Abdel Monein Abul Futuh präsentiert sich als das „fehlende Bindeglied“ zwischen Ägyptens Islamisten und Säkularisten – Doch ist er ein „Fundamentalist in Tarnung“? von Birgit Cerha
Abdel Monein Abul Futuh, der 60-jährige Arzt und langjähriges Führungsmitglied der ägyptischen Moslembruderschaft, hat Charisma und ein starke Ausstrahlung. Seine Anhänger sind überzeugt, er sei „der einzige, der Veränderung bringen“, der die tiefe Kluft zwischen Islamisten und säkularen Liberalen in der ägyptischen Gesellschaft überwinden kann, wenn ihn das Volk zum ersten Präsidenten des „neuen Ägypten“ wählt. Die Chancen dafür stehen gut.Seine steigende Popularität im Wahlkampf beruht vor allem auf seiner Fähigkeit, die radikalen Gegensätze zwischen Islamisten und Säkularisten in der Gesellschaft zu neutralisieren – allerdings mit einer bewußt sehr vage gehaltenen Plattform. So spricht er Liberale ebenso an wie Ultra-Islamisten: „Ägypten braucht ein Ende der Polarisierung im Land“ und: „Wir sind in Wahrheit alle Islamisten, warum also sollen wir darüber streiten?“ Die Unterschiede, so seine Botschaft, lägen nur in der religiösen Praxis. Vor allem seine oft wiederholte Warnung, religiöse Predigten mit Parteipolitik zu vermischen, spricht säkulare Liberale ebenso an wie zumindest einige Islamisten. Mit der Feststellung, ein Muslim habe das Recht zum Christentum zu konvertieren – nach Ansicht der meisten sunnitischen Gelehrten Apostasie (Abfall vom Glauben), der mit dem Tode zu bestrafen sei – versucht Futuh vor allem auch die koptische Minderheit (etwa neun Millionen) zu gewinnen. Auch unter den revolutionären Demokratie-Aktivisten, deren Aktionen entscheidend den Fall Präsident Mubaraks im Februar 2011 ermöglicht hatten, findet Futuh viele Sympathisanten. Wael Ghonim, einer der jungen Revolutionsführer, stellt sich offen hinter den sich so gemäßigt gebenden Islamisten und dürfte damit vermutlich viele Gleichgesinnte beeinflussen. Doch als die salafistische „Al-Nour“-Partei und ihre „Mutterorganisation „al-Dawa al Salafiya, eine der größten, radikalsten und bestorganisierten religiösen Bewegungen in Ägypten, Futuh ihre Wahlunterstützung zusagte, setzte in manchen liberalen und koptischen Kreisen ein gewisses Unbehagen ein. Ist er vielleicht gar nur ein getarnter Fundamentalist? Tatsächlich hat Futuh in den letzten Tagen vor der Wahl seine Positionen etwas verhärtet, spricht entschlossener als zuvor von der Durchsetzung der Sharia, des islamischen Rechts. Schloss er vielleicht einen Geheimpakt mit den Salafisten? Futuhs liberaler Medientberater, Ali al Bahnasawy, leugnet dies entschieden. Doch Nader Bakhar, Sprecher der Nour-Partei, spricht es offen aus: „Nur unter Futuh als Präsident werden die Salafisten die Freiheit bekommen, ohne Einmischung des Staates ihre Bekehrungsaktivitäten durchzuführen.“ „Wir wissen nicht, wer er wirklich ist“, gibt sich Zaid Akl, politischer Analyst des „Al-Ahram Zentrums für politische und strategische Studien“ in Kairo skeptisch. „Er gewann an Popularität, weil manche Ägypter sich nach Veränderung sehnen, aber sie wollen keine radikalen Veränderungen. Ideologie treibt die ägyptischen Wähler nicht an.“ 1951 in Kairo geboren, schloss Futuh 1976 an der Kairoer Universität sein Medizinstudium ab. Mit einer Gynäkologin verheiratet und Vater von sechs Kindern, erwarb er sich über die Jahre durch seine medizinische Praxis auch in Hilfsorganisationen im internationalen Bereich beträchtliche Sympathien. Während seines Studiums schloss er sich in den 70er Jahren der verbotenen Moslembruderschaft an und betrieb politischen Aktivismus unter Studenten. Berühmt wurde nun auch im Wahlkampf eine Konfrontation mit dem 1981 ermordeten Präsidenten Sadat. Eine Audioaufnahme davon stellten Anhänger jüngst in YouTube. Bei einer Begegnung mit Sadat beschuldigte Futuh den autokratischen Präsidenten, sich mit Heuchlern zu umgeben und politische Aktivitäten der Islamisten zu unterdrücken. 18 Jahre lang arbeitete Futuh im Führungsgremium der Moslembruderschaft und saß in dieser Zeit drei Mal insgesamt fünf Jahre lang Gefängnisstrafen ab. 2009 wurde er in einem Mini-Coup von Hardlinern der Organisation gegen Reformer aus dem Führungsteam entfernt, da er sich im Laufe der Jahre von einem radikalen Islamisten zunehmend zu einem Gemäßigten gemausert hatte. Doch seine Aktivitäten als Gründungsmitglied der Gamaa-al Islamiya, jener Extremistenorganisation, die in den 90er Jahren durch blutigen Terror den Tourismus, das Rückgrat der ägyptischen Wirtschaft, fast vollends lähmte und durch ihre Brutalitäten Angst und Schrecken verbreitete, bereute er offiziell nie. Unter Ägyptens jungen Demokratie-Aktivisten fand er Sympathie, als er sich ihren Demonstrationen von Anfang an anschloss, schon zu einem Zeitpunkt, da die Moslembruderschaft noch zögerte. Während der 18-tägigen Sitzstreiks gegen Mubarak auf dem Kairoer Tahrir-Platz richtete er Feldspitäler ein. Sein Sohn Huzaifa wurde während der Rebellionen zweimal verletzt. Auch kritisierte er im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Bruderschaft wiederholt offen das Militär, das er für Brutalitäten an Demonstranten verantwortlich machte. Als er sich im März 2012 einer Entscheidung der Moslembruderschaft, keinen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen, widersetzte und seine Kandidatur anmeldete, schloss die konservative Führung den unliebsam gewordenen Liberalen aus der Organisation aus. Die islamistische Bewegung ist damit noch tiefer gespalten. Skeptiker am Nil fragen sich: wird der einst so entschieden auftretende Fundamentalist, von seinen salafistischen Sympathisanten beeinflusst zu seinen alten Positionen zurückkehren? Der betont vage Charakter seiner Botschaften und seines Programms könnte für Ägypten – so meinen Kritiker – nicht weniger, sondern mehr Gefahren in sich bergen.Samstag, 19. Mai 2012
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