Donnerstag, 31. März 2011

LIBYEN: Gadafis „Bote des Todes“

Libyens abgesprungener Außenminister Musa Kusa ist Träger der grausigsten Geheimnisse des Diktators

von Birgit Cerha

Er war gefürchtet in Libyen als der „Höchste Boss der Henker“ und man gab ihn den schaurigen Spitznamen „Bote des Todes“. Nur wenige glauben, dass die Gründe, die den libyschen Außenminister Musa Kusa, sich nun von Muammar Gadafi zu distanzieren und nach London zu flüchten, edel sein können. Die Achtung von Menschenleben zählte nicht zu den Vorzügen dieses in den USA ausgebildeten Soziologen, der lange als „die rechte Hand“ des Diktators gegolten hatte. Er ist der Prominenteste aus dem Kreis um Gadafi, der sich seit Beginn der Rebellion abgesetzt hat. Seine Entscheidung nährt die Hoffnung der Gegner des Diktators, dass das Regime von innen auseinander bricht.
Zum erstenmal trat Kusa ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit, als er kurz nach seiner Ernennung zum libyschen Missionschef in London 1979 nicht nur offen seine Bewunderung für die irischen Terroristen der IRA bekundete, sondern in einem Interview mit der Londoner Times im Namen des „Libyschen Volksbüros“ die Ermordung von zwei libyschen Oppositionellen auf britischem Boden ankündigte. Die „Revolutionskomitees“ hätten dies beschlossen und „ich stimme der Entscheidung zu“, da diese Leute „gegen unsere Revolution“ gearbeitet hätten. Kusa wurde darauf hin zur „persona non grata“ erklärt. Zahlreiche libysche Dissidenten, darunter auch ein BBC-Journalist, wurden in den 80er Jahren in England und anderen europäischen Staaten ermordet und Kusa dürfte dafür weitgehend die Verantwortung tragen. Denn nach seiner Rückkehr nach Libyen übernahm er die Leitung des Auslandsgeheimdienstes, der für die Unterstützung von Guerillagruppen der Dritten Welt – ein besonderes Anliegen Gadafis – und zahlreicher Terrororganisationen verantwortlich war und den er 16 Jahre lang leitete. Er trug lange die Hauptverantwortung für Exekutionen und Folterungen an politischen Gegnern, insbesondere aus Ost-Libyen.

Kusa gilt auch als der „Vater von Lockerbie“, dem schlimmsten Terrorakt auf britischem Boden, bei dem durch eine Bombe in einer Pan Am-Maschine, die über der schottischen Stadt Lockerbie 1988 explodierte, 270 Menschen ums Leben kamen. Ebenso soll er der Drahtzieher eines Anschlags auf ein französisches Passierflugzeug, UTA 772 gewesen sein, das 1989 über Niger abstürzte und 170 Menschen das Leben kostete.

Später erwies sich Kusa als kluger Diplomat und äußerst geschickter Unterhändler. So war er es gewesen, der nach Jahrzehnten der Isolation die erneute Integration Libyens in die internationale Gemeinschaft leitete, in engen Verhandlungen mit den USA Gadafis Verzicht auf ein Programm zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen bekräftigte, eine Entscheidung, die schließlich zur Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen Libyen führte. Ebenso leitete Kusa Verhandlungen für Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe an die Opfer von Lockerbie und des UTA-Anschlags, sowie für die Überstellung des wegen des Lockerbie-Attentats verurteilten Libyer Abdelbaset Ali Mohamed al-Megrahi aus einem schottischen Gefängnis nach Libyen im August 2009. Kusa wurde wegen der Planung von Terrorakten im Westen aber nie formell angeklagt.

Lange einer der wichtigsten Vertrauten Gadafis, soll der Diktator den Außenminister, jüngst jedoch aus dem innersten Kreis seines Regimes ausgestoßen haben. Der BBC-Journalist John Simpson, der Kusa getroffen hatte, ist davon überzeugt, dass sein Stern schon länger verblasst ist. So habe der Diktator dem Lockerbie-Deal misstraut, ihn für schlecht gehalten und nur widerwillig den libyschen Part erfüllt. Auch mit einem von Gadafis Söhnen soll es zu einem Streit mit Kusa gekommen sein. Anzeichen von schweren Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Diktator und seinem Außenminister verstärkten sich, nachdem der Weltsicherheitsrat vor zwei Wochen Militäraktionen gegen Gadafis Streitkräfte gebilligt hatte. Gadafi schwor unmittelbar vor einer Großoffensive auf Benghazi den Rebellen „keine Gnade“ zu schenken, während Kusa wenig später einen Waffenstillstand verkündete. Nach Augenzeugenberichten zitterten seine Hände, als er von der Notwendigkeit sprach, Libyens Wirtschaft, soziale Infrastruktur und die Zivilbevölkerung zu schützen.

Dass das Volk ihn hasst, wie Gadafi, kann für Kusa kein Geheimnis sein, ebenso wenig kann er sich sicher sein, dass der zunehmend bedrängte Diktator sich nicht gewaltsam auch gegen ihn wendet.

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