von Birgit Cerha
Der Beginn der historischen Mission der Arabischen Liga, der ersten ihrer Art seit fast 70 Jahren, steht unter einem schlechten Stern. Erstmals seit ihrer Existenz hat sich die Organisation zu einer aktiven Friedensmission in einem ihrer Mitgliedsländer entschlossen. Der Dienstag mit etwa 50 Delegierten begonnene Einsatz bietet die derzeit einzige Chance, das katastrophale Blutvergießen in Syrien zu beenden. Doch die Glaubwürdigkeit beider Seiten des vor einer Woche unterzeichneten Abkommens – des syrischen Regimes ebenso wie jene der Liga – steht ernsthaft infrage. Der sudanesische Missionschef, an dessen ehrlichem Engagement für Demokratie und Menschenrechte aufgrund seiner Vergangenheit als militärischer Geheimdienstchef in der von Völkermord gequälten sudanesischen Westprovinz Darfur, scheint gleich zu Beginn des Einsatzes seinen Kritikern recht zu geben. Nach dem ersten Besuch in der von der syrischen Armee massiv attackierten Rebellenhochburg Homs befand General Dabi sie Situation „beruhigend“, wiewohl syrische Sicherheitskräfte in eine friedliche Menge feuerten, die die arabischen Beobachter zu mutigen Aussagen gedrängt hatten. Mindestens sechs Menschen starben in dieser ersten klaren Verletzung des Abkommens mit der Liga, das ausdrücklich Assad-Regime auffordert, friedliche Demonstrationen zuzulassen.
Die Hinweise, dass Assads Kooperation mit der Liga nur dem Schein dient, um Zeit zu gewinnen, mehren sich unterdessen. Die Freilassung von 755 Syrern, die in den vergangenen neun Monaten des Aufruhrs festgenommen worden waren, liefert keinen Beweis für einen von den Arabern geforderten Kurswechsel des Diktators. Denn mindestens 14.000 Menschen schmachten weiterhin in syrischen Gefängnissen und wie viele verschollen bleiben, ist vorerst unklar. Freier Zugang zu Aktivisten wird den Beobachtern vom Regime verwehrt oder von den Arabern gar nicht gesucht, wie die erste Inspektion in Homs zeigte. Zudem läßt die äußerst kurze Vorbereitungszeit und geringe Anzahl der Beobachter (etwa 150 sollen es bis Mitte Januar sein) auf eine hoffnungslose Überforderung der Kommission schließen, die überall im Land Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzudecken hat.
Ein zweifacher Verdacht drängt sich auf: Haben die Araber bewußt den Vertreter eines der ganz wenigen Länder – Sudan – als Missionschef gewählt, mit dem Assad noch gute Beziehungen pflegt, eines Mannes zudem, der das Vertrauen eines anderen Diktators genießt – Sudans Präsidenten - , der sich massiv internationaler Interventionen zur Beendigung von humanitären Verbrechen widersetzt hatte? Steht damit schon im voraus fest, dass die Beobachtermission alles unterlassen wird, was ein internatiionale Intervention zur Befriedung Syriens auslösen könnte und zugleich Assad eine politische Überlebenschance bietet?
Das Regime Assad hingegen, das steht längst fest, kann weder den von der Liga geforderten Gewaltverzicht gegen Protestierende riskieren, ohne dabei die Kontrolle über zahlreich syrische Städte und damit schließlich die Macht zu verlieren. Zugleich wiegt sich Assad – wie regelmäßige Fernsehbilder zeigen – in der Illusion, dass das Volk weitgehend immer noch hinter ihm stehe und tatsächlich kann er sich auch weiterhin auf Angehörige von Minderheiten und der Geschäftsklasse und vor allem der Streitkräfte stützen. Trotz zunehmender Desertionen von Soldaten hat sich bisher keine einzige Armee-Einheit gegen ihn gestellt. Deshalb setzt der skrupellos zuschlagende Diktator auch weiterhin auf den wichtigsten Verbündeten: die Zeit, in der seinen Gegnern endlich die Luft ausgehen sollte.