Wieder einmal, keineswegs zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte, blickt die westliche und asiatische Welt gebannt auf das wichtigste Nadelöhr, das eng mit ihrem Wohlstand und ihrem Wirtschaftswachstum verknüpft ist. Die Straße von Hormus, die die „Islamische Republik“ in Zeiten besonderen außenpolitischen Drucks zu blockieren droht. Schon Schah Reza Pahlevi verstand sich als „Türhüter für den westlichen Ölverkehr“ und betonte 1874 gegenüber dem „Spiegel: „Der Zugang zum Persischen Golf ist für uns eine Frage von Leben und Tod.“Hormus ist der einzige Ausgang vom Persischen Golf. Sie führt zum Golf von Oman und schließlich zum Indischen Ozean und ist an ihrer schmalsten Stelle nur 54 km breit. Sie wird bewacht vom Iran im Norden und Osten und von Oman im Süden. 33.000 Schiffe und Tausende kleine Boote ziehen alljährlich oft unter harten Bedingungen – extrem hohen Temperaturen, dickem Nebel oder heftige Sandstürme - durch diesen Flaschenhals. 14 Öltanker transportieren täglich 17 Millionen Barrel von fünf der weltweit größten Ölproduzenten – Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate und der große Gasexporteur Katar – durch Hormus zu den Weltmärkten. Das entspricht etwa 35 Prozent des weltweit auf dem Seeweg beförderten Öls und 20 Prozent (nach dem Stand von 2011) des gesamten Öltransporte. Mehr als 85 Prozent des Rohöls aus dem Golf erreicht asiatische Märkte, der Rest West-Europa und die USA.
Zum Öl kommen täglich auch noch andere wichtige Produkte hinzu, darunter 28 Prozent des weltweit exportierten Flüssigerdgases (LNG), von dem Japan, Südkorea und Taiwan vollends abhängig ist und das europäische Konsumenten eine Alternative zum russischen Gas liefert. Außerdem werden noch mehr als zwei Mio. Barrel an Ölprodukten durch diese Meerenge transportiert. Und die arabischen Golfanrainer lassen den größten Teil ihrer Importe an Nahrungsmitteln, Gebrauchsgegenständen und Luxusgütern auf dem Seeweg durch Hormuzs transportieren.
Amerikanische Führer haben Hormus schon lange höchste strategische Bedeutung eingeräumt. Es war im Januar 1980 gewesen, als der damalige US-Präsident Carter, alarmiert durch die sowjetische Invasion Afghanistans dem US-Kongreß die Gefahren klarmachte, die den „vitalen Interessen der USA“ durch die Nähe sowjetischer Truppen (480 km) zum Indischen Ozean und damit zur Straße von Hormus drohten und seine berühmt gewordene „Carter Doktrin“ verkündete, die bis heute Gültigkeit hat: eine Blockade von Hormus müsse „mit allen nötigen Mitteln, einschließlich militärischer Gewalt“ zurückgeschlagen werden.
Wiewohl den Golfanrainern spätestens seit dem „Tankerkrieg“ (1984 bis 86) die höchst gefährliche Abhängigkeit von dem Transportweg durch Hormus dramatisch vor Augen geführt wurde (in dieser Zeit wurden als neue Strategie des Iraks im achtjährigen Krieg gegen den Iran 544 Attacken auf Schiffe im Golf durchgeführt, 400 Zivilisten getötet und 400 verwundet), haben die Ölproduzenten bis heute fast keine Exportalternative geschaffen. Vielleicht haben sie sich mit der Tatsache getröstet, dass sich die Schiffsindustrie nach einem 25-prozentigen Transportrückgang auf das verschärfte Risiko eingestellt und nach kurzer Zeit ungeachtet von Bomben und Raketen ihre Frachten wieder in vollem Umfang befördert hatten.
Trotz aller Gefahren bietet derzeit nur Saudi-Arabien mit seiner „Petroline“, die zum Hafen von Yanbu am Roten Meer führt und fünf Mio. Barrel im Tag (etwas weniger als die Hälfte der saudischen Produktion) befördern kann, einen alternativen Transportweg. Ein Ausbau der Pipeline würde 18 Monate in Anspruch nehmen. Ein kleiner Teil der irakischen Exporte – etwa 500.000 Barrel im Tag - fließt durch die Pipeline vom nordirakischen Kirkuk zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Wiewohl die Kapazität bei 1,6 Mio.Barrel liegt, wird schon jetzt dieser Transportweg immer wieder durch Sabotageakte unterbrochen. Ein vielversprechendes Projekt Abu Dhabis, sich aus der Abhängigkeit von Hormus zu lösen, der Bau einer Pipeline zum Emirat Fudschaira am Golf von Oman. Doch die Fertigstellung verzögert sich um Monate aufgrund von Konstruktionsproblemen.
Viele unabhängige Experten sind jedoch davon überzeugt, dass Teheran, unabhängig von der keineswegs sicheren militärischen Möglichkeiten zur Blockade von Hormus einen solchen Weg nur „als letzte Kugel“, als größten Verzweiflungsakt im Falle eines Angriffs durch Israel oder die USA, wählen würde. Hormuz ist der einzige Trumpf in Irans Verteidigungskapazität, das einzige Druckmittel gegen internationale Bedrohung. Doch es gleicht beinahe dem Stich der Biene. Denn mehr als allen anderen würde sich der Iran damit selbst schaden. All seine Ölexporte, die rund 80 Prozent der staatlichen Einnahmen ausmachen, fließen durch Hormus, wie auch viele seiner wichtigsten Importe. Die Marinehäfen liegen an den Küsten des Persischen Golfs. Teheran würde seine ohnedies aufgrund der Sanktionen und gravierender Misswirtschaft dahinsiechende Ökonomie strangulieren. Die Sperre von Hormus wäre ein Verzweiflungsakt in totaler Ausweglosigkeit.
Donnerstag, 15. Dezember 2011
LEXIKON: Straße von Hormus
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