Mit allen Mitteln versucht das Königshaus, die Stabilität arabischer Autokraten, und damit seine eigene, zu erhalten und zu schützen
von Birgit Cerha
Seit zu Jahresbeginn der „Frühling der Freiheit“ endlich auch die arabische Welt erreichte, haben sich die steten Ängste des Hauses Saud um seine autokratische Herrschaft über einen der reichsten Ölstaaten der Welt dramatisch gesteigert. Demokratiehungrige, friedliche Bürger lösten den traditionellen geostrategischen Rivalen Iran als gefährlichsten Feind der saudischen Monarchie ab. Diesem „Bazillus“ der Freiheit Einhalt zu gebieten, ist seither Hauptanliegen der Führer des Königreiches. Im eigenen Land hat der durchaus etwas reformwillige König Abdullah aber nach ersten Anzeichen einer „Ansteckung“ im März die Mutawas (die traditionell will zuschlagende Religionspolizei) mit großzügigen finanziellen Gaben geschenkt und gestärkt und damit dem Volk die Botschaft vermittelt: Der alte Bund mit dem ultrakonservativen Establishment der Wahabiten, einer extrem puritanischen Glaubensrichtung des Islams, bleibt bestehen. Und rasch haben die Geistlichen jegliche Proteste gegen Herrscher (vor allem die saudischen) als „un-islamisch“ verdammt.
Frauen, die sich einem Verbot widersetzten und ihre Autos selbst steuerten, wurden festgenommen, ein Akademiker, der auf seiner Facebook-Seite über ein Saudi-Arabien ohne der Königsfamilie sinnierte, erhielt eine dreimonatige Gefängnisstrafe. Am härtesten trifft es, wie stets, die schiitische Minderheit in den ölreichen Ostprovinzen. Hunderte wurden bei Demonstrationen für die Freilassung eines führenden Geistlichen festgenommen. Die Botschaft des engsten US-Verbündeten im arabischen Raum ist klar: Nicht der geringste Dissens wird geduldet. Forderungen nach einer konstitutionellen Monarchie finden kein Gehör.
Offen hatte Riad seit Beginn des „arabischen Frühlings“ seine Sympathie für die bedrängten Despoten gezeigt. Persönlich setzte sich Abdullah bei US-Präsident Obama im Februar zugunsten des bedrängten ägyptischen Amtskollegen Mubarak ein. Vergeblich. Zugleich hält Saudi-Arabien nach alter Tradition seine Tore für gestürzte Diktatoren offen. Einst war es der ugandische Schlächter Idi Amin gewesen, der im Königreich ein Leben nach seiner blutigen Herrschaft genießen durfte. Nun genießt der im Januar gestürzte Tunesier Ben Ali sein Dasein in einer Villa am Roten Meer. Jemens Despot Saleh, der sich seit Monate mit Hilfe brutaler Repressionen weigert, den Schrei der Massen nach Demokratie Gehör zu schenken, kuriert in einem Luxus-Hospital in Saudi-Arabien seine durch einen Bombenanschlag zugefügten Wunden aus. Zugleich versucht Riad nach informierten Kreisen alles, um Syriens Diktator Assad die Macht zu erhalten. Die Erhaltung der Stabilität wie sie bisher bestand, des geostrategischen Gleichgewichts besitzt höchste Priorität.
Dabei scheut Riad auch nicht vor Militäreinsatz zurück, weder im eigenen Land noch außerhalb der Grenzen, nicht im Jemen, wo die Saudis vor zwei Jahren Salehs Militär durch eigene Einsätze im Kampf gegen die schiitischen Houthi-Rebellen im Norden intensiv unterstützte. Und schon gar nicht in dem durch einen Damm mit dem Königreich eng verbundenen Bahrain. 1.200 saudische Soldaten haben dort dem durch eine schwer diskriminierte schiitische Minderheit bedrängten sunnitischen Königshaus bei brutaler Niederschlagung des Aufstandes unter gravierender Verletzung der Menschenrechte beigestanden. Eine latente Angst vor Rebellion gegen Repression, insbesondere der eigenen schiitischen Minderheit, bestimmt die Politik des Hauses Saud.
Montag, 4. Juli 2011
Riads „kalter Krieg“ gegen den Wandel
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