Präsident Saleh verhärtet seine Position, während sich ein Konflikt mit den mächtigen Stämmen blutig verschärft
Bild: Mitte: Sadiq al Ahmar
von Birgit Cerha
Teile Sanaas, der Hauptstadt des Jemen, gleichen einer Kriegszone. Bürger der Stadt packen in Panik einige Habseligkeit auf Autodächer und flüchten aus Stadtvierteln, in denen sich seit Montag Einheiten der von dem Sohn und dem Neffen Präsident Salehs kommandierten Republikanischen Garden und der Sicherheitskräfte mit Angehörigen des mächtigsten Stammesverbandes der Haschids heftige Gefechte liefern. An die 50 Menschen kamen dabei bereits ums Leben. Zugleich verhärtet der durch friedliche Massenproteste seit Februar schwer bedrängte Präsident seine Position, lehnt energisch jegliche „Zugeständnisse“ an seine Gegner ab, will von „Kapitulation“ gegenüber jenen, die Gewalt gegen ihn anwendeten, nichts wissen und bezeichnet in einem Interview mit „Reuters“ die Probleme des Landes als rein „interne Angelegenheit“. „Jeder muss wissen, dass wir keine Befehle von außen befolgen.“
Damit bezog sich Saleh auf einen vom Golfkooperationsrat (GCC) unter Führung Saudi-Arabiens erarbeiteten Lösungsplan, der seinen Rücktritt binnen 30 Tagen nach Einigung auf einen Übergangsplan mit der Opposition vorsieht und ihm, wie seinen Familienangehörigen völlige Straffreiheit garantiert. Saleh hatte Sonntag im letzten Moment zum dritten Mal die Unterschrift unter den GCC-Plan verweigert und die frustrierten Nachbarn damit gezwungen, ihre Vermittlungsbemühungen aufzugeben. Die Zukunft des Jemen erscheint damit ungewisser denn je.
Beobachtern ist längst klar, dass Saleh, im Volksmund nicht ohne Grund der „Schlangenbeschwörer“ betitelt, eine langbewährte Strategie betreibt, die ihm in diesem zerrissenen Land mit seinen gigantischen sozialen und machtpolitischen Problemen sei t mehr als 30 Jahren die Macht sicherte: Täuschungsmanöver und Hinhaltetaktik, um die Gegner zu zermürben und zur Aufgabe ihrer Positionen zu zwingen. Oppositionskreise sind davon überzeugt, dass er jede nur erdenkliche Methode anwenden wird, um sich die Macht zu erhalten. Der Fall seines gestürzten ägyptischen Amtskollegen, der nun vor Gericht gestellt und vielleicht sogar mit dem Tode bestraft werden soll, hat ihn offenbar in seiner Entschlossenheit, bis zum Ende zu kämpfen, noch bestärkt.
„Saleh versucht nun“, Jemens Probleme als bloßen „Konflikt zwischen ihm und der Familie der Al-Ahmars“, die den Haschid-Stammesverband anführen darzustellen, erläutert Amin Arrabiyi, einer der Führer der Jugendbewegung, die seit Februar im Zentrum Sanaas durch Sitzstreiks Saleh zum Rücktritt zu zwingen sucht. Unterstützt von Tausenden hochbewaffneten Stammesangehörigen, die in den vergangenen Tagen in die Hauptstadt eindrangen, hatte Sadik, einer der zehn mächtigen Ahmar-Brüder einige Regierungsgebäude, die staatliche Nachrichtenagentur und die Büros der Fluglinie „Yemenia“ besetzt und dort nach eigenen Angaben riesige von den Regierungstruppen angelegte Waffenlager ausgehoben. Die Gebäude liegen im Umkreis von Sadiks Wohnsitz, der unterdessen schwer beschädigt wurde.
Der Konflikt zwischen Saleh und den Ahmars reicht weit zurück, verschärfte sich seit 2006, als Sadiks einflußreicher Bruder Hamid offen zu einer Revolution gegen den Präsidenten aufrief und sich als Nachfolger anpries. Saleh wirft ihm nun vor, die spontan aus der Bevölkerung gebildete Protestbewegung seit vielen Wochen finanziell zu unterstützen. Die Waffenlager in Regierungsgebäuden werden von Oppositionskreisen als Provokation Salehs interpretiert, durch die er die Ahmars zur Gewalt gegen die Sicherheitskräfte treiben will, die dann mit voller Härte zuschlagen sollten. Auf diese Weise könnte er die Schuld an der Gewalt der Opposition zuschieben und sich selbst als stabilisierende Kraft präsentieren. Die Tatsache, dass eine hohe Delegation von Stammesführern bei Schlichtungsbemühungen Montag von Regierungstruppen beschossen und drei von ihnen getötet wurden, erhärtet solchen Verdacht. Um die Eskalation voranzutreiben, hat Saleh Donnerstag die Verhaftung Sadiks angeordnet, doch ohne massiven Blutvergießens, wird er diesen Befehl nicht durchsetzen können. Die Ahmars sind, wie andere Stämme, hoch bewaffnet und kampferprobt. Vorerst hält sich ein anderes prominentes Stammesmitglied, Generalmajor Ali Mohsen al Ahmar, der im März mit seiner ersten Heeres-Panzerdivision zur Opposition übergelaufen ist, aus dieser Auseinandersetzung heraus. Damit bleibt noch eine kleine Hoffnung, dass der Jemen nicht in einem Bürgerkrieg mit unabsehbarem Ausgang versinkt.
Donnerstag, 26. Mai 2011
JEMEN: Gewaltsame Eskalation im Jemen
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen