Ahmadinedschads Basis schrumpft im Machtkampf gegen Khamenei und das konservative Establishment
von Birgit Cerha
Zwei Jahre nach seiner heftig umstrittenen Wiederwahl verliert Irans Präsident Ahmadinedschad zunehmend den Rückhalt jener Kräfte, die ihm ungeachtet massiver Proteste aus politischen Kreisen und der Bevölkerung die Macht für eine zweite Amtsperiode sicherten: des „Geistlichen Führers“ Ali Khamenei und der ihn unterstützenden konservativen Fraktion des Establishments. Hatte Khamenei im Juni 2009 noch Ahmadinedschads Wiederwahl als „göttliche Fügung“ gefeiert, bereiten ihm nun offenbar die Bemühungen seines langjährigen Schützlings um Ausweitung seiner Macht zunehmend zunehmend Sorgen. So brach nun, da die „Grüne (Demokratie-)Bewegung“ durch brutale Repression – vorerst – politisch ausgeschaltet ist, innerhalb der Führung der „Islamischen Republik“ ein offener Krieg aus. Dabei geht es um die Weichenstellung für Parlamentswahlen 2012 und die im Jahr darauf folgende Präsidentschaftswahl, auf die nach dem Willen Khameneis und dessen Anhänger Ahmadinedschad keinen Einfluß haben soll. Unter dem konservativen Establishment herrscht wachsendes Misstrauen gegenüber dem Präsidenten, der seine Macht durch krassen Populismus auszubauen und durch zunehmend als „anti-klerikal“ empfundene Positionen die „Islamische Republik“ mehr und mehr von ihrem lanjährigen Kurs abzudrängen sucht.
Dieser nun offen ausgetragene Konflikt an der Spitze der Hierarchie illustriert den undemokratischen Charakter des politischen Systems der „Islamischen Republik“ zu einem Zeitpunkt, da ein „Frühling der Freiheit“ weite Teile des Mittleren Ostens erfasst hat und auch dem schiitischen Iran eine historische Chance zum Ausbau seines Einflusses in der Region böte. Selbst Regimevertreter warnen, die fortgesetzten Querelen würden die Kluft zwischen den Fraktionen vertiefen und äußeren Feinden die Möglichkeit bieten, diese Schwäche für ihre Interessen zu nützen.
Ahmadinedschad wurde in den vergangenen Wochen derart in die Enge getrieben, dass nun sogar offen darüber spekuliert wird, ob der Präsident den zweiten Teil seiner vierjährigen Amtszeit überhaupt beenden kann, ob er zum Rücktritt gezwungen oder vom Parlament in einem Amtsenthebungsverfahren abgesetzt werden könnte.
Im Zentrum des Konflikts steht Esfandiar Rahim Maschaie, seit 25 Jahren Vertrauter Ahmadinedschads und nun sein engster Berater, unter den islamischen Traditionalisten im System seit Beginn seines politischen Aufstiegs mit dem Amtsantritt des Präsidenten 2005 zutiefst verhaßt. Intensive Bemühungen, die starken Bande zwischen den beiden auch miteinander verwandten Männern (der Sohn des Präsidenten ist mit Maschaeis Tochter verheiratet) zu zerschlagen, scheiterten bisher. Ahmadinedschad scheut keinen Konflikt, um diesen Mann, den er zu seinem Nachfolger erkoren hat, damit er sein politisches Erbe verwalte – vielleicht bis zu einer erneuten Wiederwahl nach einer vierjährigen Pause – an seiner Seite zu halten.
