Lässt sich Teheran durch ein EU-Ölembargo zu einem Nachgeben in der Atomfrage einschüchtern? – Sanktionen brechen nicht dem Regime, sondern der Mittelschicht das Rückgrat
von Birgit Cerha
Betont selbstbewusst reagiert Irans Führung auf die von der EU Montag beschlossenen schärfsten Sanktionen gegen den „Gottesstaat“. Der sukzessive bis Juli in allen 27 EU-Staaten durchzusetzende Öl-Importstopp soll nach den Vorstellungen der von den USA zu diesem Schritt gedrängten Europäer, Teheran endlich zwingen, sein Atomprogramm aufzugeben.„Die wirkungslosen Sanktionen gegen die Islamische Republik bedrohen uns nicht. Sie liefern uns vielmehr neue Chancen und haben unserem Land bereits viel Gutes gebracht.“ Diese Worte von Geheimdienstminister Heydar Moslehi sollen der Welt klarmachen, dass sich der Iran auch nicht durch den schmerzlichsten ökonomischen Druck zur Aufgabe eines Programmes zwingen lässt, das nicht nur das Regime, sondern auch breite Bevölkerungsteile als zentrales nationales Interesse empfinden: das Recht auf Fortschritt und Entwicklung, das Irans Atomprogramm für viele symbolisiert.
Zuversichtlich meinen iranische Politiker, die EU schade sich durch das Ölembargo selbst so sehr, dass sie es sehr rasch wieder aufgeben werde. Solche Behauptungen werden mit kriegerischen Tönen, der erneuten Blockade der Straße von Hermus, garniert.
Besitzt eine Maßnahme, die die Weltwirtschaft, insbesondere aber einige der schwächsten EU-Ökonomien (die von billigem iranischen Öl abhängigen Länder Griechenland, Italien und Spanien) empfindlich trifft, tatsächlich eine Erfolgschance?
Experten sind sich einig, dass der Iran problemlos neue Abnehmer für die etwa 18 Prozent seiner Ölexporte finden wird, die derzeit in die EU fließen. Neben dem Ölgeschäft wird wohl rasch auch die Ausfuhr von Gütern in den Iran stoppen, die der EU jährlich zwölf Milliarden Dollar bringt.
Der Iran verkauft 60 Prozent seines Öls an asiatische Länder, insbesondere China, Indien, Südkorea und Japan. Wiewohl China jüngst neue Ölgeschäfte mit anderen Produzenten am Persischen Golf abzuschließen suchte, ließ es nicht erkennen, dass es sich tatsächlich einem Embargo anschließen würde, eben so wenig wie Südkorea. Indische Firmen erwägen, ob sie nicht in die Import-Lücke von derzeit acht Mrd. Dollar springen sollen, die die westlichen Sanktionen im Iran schon geöffnet haben.
Entscheidend für den Erfolg der Ölsanktionen ist die Situation auf dem Weltmarkt. Experten errechneten, dass das weltweite Ölangebot um 2,5 Mio.Barrel im Tag höher liegen müßte als die Nachfrage, damit der Iran für sein Öl keine Abnehmer finden könnte. Tatsächlich würde aber ein totaler Ausfall iranischer Lieferung den Weltmarkt täglich mit 3,5 Mio. Barrel zu wenig versorgen und die Preise radikal in die Höhe treiben.
Zudem ist längst klar, dass die verschärften Sanktionen nicht dem Regime, sondern der iranischen Mittelschicht das Rückgrat bricht. Seit Dezember stiegen Lebensmittelpreise, wie jene etwa für Milch um 50 Prozent und mehr. Allein Montag fiel der Kurs der Landeswährung um 15 Prozent. Händler klagen, dass sie angesichts dieses Kurssturzes in Rial keine Geschäfte mehr abschließen können und angesichts der von der Regierung verhängten Restriktionen auch nicht in anderen Währungen. Gold bietet nun den einzigen Ausweg. Ein Produktionsbetrieb nach dem anderen muss zusperren. Wie auch in anderen von Sanktionen betroffenen Ländern längst bewiesen, richten sich Ärger und Verzweiflung der Menschen angesichts dieser von außen erzeugten Existenznöte nicht primär gegen das Regime, so verhasst es auch sein mag.
Unterdessen verschärft Teheran durch seine Drohung der Blockade von Hormus die weltweite Nervosität. Durch dieses Nadelöhr, dem einzigen, an seiner engsten Stelle nur 54 km breiten Ausgang vom Persischen Golf in den Golf von Oman, transportieren täglich 14 Supertanker 17 Mio. Barrel Öl (das entspricht 20 Prozent aller Öltransporte), sowie 28 Prozent des weltweit exportierten Flüssiggases. Wiewohl der Iran nicht die militärische Kapazität zu einer längerfristigen Blockade von Hormus besitzt, könnte er den Schiffsverkehr durch seine Schnellboote, Raketen und Minen doch empfindlich stören und – kurzfristig – die Weltmarktpreise rasant in die Höhe treiben. Zugleich aber würde er sich damit an seiner Lebensader treffen, denn all seine Ölexporte und ein Großteil der – überwiegend geschmuggelten – Importe gehen über den Persischen Golf. Deshalb gleicht die Drohung einer Blockade nur der Ankündigung eines Verzweiflungsaktes in totaler Ausweglosigkeit.
Dienstag, 24. Januar 2012
Verschärftes Kräftemessen mit dem Iran
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