Demilitarisierung des Syrien-Konflikts bietet den einzigen Ausweg aus einem Grauen ohne Ende von Birgit Cerha
[Bild: Kinder von Hula vor dem Massaker] Dutzende Kinder werden abgeschlachtet, in vollem Tageslicht. Amateurvideos zeigen im Internet die grausigsten Brutalitäten und Verstümmelungen. Das Massaker in der syrischen Sunnitenstadt Hula vom vergangenen Freitag und dessen Präsentation illustrieren eine erschreckende Eskalation der Brutalität in diesem jüngsten blutigen Krieg gegen einen orientalischen Diktator. „Es ist dieser Extremismus der Gewalt, der so furchterregend ist. Wir haben Derartiges nicht einmal im Irak (in dem ein jahrelanger Krieg tobte) erlebt.“ Der Syrer, der diese Meinung gegenüber der „Financial Times“ vertrat, hat recht. Der Kreislauf barbarischer Brutalität dreht sich in dem von der alawitischen Minderheit beherrschten Syrien immer schneller. Diktator Baschar el Assad, das muss nun auch die letzten mit ihm sympathisierenden Zweifler überzeugt haben, scheut vor keiner Bestialität zurück, um seine Macht und mit ihm die alawitische Minderheit zu retten, die sich im Laufe der Jahrzehnte so vieler blutiger Verbrechen an der Sunniten-Mehrheit schuldig gemacht hatte. Es geht um nicht weniger als ums Überleben der Assads und mit ihnen der Alawiten. Syrien ist damit in die Hölle gestürzt und dieser dramatische Prozeß entlarvt eine verzweifelte Ohnmacht der Weltpolitiker und der Weltöffentlichkeit, die fassungslos und tatenlos barbarisches Abschlachten von Kindern beobachtet. Aber: Hat nicht die internationale Politik durch fatal falsche Signale in Kombination mit einem erschütternden Mangel an Mut, weltpolitischer Vision und engstirnigen geostrategischen Interessen diese Katastrophe überhaupt erst ermöglicht? Tiefgreifende Gewissenserforschung wäre hier geboten. Hula hat immerhin weltweit eine hektische Diplomatie ausgelöst, Verurteilung durch den Weltsicherheitsrat, dessen russische und chinesische Mitglieder zugleich ihren differenzierten Standpunkt – mögliche Mitschuld oppositioneller Kräfte – bekundeten. Der UN-Sonderbeauftragte Kofi Annan aber klaubt nun in Damaskus die Trümmer seines mutigen Friedensplans ein. Wagten Syrer – vermutlich im Auftrag des Regimes – doch vor den Augen von 280 auf der Baqsis seines Plans eingesetzten UNO-Beobachtern das hemmungslose Morden an wehrlosen Menschen, hat doch die Gewalt im Land seit Beginn des UNO-Mission nur zu- statt drastisch abgenommen. Zwar lässt Assad, der versprach, seine schweren Geschütze aus den Städten zurückzuziehen, nun nur mehr kleinere Siedlungen attackieren, diese dafür umso grausamer. Nicht einmal der erste Punkt des Friedensplans – Waffenstillstand bis zum 12. April – wurde eingehalten. Beide Seiten nämlich haben daran kein Interesse, weder Assad, der eine Verständigung mit der Opposition und die daraus zwanghaft folgenden demokratischen Reformen nicht wagen kann, ohne den Untergang seines Regimes und seines eigenen zu besiegeln und deshalb vor allem auf Zeit spielt. Aber auch für die Opposition ist mit bisher etwa 13.000 Toten zu viel Blut geflossen, um Assad für Verhandlungen, wie es Annan plant, und eine Kompromisslösung zu vertrauen. Annans Plan solle „zur Hölle gehen“, lautet die Reaktion der in der Türkei stationierte Oppositionsbewegung zum jüngsten Massaker. Der Sturz des Regimes ist für diese Gruppierungen die einzige Option. Und das bedeutet militärische Gewalt. Hilfe dafür ist ihnen bereits aus Saudi-Arabien und Katar gewissen. Und Signale aus Washington, das zwar nicht direkt militärisch intervenieren, aber Assads Gegner dennoch tatkräftig zu unterstützen will, ist ihnen gewiß. Der Weg Syriens in den blutigen Abrund ist damit vorgezeichnet und mit ihm jener des Libanons und möglicherweise auch anderer Nachbarn. Immerhin haben sich längst radikale, zutiefst undemokratische, islamistische, terroristische Kräfte der Opposition gegen Assad angeschlossen und bereits ganz im Stile von Al-Kaida katastrophale Blutbäder in Syrien angerichtet. Nicht stillschweigende Unterstützung bewaffneter Gegner gegen die brutale Diktatur in Damaskus kann die Strategie sein, sondern nur eine radikale Demilitarisierung des Konflikts, die auch die Opposition mit einschließt. Doch vielleicht ist es dafür längst zu spät, ist zu viel Blut geflossen, diktieren zu viel Hass und Vergeltungssucht den Fortgang der Ereignisse.Dienstag, 29. Mai 2012
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