Die lange schwelende Auseinandersetzung um Maschaie eskalierte im April, als ein Abhöraktion des staatlichen Geheimdienstes in den Büroräumen von Maschaie aufgedeckt wurde. Der Präsident entließ darauf hin Geheimdienstminister Heydar Moslehi, einen Vertrauten Khameneis und ignorierte dessen Aufforderung, Moslehi wieder einzusetzen. Vielmehr boykottierte er aus Protest gegen diese Einmischung des „Führers“ elf Tage lang die Regierungsarbeit. Daraufhin brach ein Sturm der Kritik über ihn herein. Sogar der einflußreiche Hardliner Ayatollah Mohammed Taqi Mesbah Yazdi, der als „geistiger Mentor“ Ahmadinedschads gilt, scheute erstmals nicht vor Attacken gegen den Präsidenten zurück. „Sich dem Willen des Höchsten Führers zu beugen, ist eine religiöse Pflicht, die nichts mit Politik zu tun hat“, mahnte Yazdi. „Sich dem Befehl des Höchsten Führers zu widersetzen, ist gleichbedeutend mit Widerstand gegen Gott.“ Andere führende Persönlichkeiten des Establishments, von Großayatollahs über Kommandanten der Revolutionsgarden bis zu Parlamentariern warnten Ahmadinedschad, dass eine Herausforderung Khameneis „Apostasie“ (Abfall vom Islam) gleichkäme.
Mehr als zwei Dutzend mit Maschaie verbundene Personen wurden unterdessen unter dem Vorwurf festgenommen, sie propagierten eine „Abweichung vom Islam und den Werten der Revolution“ und betrieben – in einem Fall – sogar „Hexerei“. Einige dem Präsidenten nahestehende Websites wurden blockiert und konservative Kreise drängten Ahmadinedschad, sich von seinem umstrittenen Berater zu trennen. Erst nachdem Khamenei die Bildung einer neuen Regierung in Auftrag gab, beendete der bedrängte Präsident seinen Boykott und holte Moslehi wieder ins Ministerium. Zugleich bekräftigte er seine unverbrüchliche Treue zum „Führer“. Doch kurz darauf schlug er, schwer gedemütigt, doch nicht entmutigt, zurück. Ohne die dafür nötige Billigung des Parlaments abzuwarten löste er drei wichtige Ministerien, darunter jenes für Öl und Energie auf und übernahm selbst die für den Iran lebenswichtigen Ölagenden. Der Schritt trug ihm einen schweren Verweis des mächtigen „Wächterrates“ ein, den Ahmadinedschad – zunächst – ignoriert.
Unterdessen halten sich Gerüchte, Maschaies Verhaftung stehe unmittelbar bevor. Die Liste der Vorwürfe die islamischen Traditionalisten gegen ihn erheben, ist lang. Sie reicht von der Propagierung eines“ iranischen Islam“, eines Liberalismus in kulturellen und gesellschaftlichen Fragen, über israel-freundliche Positionen und dem Versuch, die Beziehungen zu den USA zu verbessern bis zum Plan, die Macht Khameneis zu beschneiden und einen „Pluralismus, für den wir immer gekämpft hatten“, in der „Islamischen Republik“ zu verankern. Mit Ahmadinedschad teilt Maschaie die häuifig bekundete Überzeugung, dass der „Fünfte“, der „Verborgene Imam“ der Schiiten (der 874 verschwunden sein soll) bald wiederkehren werde, um ein Reich der Gerechtigkeit zu errichten und es sei seine, wie Ahmadinedschads Aufgabe, dafür den Weg zu bereiten. Viele gläubige Iraner, darunter auch Angehörige der höchsten Geistlichkeit halten solche Ideen für Aberglaube. Angehörige des konservativen Establishments sind überzeugt, Maschaie strebe, wohl gemeinsam mit Ahmadinedschad nach einem Iran ohne Herrschaft der Geistlichen.
Iranische Analysten sind davon überzeugt, Ahmadinedschad sei durch den jüngsten Konflikt empfindlich geschwächt. Doch er ist ein Kämpfer, der wiederholt phantasievoll bewiesen hat, dass er sich nicht unterkriegen läßt. Diese Rivalitäten werden den Iran noch länger in Atem halten.
Dienstag, 24. Mai 2011
IRAN: Offener Krieg in Irans Führung
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