Warnung vor „ausländischer Verschwörung“ und keine Rede von erhoffter Aufhebung der Notstandsgesetze
von Birgit Cerha
Ein dicht besetztes Parlament in Damaskus lieferte Bashar el Assad Mittwoch emphatischen Applaus, als Syriens Präsident die erste Rede an die Nation seit Beginn der Unruhen vor zwei Wochen begann. Sie sollte „historisch“ werden, schicksalhaft für den Präsidenten und für Syrien, hatten politische Kreise in Damaskus aufgrund von Andeutungen durch Regimevertreter erwartet. Doch jene, die sich die sofortige Aufhebung der fast 50-jährigen Notstandsgesetze erhofft hatten, wurden bitter enttäuscht.
Unter den Rufen der Abgeordneten „wir wollen Bashar als Präsident“ bezichtigte der durch eine anschwellende Welle von Demonstrationen schwer bedrängte Herrscher „ausländische“ Elemente der Verschwörung gegen das Regime. Deraa, die von sunnitischen Stämmen bewohnte Stadt im Süden des Landes, wo vor zwei Wochen Proteste und deren blutige Niederschlagung mit mehr als 60 Toten begonnen hatten, sei eine „Grenzprovinz“, eine „Trutzburg gegen den israelischen Feind“, der – so implizierte Assad – Syriens Stabilität zu untergraben trachte. Hingegen hatten israelische Politiker und Kommentatoren in den vergangenen Tagen tief besorgt über die Ereignisse im Nachbarland Assad als ihren „liebsten“ arabischen Diktator bezeichnet, dessen Sturz unabsehbare Folgen haben könnte.
Während Assad nach traditioneller Methode arabischer Despoten (der gestürzte ägyptische tat es ebenso, wie der libysche, jemenitische und der König Bahrains) die Ursache für die Unruhe äußeren Kräften zuschob, gestand er immerhin die Berechtigung einiger Reformforderungen der Demonstranten ein, die sich jedoch von subversiven äußeren Kräften hätten manipulieren lassen.
Es war ein sorgfältig inszenierter Auftritt, bei dem sich Assad in der wohl kritischsten Stunde seiner elfjährigen Präsidentschaft als unerschütterlich stark zu präsentieren suchte, nicht zu beeindrucken durch die Turbulenzen der Region, sowie diplomatischen Druck von außen. Während seiner relativ kurzen Rede flimmerten über die Bildschirme Szenen von Massendemonstrationen, bei denen Hunderttausende in mehreren syrischen Städten Dienstag „Gott, Syrien und nur Bashar“ gebrüllt hatten. Dazu Assads Korrktur: „Gott Syrien und nur das Volk.“ So bekräftigte Assad seine Loyalität zur syrischen Bevölkerung und die Entschlossenheit zum Dialog über alle Arten von Reformen. Er gestand ein, dass Reformversprechungen, die er bereits 2005 gemacht habe, aufgrund äußerer Entwicklungen (Irak- und Libanon-Krise insbesondere) aufgeschoben werden mussten, jetzt aber energisch in die Tat gesetzt würden. Nur einmal erwähnte er allerdings kurz die Notstandsgesetze, über deren Aufhebung beraten würde.
Diese Gesetze aus dem Jahr 1963 bilden die Basis für die syrische Diktatur. Ihre abrupte Aufhebung könnte das Schicksal des Regimes besiegeln. Wenn er, wie die Demokrastie-Aktivisten fordern, Rede- und Versammlungsfreiheit gestattet und die zahllosen mächtigen Geheimdienste auflöst, wird der Ruf nach Freiheit, einem Ende der systemimmanenten Korruption dramatisch anschwellen. Wenn er politischen Pluralismus zulässt, werden die Syrer bei den vier für dieses Jahr geplanten nationalen und regionalen Wahlen das Machtmonopol der Baath brechen. Starke Kräfte im Regime wehren sich deshalb entschieden gegen solche Schritte.
Assads Rede stieß Mittwoch auf gegensätzliche Reaktionen. Während unabhängige Syrer auf der einen Seite sich in ihrer Hoffnung, dieser junge Präsident werde das Land tatsächlich mehr und mehr liberalisieren, bestärkt fühlen und zugleich die enormen Hindernisse, auf die er stößt, anerkennen, zeigen sich andere, insbesondere in Deraa bitter enttäuscht und zutiefst empört. „Er sprach nicht über Syrien, über irgend ein anderes Land“, wetterte ein durch die Zahl der Toten und schwer Verwundeten aufgebrachter Arzt in der Stadt. Assads Versprechen, dass die Sicherheitskräfte auf keine Demonstranten mehr schießen würden, reicht den schockierten Menschen nicht. “Wir werden weiter protestieren“, betonte der Mediziner, der seinen Namen nicht zu nennen wagt.
Die Facebook-Bewegung „Revolution 2011“, die die Serie von Demonstrationen vom Zaum gebrochen hatte, rief für kommenden Freitag alle „freien Menschen Syriens“ zu Sitzstreiks im ganzen Land auf. In welchem Ausmaß dieser Appell befolgt und welche Reaktion der Sicherheitskräfte er auslösen wird, sollte Aufschluss darüber geben, ob die Syrer Assad noch eine Gnadenfrist für die Durchsetzung von Reformen setzen wollen und können.
Mittwoch, 30. März 2011
SYRIEN: Assad beschwört „Einheit der Syrer“
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