Eine neue Regierung soll Assads Ernsthaftigkeit beweisen – Hunderttausende demonstrieren für den Präsidenten
von Birgit Cerha
Vor dem Hintergrund von Massendemonstrationen zur Unterstützung von Präsident Bashar el-Assad wartet Syrien auf die von einem hohen Vertreter des Regimes zugesagte Bildung einer neuen Regierung. Die Regierung trat Dienstag zurück. Assad erfüllte damit eine wichtige Forderung der der Demokratie-Bewegung, die zunehmend die Barriere der Furcht durchstoßt und dafür große Opfer in Kauf nimmt. Mehr als 130 Menschen wurden in den vergangenen zehn Tagen nach Angaben von Aktivisten bei brutalen Attacken der Sicherheitskräfte auf friedliche Demonstrationen getötet. Und dies, obwohl Assad Gewaltlosigkeit des Regimes zugesagt hatte.
Proteste gegen das Regime hatten sich in den vergangenen Tagen vom Süden, wo sie begonnen hatten, auf Damaskus, die wichtige Hafenstadt Latakia und andere Landesteile ausgebreitet. Doch, vom Regime dazu aufgerufen, brüllten Dienstag Hunderttausende Syrer in den Straßen von Damaskus und anderen Städten, Bilder des Präsidenten in die Höhe schwenkend: „Die Menschen wollen Bashar“ und „Kein Konflikt zwischen den Religionsgruppen, kein Bürgerkrieg.“ Ungeachtet aller Repressionen hegen viele Syrer immer noch Hoffnung, dass Bashar das Land endlich reformieren werde.
Blutige Zusammenstöße in Latakia hatten am Wochenende die latente Angst vor gewaltsamen Konflikten in diesem Land heraufbeschworen, wo die alawitische Minderheit von kaum zwölf Prozent mit Härte und Brutalität seit fast fünf Jahrzehnten über die sunnitische Mehrheit herrscht. Das Damoklesschwert einer Wiederholung von Hama, wo das Regime 1981 einen Aufstand der (sunnitischen) Moslembrüder barbarisch niederschlug (an die 20.000 Menschen starben) hängt seither über der Bevölkerung. Brutale Attacken von Sicherheitskräften auf friedliche Demonstranten in der südlichen Stadt Deraa, die in der Vorwoche mehr als hundert Tote gefordert hatten, zerstreuten unter der Bevölkerung jede Zweifel, dass das Regime weiterhin seine Macht mit allen Mitteln verteidigen will.
Verzweifelt bemüht, einen Ausweg aus der schwersten Krise seiner elfjährigen Amtszeit zu finden, erscheint Bashar nun entschlossen lange angekündigte Reformen endlich in die Tat zu setzen und weiterzuführen. Das Parlament soll noch Dienstag abend ein Paket billigen und eine neue Regierung soll den Neuanfang besiegeln. Als Signal der tatsächlichen Veränderung wurden nun 260 politische Gefangene aus dem berüchtigten Saydnaya Gefängnis nördlich von Damaskus – überwiegend Islamisten und 14 Kurden – freigelassen – das größte bisherige Zugeständnis an die Demokratie-Aktivisten, die Freiheit für alle – Tausende – politische Häftlinge fordern.
Mit Hochspannung warten die Syrer, ob Bashar in einer bereits angekündigten Rede die Aufhebung der fast 50-jährigen Notstandsgesetze verkündet, die den autokratischen Charakter der Assad-Dynastie zementierten, Meinungs- und Versammlungsfreiheit verhindern und willkürliche Verhaftungen , wie die Überwachung persönlicher Kommunikation ermöglichen.
Das Verhalten des Regimes in den vergangenen zehn Tagen – aktive und verbale Konzessionen an die Demonstranten durch den Präsidenten, bei gleichzeitig blutiger Niederschlagung von Demonstrationen lässt auf schwere Auseinandersetzungen zwischen Assad und seinen Beratern und den Hardlinern an der Spitze des Staates schließen. Eine starke Gruppe im Regime ist davon überzeugt, dass auch nur die kleinsten Lockerungen den Sturz der alawitischen Herrschaft und vielleicht blutige Rache der so lange von der Macht ferngehaltenen sunnitischen Mehrheit einleiten werde. Gegen diese Hardliner konnte sich Bashar, der immer wieder Liberalisierungen versprochen hatte, bisher nicht durchsetzen. Wenn es ihm diesmal gelingt, besitzt er die Chance, sich längerfristig die Macht zu erhalten.
Dienstag, 29. März 2011
Syrer warten auf entscheidende Reformen
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