von Birgit Cerha
Mindestens 1.400 Menschen, überwiegend unbewaffnete, freiheitshungrige Bürger, fielen dem Terror der syrischen Sicherheitskräfte in drei Monaten der Rebellion gegen das Regime bereits zum Opfer. Zehntausende flüchteten in die Türkei und den Libanon, manche durch Schüsse verletzt, andere durch bestialische Brutalitäten der Schergen des Diktators traumatisiert.
Der Westen, Europa, sieht dem blutigen Treiben ratlos zu. Militärischer Schutz für die Verfolgten steht angesichts des immer noch anhaltenden Libyen-Debakels außer Frage. So bleiben Sanktionen als einziger Ausweg aus einem Dilemma, um den Europäern den Vorwurf zu ersparen, sie hätten dem Abschlachten tatenlos zugesehen. Verschärfte EU-Sanktionen zielen auf die Herrscherelite, deren Vermögen und Kapazität die Tötungsmaschinerie in Gang zu halten. Sie zielen aber auch auf Assads Achillesferse: die schon vor Beginn der Unruhen dahinsiechende Wirtschaft.
Doch es ist ein zweifelhaftes Unterfangen. Der Erfolg ist ungewiss. Hatten nicht zwölfjährige schärfste UN-Sanktionen dem irakischen Diktator Saddam Hussein nicht nur nicht geschwächt, sondern vielmehr gestärkt, und zugleich eine Generation des gequälten Volkes um ihre Zukunft geraubt – eine Katastrophe, über die die Welt schweigt? Doch immerhin versucht Europa nun, nur die Übeltäter zu treffen, so etwa neben dem Präsidenten und dessen Bruder auch Vetter Rami Makhlouf, der mit seinen Unternehmen die Wirtschaft dominiert. Makhlouf gilt als Hauptfinanzier des Regimes und stellte jüngst in einem Interview klar, dass der Assad-Clan bis zum Letzten kämpfen werde und über viele Soldaten verfüge. Doch der gegen ihn gerichtete Haß des Volkes und die Demütigung der EU-Sanktionen bewirkten immerhin, dass der Magnat den Rücktritt aus seinem höchst lukrativen Geschäftsleben ankündigte und sich künftig nur noch der Linderung der Not seiner Mitbürger widmen will. Wenige trauen freilich solcher Verheißung. Sie zeigt aber, dass die internationalen Strafmaßnahmen nicht nur symbolisch bleiben, sondern zumindest eine psychologische Wirkung erzielen. Die Tatsache, dass die EU nach einigem Zögern auch den Präsidenten auf die Sanktionsliste setzte und damit zu einem geächteten Kriminellen macht, treibt Syrien verschärft in die internationale Isolation. Es bleiben nur noch ganz wenige Freunde, an der Spitze der Iran, der zwar in Damaskus höchste strategische Interessen verfolgt, doch kaum die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen dürfte, die Syriens Wirtschaft vor einer Katastrophe retten könnte.
Syrische Oppositionelle im Westen drängen die EU, die Ölindustrie des Landes mit Sanktionen zu belegen. Syrien zählt zu den kleinsten Ölexporteuren des Mittleren Ostens, produziert täglich nur 390.000 Barrel, doch sie liefern wichtige Devisenerträge. Bisher ist Syriens Ölindustrie von Sanktionen verschont geblieben. Der Großteil der Exporte von derzeit insgesamt etwa 155.000 Barrel im Tag fließt nach Deutschland, Italien und Frankreich. Aktivisten fordern diese Länder auf, kein Öl mehr zu kaufen, da diese Einkünfte die Unterdrückungsmaschinerie direkt speisten. Doch es wäre ein empfindlicher Schlag für die Wirtschaft, der mittelfristig das Volk trifft. Denn geht der europäische Markt verloren, wird Syrien für sein schweres Öl kaum einen Ersatz anderswo finden. Die staatlichen Deviseneinkünfte würden auch längerfristig weiter schrumpfen und einer Erholung nach dieser schweren Krise noch größere Hürden schaffen.
Montag, 27. Juni 2011
Europa zielt auf Assads „Achillesferse“
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