„Zuckerbrot“ aber auch eine wesentlich vergrößerte „Peitsche“ soll die Rebellion vom Königreich fernhalten
von Birgit Cerha
Er galt lange als Reformer im saudischen Königreich. Nun - verängstigt durch die Demokratieströmungen in der arabischen Welt, insbesondere jene in Bahrain, direkt vor den Toren seines eigenen Wüstenstaates - schwenkt der 86-jährige kränkelnde König Abdullah voll auf die Seite der Hardliner in diesem Staat, in dem die Al-Sauds in Allianz mit den Ulemas (Religionsgelehrten) der puritanisch-fundamentalistischen Wahabiten die Monarchie vollends beherrschen. Um Saudi-Arabien von der rebellischen Demokratie-Strömung abzuschirmen bot der Monarch in einer seltenen Fernsehansprache an sein Volk Freitag den Untertanen reichlich „Zuckerbrot“ an.
Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen öffnete der Monarch, dessen Staat über Auslandsreserven von mehr als 400 Mrd. Dollar verfügt, die Schatullen weit und versuchte seine Bürger durch soziale Vergünstigungen in Milliardenhöhe zu beglücken. Erstmals setzte er einen Mindestlohn für Staatsangestellte von umgerechnet 800 Dollar im Monat fest, Arbeitslose erhalten höhere Zuschüsse, 500.000 neue Wohneinheiten im Wert von 67 Mrd. Dollar sollen errichtet werden und das Königshaus will die Gesundheitsversorgung verbessern. Bereits im Februar hatte der König den Saudis Vergünstigungen im Wert von 37 Mrd. Dollar versprochen.
Doch zugleich setzt Abdullah auf erbarmungslose Härte gegenüber Reformern und all jenen, die sich im Protest gegen das Königshaus und dessen Politik in die Straßen wagen sollten. Nachdem er seit Jahren eine – wiewohl zaghafte – politische Öffnung dieser absoluten Monarchie versprochen hatte, ist davon nun keine Rede. Weder vollzog er die lange erwartete Umbildung der Regierung, in der die Al-Saud-Prinzen alle wichtigen Positionen bekleiden, noch erwähnte er irgendwelche politischen Reformen. Vielmehr nahm er zu scharfen Worten Zuflucht. Die Sicherheitskräfte des Landes würden auf all jene „losschlagen“, von denen sie „glauben“, dass sie die Sicherheit und Stabilität des Königreiches untergraben. Um diese Absicht noch effizienter als bisher in die Tat zu setzen, soll Militär- und Sicherheitskräfte um 60.000 Mann aufgestockt werden. Zugleich versprach er auch die Einsetzung eines Anti-Korruptions-Komitees.
Besonders irritiert Oppositionskreise aber die mit ungewöhnlich starker religiöse Sprache versetzte Rede des Königs, der bis heute den wahabitischen Ultras eher ferner gestanden war. Erst vor wenigen Tagen hatten die Ulemas Proteste als „unislamisch“ verdammt. Nun entschloß sich der König, die verhassten Mutawas, (die wild zuschlagende Sittenpolizei) finanziell wesentlich zu stärken. Die Botschaft ist klar: Nicht der leiseste Dissens wird geduldet.
Massive Sicherheitsvorkehrungen hatten am 11. März verhindert, dass Massen frustrierter Saudis dem über Internet und Facebook verbreiteten Aufruf von Aktivisten zu Demonstrationen gefolgt waren. Allerdings kam es in der Schiitenregion im ölreichen Osten des Königreiches mehrmals zu kleineren Solidaritätsbezeugungen mit den in Bahrain protestierenden Glaubensbrüdern, die durch direkte saudische Militärintervention massiv in Bedrängnis gerieten.
In ersten Reaktionen zeigten sich Demokratie-Aktivisten über Twitter bitter enttäuscht über die Rede des Königs. Kurzfristig wird der Monarch mit „Bestechung“, wie es die saudische Analytikerin Mai Yamani nennt, und unerbittlicher Härte sein Volk ruhig zu halten vermögen. Doch das Risiko einer starken Radikalisierung der Opposition wird damit immer größer.
Freitag, 18. März 2011
Saudischer König verteilt Milliarden von Dollar
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