Arabische Liga beginnt Mission zur Lösung der Krise – Inmitten von Blutvergießen tiefe Skepsis der Opposition
von Birgit Cerha
„Sie töten uns….. wo ist die Welt“, riefen Montag verzweifelte Bewohner der zentralsyrischen Stadt Homs, wo an die 4.000 syrische Soldaten tagelang mit schweren Waffen Wohnhäuser und Menschen attackierten. Die Operationen, die sich insbesondere auf das Stadtviertel Baba Amr, eines der Zentren des sunnitischen Widerstandes gegen das Alawiten-Regime Bashar el Assads, konzentrierten, illustrieren dramatisch die Panik des immer verzweifelter um sein Überleben ringenden Regimes. Allein in Homs wurden Montag laut Aktivisten mindestens 30 Menschen getötet. Amateur-Videos zeigten, wie Panzer zivile Ziele angriffen und Leichen in ihrem Blut in den Straßen lagen.
Dienstag kehrte weitgehende Ruhe ein in die gequälte Stadt. Augenzeugen berichten von menschenleeren Straßen, während ein 15-köpfiges Team der Arabischen Liga ihre Überwachungsmission begann, Gespräche mit dem Gouverneur, aber auch mit der Bevölkerung und der Opposition. Zuvor waren einige Panzer aus der Stadt gerollt.
Nach mühseligen Verhandlungen und Täuschungsmanövern hatte Assad vor einer Woche einen Plan der Arabischen Liga unterzeichnet, der dem Blutvergießen ein Ende setzen und Reformen zur Stabilisierung Syriens in die Wege leiten soll. Mehr als 5.000 Menschen kamen seit Beginn der friedlichen Proteste vor neun Monaten ums Leben, die große Mehrheit durch Sicherheitskräfte. Doch zunehmend sind unter den Opfern auch Soldaten, die überwiegend in eskalierenden Kämpfen mit Deserteuren der in der Türkei stationierten „Freien Syrischen Armee“ verwickelt waren. Während die zivile Opposition weiterhin auf Gewaltlosigkeit beharrt, wächst die Zahl der Deserteure und mit ihnen auch der blutige Widerstand gegen die Übermacht der staatlichen Armee.
Die Arabische Liga, die Syriens Mitgliedschaft suspendiert und Wirtschaftssanktionen eingehoben hatte, sieht ihre Mission als „letzte Chance“ für Assad, von seinem Kurs hemmungsloser Gewalt abzuweichen. Der Plan sieht einen Rückzug der Sicherheitskräfte aus Städten und Wohnvierteln vor, ein Ende der Gewalt gegen Zivilisten und die Freilassung von Tausenden Gefangenen, sowie den Beginn von Verhandlungen mit der Opposition. Doch seit der Unterzeichnung des Übereinkommens mit der Liga hat das Regime die Gewalt massiv verschärft.
50 arabischer Beobachter teilten sich Dienstag in mehrere Gruppen auf, um neben Homs Idlib, Hama, Damaskus und Daraa zu besuchen. Bis in etwa zwei Wochen wird das Team auf mehr als 150 Mitglieder – Menschenrechtsaktivisten, Militärexperten, Ärzte und Juristen – aus diversen arabischen Ländern angewachsen sein. Der Generalsekretär der Liga, Al Araby, legt nach eigenen Aussagen höchsten Wert auf totale „Objektivität und Transparenz“ und erwartet sich schon innerhalb von einer Woche Aufschluss darüber zu bekommen, ob das Regime das Abkommen mit der Liga ernsthaft erfüllen und mit den Delegierten seriös zusammenarbeiten will. Sollte dies – wie viele Beobachter und die syrische Opposition befürchten – nicht der Fall sein, dann will Araby Rückendeckung durch die UNO suchen. Dort herrscht allerdings bis heute keine Einigkeit über internationale Sanktionen oder andere Schritte gegen das Assad-Regime, die Syrien vor einem totalen Chaos oder gar einem Bürgerkrieg mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Region bewahren könnten.
Unter der – zersplitterten – Oppositionsbewegung herrscht tiefe Skepsis über die Erfolgschancen der Liga-Mission. Syrische Menschenrechtsaktivisten dokumentieren eine Reihe von Manövern des Regimes, um die Beobachter etwa durch Vertauschung von Straßenschildern irrezuführen oder Fakten zu vertuschen. So rollten zwar einige Panzer aus Wohnvierteln, doch dies überzeugt Kritiker nicht. Denn schon in den vergangenen Monaten hatten schwere Militärfahrzeuge immer wieder Wohngebiete verlassen, nur um rasch wiederzukehren. Auch berichten Aktivisten, dass die Armee Panzer in Regierungsgebäuden verstecke und zahllose Gefangene aus Haftanstalten in Homs, Hama oder Deraa u.a. im Schutz der Dunkelheit zu Militärstützpunkten gebracht worden seien, die die Beobachter nicht inspizieren dürfen. Aus dem Leichenschauhaus in Homs seien Hunderte Verstorbene entfernt worden.
Außenministser Muallem zeigt sich zuversichtlich, die Beobachter würden sich der Überzeugung des Regimes anschließen, dass „bewaffnete Terroristen“ die Hauptverantwortung für die katastrophale Gewalt trügen. Schon vergangenen Freitag hatte die erste in Syrien eingetroffene Gruppe von Beobachtern die Terrorszene in Damaskus inspiziert, wo zwei Autobomben mehr als 40 Menschen in den Tod gerissen hatten. Damit hatte Syrien eine neue Dimension der Gewalt erreicht. Innerhalb von einer Stunde nach der Explosion stand für das Regime der „Übeltäter“ schon fest: Al-Kaida, der Erzfeind des Westens, den Assad zu bekämpfen vorgibt.
„Alles Theater“, meinen so manche Kenner des syrischen Regimes, und sie fürchten, dass Assad sein Spiel mit der Arabischen Liga betreibe, um Zeit zu gewinnen, in der er seinen Gegnern endgültig das Genick brechen würde. Denn politische Zugeständnisse, Kompromisse würden seinen Untergang besiegeln.
Dienstag, 27. Dezember 2011
Hoffnungsschimmer im Horror von Syrien?
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