Einschüchterungskampagne der herrschenden Militärs soll Demokratie-Aktivisten zum Schweigen bringen
von Birgit Cerha
Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), darunter die seit drei Jahrzehnten in Ägypten wirkende Konrad Adenauer Stiftung, reagierten Freitag fassungslos und empört auf Polizeirazzien gegen 17 Organisationen in Ägypten. Derartiges hatte selbst der im Februar gestürzte Diktator Mubarak nicht gewagt. Ein böses Omen für eine demokratische Zukunft am Nil.
In einer offensichtlich seit längerem geplanten Aktion hatten Donnerstag Soldaten und schwarzgekleidete Polizisten die Büros von 17 lokale und ausländische NGOs gestürmt, stundenlang durchsucht und Computer, Akten, Handys u.a. beschlagnahmt. Büros, wie jenes der Konrad Adenauer Stiftung wurden versiegelt. Offiziell hieß es lediglich, es handle sich um Ermittlungen wegen des Verdachts illegaler „Finanzierung aus dem Ausland, sowie um Überprüfung von Genehmigungen für die Aktivitäten der Organisationen.NGO-Vertreter verurteilen diese „intensive Kampagne zur Demontage der Zivilgesellschaft“ auf das schärfste und werten dies als den bisher deutlichsten Beweis dafür, dass der regierende Militärrat keinerlei Absicht hege, Ägypten auf den Weg zu einer echten Demokratie zu führen. Zudem suchten die herrschenden Militärs „Sündenböcke“ für ihr eigenes Versagen, einen ruhigen Übergang in die Nach-Mubarak-Ära zu leiten. Amnesty International meint, der Militärrat attackiere vor allem jene NGOs, die die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen am Nil kritisierten.
Zweifellos ist die Aktion ein Signal für eine verschärfte Kampagne zur Diffamierung von Demokratie-Aktivisten im Land und zur Aufstachelung nationalistischer Gefühle, die mehr und mehr Ägypter gegen liberale Kräfte und hinter das Militär scharen sollte.
NGOs gelten traditionell in den arabischen Diktaturen als höchst gefährliche Kräfte, die die Grundfesten der autokratischen Systeme zu erschüttern drohen. Eine lebendige Bürgergesellschaft untergräbt die jahrzehntelang der Bevölkerung eingeimpfte Vorstellung, dass die herrschende Elite das politische Geschäft zum Wohl des Volkes weitaus am besten versteht. Selbst soziale Organisationen werden traditionell mit Argusaugen beobachtet, da sie durch ihre Aktivitäten die Unzulänglichkeit des Staates entlarven. Deshalb ist in den meisten arabischen Ländern die Gründung von NGOs an strikte Auflagen gebunden oder überhaupt verboten. Mubarak aber hatte in Ägypten dennoch eine relativ lebendige Zivilgesellschaft geduldet, nicht allerdings, ohne sich die Möglichkeit zu spontanen Schlägen mit Hilfe strikter Gesetze zu sichern. Diese beziehen sich vor allem auf ausländische Finanzunterstützung, die an offizielle Genehmigung gebunden ist. Unter dem Vorwand fehlender Genehmigung ließen sich auch in der Vergangenheit unbequem gewordene Menschenrechtsaktivisten, wie der prominente Soziologe Saadeddin Ibrahim, hinter Schloss und Riegel setzen.
Die Zivilgesellschaft, ägyptische, aber auch so manche ausländische NGOs spielen seit dem Sturz Mubaraks eine entscheidende Rolle, das Militär zur Einhaltung seiner Demokratie-Versprechen zu zwingen und damit deren inzwischen offensichtlich gewordenes Machtstreben zu untergraben. Deshalb hatte der Justizminister im Oktober zwei Richter mit der Untersuchung der Finanzierungen von NGOs beauftragt und angekündigt, dass jene Organisationen, die für schuldig befunden würden, mit einer Anklage wegen des „Verrats an Ägypten durch bewußte Förderung politischer Konflikte“ rechnen müßten. Ägyptens Streitkräfte freilich sind seit mehr als drei Jahrzehnten die Empfänger größter Auslandshilfe in Höhe von 1,5 Mrd. Dollar pro Jahr von den USA.
Samstag, 31. Dezember 2011
Attacke gegen NGOs in Ägypten heizt Spannungen auf
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