Freitag, 23. September 2011

Salehs Rückkehr verschärft Spannungen im Jemen

Opposition befürchtet Eskalation der Gewalt zur Unterdrückung der Freiheitsbewegung nach gescheiterten Vermittlungsbemühungen

von Birgit Cerha

Der Donner von Explosionen und schwerer Artillerie überzog Jemens Hauptstadt Sanaa Freitag morgen. Mit Feuerwerken und Kanonen feierten Anhänger Präsident Salehs die abrupte Heimkehr des Diktators nach dreimonatigem Genesungsaufenthalt in Saudi-Arabien. Saleh, so verkündete einer seiner Sprecher, rufe die Kämpfenden zu einem Waffenstillstand auf und zu Verhandlungen, um die gefährliche politische Krise endlich zu beenden. Für Saleh, so der Sprecher „gibt es keine Alternative zu Dialog und Verhandlungen“.
Oppositionskreise verhehlten Freitag nicht den schweren Schock, in den sie die Heimkehr des Präsidenten versetzt hätte. Abdel-Hadi al-Azizi, Führer der Protestbewegung, die seit neun Monaten durch Sitzstreiks und Massenkundgebungen im Herzen Sanaas den Abtritt des seit drei Jahrzehnten herrschenden Diktators friedlich zu erzwingen suchten, betonte Salehs Rückkehr „bedeutet mehr Spaltungen, mehr Rivalitäten, mehr Konfrontationen. Wir durchleben eine sehr kritische Eskalation.
Jemens jugendliche Aktivisten, weitgehend ausgebildete und berufstätige Männer und Frauen, die die Hoffnung des Landes darstellen, hatten vor neun Monaten als erste Aktivistengruppe des arabischen Raumes begonnen, durch friedliche Demonstrationen den Diktator zudemokratischen Reformen zu zwingen. Im März hatten sie ihr Ziel beinahe erreicht, so schien es zumindest. Doch Saleh ist lanjgähriger Meister der politischen Überlebenskunst, intimer Kenner der Ränkespiele zwischen den diversen politischen Gruppen, Stämmen und Bevölkerungsschichten des Jemen. Er versuchte zunächst durch Reformversprechen, die sich rasch als unseriös erwiesen, die Gegner zu schlagen, dann zunehmend durch brutale Gewalt. Auf diese Weise wuchs die Schar der Oppositionellen, denen sich einer der engsten Mitstreiter Salehs, General Ali Mohsen, anschloß.

Am 3. Juni erlitt er bei einem Attentatsversuch gegen ihn und seine Führungsclique schwere Brandwunden. Als er sich nach einigem Zögern in Spitalsbehandlung in Saudi-Arabien begab, glaubten die Aktivisten, denen sich unterdessen auch die legale Parlamentsopposition angeschlossen hatte, ihr Ziel in greifbarer Nähe. Dreimal versprach Saleh, ein Abkommen zur allmählichen Machtübergabe zu unterzeichnen, nur um seine Zusage im letzten Moment wieder zurück zu ziehen. Starker Druck Riads und anderer Golfstaaten, den Weg zur Macht und damit zur Wiederherstellung der Stabilität in dem strategisch so wichtigen Jemen freizugeben, verfehlte seine Wirkung. So trotzt Saleh nun allen, Freund und Feind und kehrte nach Sanaa heim.

Der Zeitpunkt ist äußerst kritisch. Denn in Sanaa brach ein blutiger Machtkampf zwischen Kräften der schwerbewaffneten Eliten unter Führung General Mohsens, sowie des mächtigen Stammesführer Sadek al Ahmar auf den einen und der von Salehs Sohn angeführten „Republikanischen Garden“ und anderen regimetreuen Einheiten aus. Binnen fünf Tagen starben mehr als hundert Menschen und die Gewaltlosigkeit betonenden Demokratie-Aktivisten werden zu unschuldigen Geiseln in diesem Gemetzel. Ein Dienstag vereinbarter Waffenstillstand brach rasch wieder zusammen. Vermittler Des Golf-Kooperationsrates und der UNO kehrten unverrichteter Dinge wieder heim. Salehs alter Rivale Ahmar, der Hunderttausend schwer bewaffnete Stammeskrieger mobilisieren kann und teilweise bereits mobilisierte, zeigt sich unerbittlich und schwor eben wieder „bei Gott“, dass er nie wieder zulassen werde, dass Saleh über den Jemen herrsche.

Auch die Aktivisten zeigen sich kompromißlos, sie bestehen darauf, dass der Diktator wegen der ungeheuerlichen Brutalitäten der Regierungssoldaten gegenüber den Demonstranten zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Ein Plan der Golfstaaten sieht Straffreiheit für Saleh und seine Familie vor. Saleh hatte vor wenigen Tagen seinen Vizepräsidenten zu erneuten Verhandlungen über diesen Plan ermächtigt. Doch die Chance auf Einigung erscheint nun geringer denn je. Oppositionelle befürchten, die Heimkehr des Diktators werde dessen Anhänger stärken und zu noch brutaleren Schlägen gegen die Demonstranten ermutigen. Doch dass sich diese einschüchtern lassen, erscheint ebenso unwahrscheinlich.

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