vorsichtiger Pragmatiker. Er kann es nicht riskieren, das Wohlwollen seiner strategischen Verbündeten und Finanziers – allen voran die USA und Saudi-Arabien – aufs Spiel zu setzen. Anderseits aber zeigt er Entschlossenheit, Ägyptens alte, von Mubarak lange vernachlässigte, Führungsrolle in der Region wieder aufzunehmen und sich dabei wohl mehr und mehr aus der totalen Abhängigkeit von den USA zu lösen. „Wir wollen ausgewogene Beziehungen mit jedem Land#“, erläutert denn auch sein Sprecher Yasser Ali. „Wir gehören keiner politischen Achse an.“ In solcher Funktion versucht Mursi schon jetzt eine neue Vermittlungsmission unter Einbindung des Iran für ein Ende des Blutbads in Syrien.
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