Vorläufige Ergebnisse der Parlamentswahlen im Iran lassen auf eine Verschärfung des Machtkampfes schließen
von Birgit Cerha
„Press-TV“, der offizielle englischsprachige Fernsehsender der „Islamische Republik“, meldet Sonntag einen überwältigenden Sieg des Lagers der „Prinzipalisten“ bei den Parlamentswahlen vom vergangenen Freitag. Allein diese Meldung illustriert die komplizierte und verwirrende politische Landschaft des „Gottesstaates“. Denn die Bedeutung des Begriffs „Prinzipalisten“ verändert sich immer wieder im Kontext der iranischen Politik. Präsident Ahmadinedschad bezeichnet sich selbst als „Prinzipalist“ und meint damit die volle Rückkehr zu den von Revolutionsführer Khomeini festgelegten Grundsätzen der „Islamischen Republik“. Die Gegner des Präsidenten hingegen verstehen unter „Prinzipalisten“ die ultrakonservativen Anhänger des „Geistlichen Führers“ Khamenei. Nach Auszählung von fast 90 Prozent der Stimmen dürften diese aber nach offiziellen Angaben das neue 290-köpfige Parlament dominieren.
Die „Vereinte Fundamentalisten-Front“, eine Dachorganisation gemäßigter und radikalerer Anhänger Khameneis, die ihre Feindseligkeit gegenüber Ahmadinedschad in den vergangenen Monaten eines sich stetig verschärfenden Machtkampfes im politischen Establishment offen bekundeten, konnte nach bisherigem Stand der Stimmenzählung die meisten Parlamentssitze erobern. An zweiter Stelle liegt die „Front der Stabilität der Islamischen Revolution“, die radikalste Kräfte des „Gottesstaates“ vereint, doch Ahmadinedschad gegenüber weit weniger kritisch eingestellt ist. Ahmadinedschads Fraktion liegt vorerst nur an dritter Stelle.
Der Präsident erlitt einen empfindlichen psychologischen Rückschlag durch die Niederlage seiner Schwerster Parvin in der Stadt Garmsar gegen einen konservativen Rivalen. Dies dürfte jedoch nach Einschätzung politischer Analytiker weniger an der Verwandtschaft mit dem Präsidenten liegen, als an der Tatsache, dass Frauen in dieser Hochburg der Konservativen kaum eine politische Chance besitzen.
Inwieweit das Wahlergebnis die Autorität des Präsidenten in seinem letzten Amtsjahr schwächen wird, läßt sich vorerst aber noch nicht absehen. Traditionell verschwimmen die Grenzen zwischen den rivalisierenden Fraktiionen im Iran. Zudem gelang es zahlreichen Kandidaten in insgesamt 30 Wahlkreisen, darunter auch Teheran, nicht, die für einen Einzug ins Parlament nötige 25-Prozent-Marke zu erreichen, was Stichwahlen nötig macht.
Vor allem in kleineren Städten und auf dem Land schnitten unabhängige Kandidaten und Frauen, die sich für die drückenden Probleme der Bevölkerung einsetzen, sehr gut ab. Politische Beobachter vermuten, dass viele der Unabhängigen mit dem Präsidenten sympathisieren oder ihn sogar voll unterstützen könnten, womit noch keineswegs klar ist, ob Ahmadinedschad wirklich eine so schwere Schlappe erlitt, wie offizielle iranische Medien es darzustellen versuchen.
Angehörige der oppositionellen Grünen Bewegung, die, wie andere Reformgruppen zu einem Wahlboykott aufgerufen hatten, bezweifeln auch, dass die Wahlbeteiligung tatsächlich, wie offiziell behauptet, bei 65 Prozent gelegen sei. Khamenei ging es bei diesen Wahlen vor allem auch darum, seine angeschlagene Legitimität im In- und Ausland durch eine hohe Wahlbeteiligung zu stärken.
Sonntag, 4. März 2012
Ahmadinedschads Gegner auf Siegeskurs
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