Mittwoch, 15. Juni 2011

Maher Assad: Der Schlächter von Syrien

Inmitten blutiger Repression baut sich der jüngere Präsidentenbruder zum eigentlichen „starken Mann“ auf

von Birgit Cerha

Teile von Dschisr al Schugur liegen in Trümmern, Leichen treiben im gleichnamigen Fluß und die nahegelegenen Felder stehen in Flammen. Die vierte Armee-Division unter dem Kommando von Maher al Assad hat mit brutaler Gewalt die nordwest-syrische Stadt unter ihre Kontrolle gezwungen. In panischer Angst vor blutigen Strafaktionen nach einer Rebellion in einem Militärstützpunkt der Stadt, bei der, wie Augenzeugen berichten, in der Vorwoche 120 Soldaten ums Leben kamen, sind Tausende Menschen aus dieser nordwestsyrischen Stadt geflüchtet, viele in die Türkei, viele harren an der Grenze aus, um die nächsten Aktionen Mahers abzuwarten. Ist die nahegelegene Stadt Maarat al-Numan sein nächstes Ziel?
Seit die Vierte Division mit ungeheurer Brutalität die südsyrische Stadt Deraa, in der vor elf Wochen die Proteste gegen die Diktatur Assads begonnen hatten, unter ihre Kontrolle zwangen, versetzt der Name Maher Assad die Syrer in Panik und Schrecken. Mit anhaltender Revolte und blutiger Repression tritt der 43-jährige Maher mehr und mehr aus dem Schatten seines Bruders, der seit der Eskalation der Gewalt nicht mehr öffentlich auftrat. Syrische Analysten weisen darafu hin, dass Maher schon seit einiger Zeit der eigentliche „starke Mann“ Syriens sein dürfte, wozu ihn allein seine Funktionen als Kommandant der Elitetruppen der Republikanischen Garden und der Vierten Division, sowie Kontrolle des militärischen Geheimdienstes befugen. Bewußt dürfte das Regime möglicherweise jedoch Bashars el Assads Image als sympathischen reformwilligen Präsidenten gepflegt haben, um sich die Loyalität zumindest einiger Teile der Bevölkerung zu erhalten.

Fest steht unterdessen, dass Maher der eigentliche Organisator der Brutalitäten gegen friedliche Demonstranten, darunter auch viele Kinder, ist, denen bereits mehr als 1.300 Menschen zum Opfer fielen. Verantwortlich für die Sicherheit des Regimes, hat er, wie jetzt bekannt wurde, bereits im Vorjahr tausend Scharfschützengewehre auf dem Schwarzmarkt erworben.

Die Syrer nennen ihn heute den „Schlächter von Deraa“. Leute, die ihn kennen, beschreiben ihn als einen hochintelligenten, hervorragenden Organisator mit einem starken Zug zur Grausamkeit. „Er hat sich als Schlächter erwiesen“, der töte,nur um zu töten“, beschreibt ihn ein Aktivist in Damaskus. „Menschen Leid zuzufügen verschafft ihm sadistische Freude.“ Dieser Ruf des jüngeren Assad wird noch durch ein nun im Internet verbreitetes Video verstärkt. Es zeigt einen von Offizieren geschützten Mann von Statur und Gehabe Mahers, der auf unbewaffnete Demonstranten in Damaskus schießt. Im März tauchten im Internet Fotos auf, die ebenfalls einen Maher ähnlich sehenden Mann zeigen, der mit seinem Mobiltelefon verstümmelte Leichen von Regimegegnern in einem Gefängnis von Damaskus zeigt.

Maher ist der jüngste der vier Söhne des 2000 verstorbenen Hafez el Assad. Er studierte in Damaskus Maschinenbau doch entschied sich früh für eine militärische Laufbahn. Als der zum Nachfolger des Vaters erkorene Bruder Basil 1994 bei einem Autounfall ums Leben kam, war Maher, der dem Verstorbenen nicht nur im Aussehen, sondern auch im Charakter ähnlich ist und zudem – im Gegensatz zu Bashar - eine militärische Karriere gemacht hatte, als „Kronprinz“ im Gespräch. Doch wegen seines aufbrausenden, instabilen Charakters zog der Vater den unpolitischen Augenarzt Baschar vor. Denn Maher hatte sich selbst mit engsten Familienmitgliedern, wie dem Vetter Ribal, gwalttätige Auseinandersetzungen geliefert. Sein Schwager Assef Schaukat laborierte lange an schweren Verletzungen, die ihm Maher bei einem Streit 1999 durch Schüsse zugefügt hatte.

Baschar, der in der Familie stets als schwacher Zögerer galt, erkor den harten und entschlossenen Maher nach seiner Machtübernahme zu seinem engsten Berater. So ist die Niederschlagung des kurzen „Damaszener Frühlings“ der Freiheit durch Massenverhaftungen 2000 und 2001 auf Mahers Einfluß zurückzuführen. 2005 wurde Maher neben Schaukat in einem vorläufigen UN-Untersuchungsbericht als Drahtzieher des Mordes am libanesischen Ex-Präsident Rafik Hariri genannt. Im endgültigen UN-Bericht scheinen die beiden Namen allerdings nicht auf.

Kenner des syrischen Regimes sind davon überzeugt, dass sich Maher und andere führende Mitglieder des inneren Herrscherkreises nicht durch internationalen Sanktionen, die sie und ihre Interessen direkt treffen, von ihren Untaten abschrecken lassen. Es geht ihnen einzig um die Macht, welchen Preis auch immer das Land und seine unschuldigen Bürger dafür zahlen müssen.

1 Kommentar:

  1. Ein sehr zutreffender Artikel, der beweist, wie auch Ihre anderen Artikeln über Syrien, ein exzellentes Wissen über die syr. internen Zusammenhänge; Respekt!

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