Sonntag, 12. Februar 2012

Syrien: Der Horror breitet sich aus

Wahrend Al-Kaida die Aufständischen zu stärken sucht, rückt der Todeskampf des alawitischen Regimes in eine kritische Phase

von Birgit Cerha


Mehr als eine Woche ununterbrochener Bombardements der 1,5-Millionen-Stadt Homs kann nicht ohne Gegenaktion bleiben. Der blutige Todeskampf des alawitischen Assad-Regimes rückt damit in eine neue für die gesamte syrische Bevölkerung höchst gefährliche Phase. Zutiefst verängstigt fragen sich viele Syrer nun: Wiederholt sich der jahrelange Horror des Iraks nun in ihrem Land? Die professionell geplante und durchgeführte Explosion, die vergangenen Freitag vor dem zentralen Gebäude der Sicherheitskräfte in der bisher weitgehend von Gewalt verschonten größten Stadt Aleppo 28 Menschen in den Tod gerissen hatte, trägt nach Meinung von Experten und US-Geheimdienstberichten die Handschrift des Terrornetzwerkes Al-Kaida, ebenso wie zwei ähnliche Explosionen von Autobomben in Damaskus im Dezember. Syriens Opposition, auch nicht die in der Türkei stationierte „Freie Syrische Armee“ dürfte nach Einschätzung von Kennern der Szene nicht die Expertise und Kapazität für derartige Attacken auf hochgesicherte Zentren des syrischen Regimes besitzen.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die erste Videobotschaft von Al-Kaida-Führer Ayman al Zawaheri zur Syrienkrise an Gewicht. Eindringlich appelliert Zawaheri in seiner Videorede unter dem Titel „Vorwärts Löwen von Syrien“ an die gewaltbereiten Gegner von Assad, sich nicht länger auf Hilfe des Westens, der Araber oder der Türken zu verlassen, sondern nur auf Allah zu stützen und ihre Entschlossenheit zu Widerstand und Opfer“ Zugleich drängte Zawaheri Militante im Irak und Libanon, in Jordanien und in der Türkei, sich zu erheben und „euren Brüdern in Syrien“ beizustehen.

Zugleich mehren sich Berichte über militante Islamisten, die in immer größeren Zahlen aus dem Irak nach Syrien vorstießen. Dies bestätigte am Wochenende auch der stellvertretende irakische Innenminister Adnan al Assadi. Waffen und Sprengstoff aus diesen radikal-sunnitischen Terrorkreisen des Iraks würden laut Assadi zunehmend nach Syrien geschmuggelt. Die Al-Kaida im Irak hatte jahrelang einen blutigen Terror im Land verbreitet. Viele ihrer nicht-irakischen Extremisten waren einst über Syrien in das Zweistromland gezogen und haben wohl im Reiche Assads ihre Kontakte und ihr Netzwerk geknüpft. Syrien mag der Al-Kaida nun als weit attraktiveres Aktionsfeld zur Erreichung ihrer radikalen Ziele erscheinen als der einigermaßen stabilisierte Irak.

In islamistischen Internet-Foren tauchen seit Tagen Berichte über – namentlich genannte - muslimische Freiwillige auf, die aus diversen arabischen Ländern nach Syrien zögen. Assad hingegen scheint der Horror nun einzuholen, den er selbst seit einem Jahr mit zunehmender Skrupellosigkeit verbreitet. Seit Beginn der Rebellion charakterisierte er seinen blutigen Kampf gegen zunächst unbewaffnete Demonstranten als Abwehr ausländischer Komplotte und des Al-Kaida Terrors – eine Behauptung, der nur wenige Glauben schenkten. Doch je mehr er seinen Terror gegen die Zivilbevölkerung eskalierte, desto mehr öffnete er ebenso brutalen Mörderbanden Tür und Tor. Der Todeskampf seines Regimes nimmt zunehmend konfessionellen Charakter an. Schon wird aus den Kreisen der „Freien syrischen Armee“ bekannt, dass sich ihnen zunehmend Soldaten mit sunnitisch-islamistischen Überzeugungen anschließen. Für Islamisten, wie di e Al-Kaida und deren Sympathisanten gelten die Alawiten als Häretiker, die den Tod verdienten. Dies ganz abgesehen von der historischen Feindschaft zwischen Syriens Alawiten und Sunniten.

In dem seit mehr als einer Woche umkämpften Homs kommt es immer häufiger, wie einst im Irak, zu wahllosen Morden an alewitischen oder auch christlichen Familien. Einige Sektoren der Stadt, in dem der Widerstand gegen das Regime besonders hartnäckig ist, grenzen direkt an alewitische Bezirke an. Hier begann bereits der Teufelskreis der Rachemorde.

Homs, das Epizentrum des Widerstandes, trifft der Terror des Assad-Regime deshalb mit besonderer Brutalität, weil der Diktator befürchtet, dass die Opposition hier, nach dem Vorbild des libyschen Benghazi, eine befreite Zone errichten könnte, von der aus sie die Herrscher in Damaskus schließlich zu Fall bringen würde. Dies mit hemmungsloser Gewalt zu verhindern, stürzt Syrien noch tiefer in eine unabsehbare Katastrophe und raubt jede Chance auf einen Ausweg aus dem blutigen Gemetzel.

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