Montag, 21. März 2011

„Langsamer Coup“ gegen Präsident Saleh


Nach Massaker an friedlichen Demonstranten verliert Jemens autokratischer Führer einige der wichtigsten Stützen seines Regimes


von Birgit Cerha

Während die Weltöffentlichkeit gebannt auf Libyen und Japan blickt, haben sich in den vergangenen Tagen im Jemen die Proteste gegen Präsident Ali Abdullah Saleh dramatisch zugespitzt. Jemenitische Beobachter sprechen von einem „langsamen Coup“, der das Schicksal des autokratischen Herrschers nach zwei Monaten friedlicher Proteste besiegeln wird.

Die Situation für den bedrängten Staatschef eskalierte Montag, als mehrere führende Armee-Kommandanten Saleh ihre weitere Unterstützung verweigerten und den protestierenden Demokratie-Aktivisten Hilfe und Schutz versprachen. Besonders einschneidend für den Präsidenten ist die Entscheidung eines seiner engsten Vertrauten, des mächtigsten Mannes im Militär, General Ali Muhsin al-Ahmar, der die 1. Bewaffnete Division kommandiert. Seiner Entscheidung, die „Jugendrevolution“ mit „friedlichen“ Methoden zu unterstützen, folgten rasch zwei weitere Generäle, die das „Fehlen eines Dialogs und die Unterdrückung friedlicher Demonstranten“ für die „umfassende und gefährliche Krise“ des Landes verantwortlich machen. „Ali Mohammed öffnete die Schleusentore“, meint ein Beobachter. Die Stütze des Regimes bröckelt.

Tausende Jemeniten, zutiefst frustriert über die 32-jährige autokratische Herrschaft Salehs, die weitverbreitete Korruption, Vettern- und Misswirtschaft, die das Armenhaus Jemen an den Rand eines „gescheiterten Staates“ trieb, waren im Januar dem tunesischen und ägyptischen Beispiel gefolgt und versuchen seither durch konsequente friedliche Demonstrationen demokratische Reformen durchzusetzen. Sie zwangen Saleh zunächst auf eine Präsidentschaft auf Lebenszeit, wie die Nachfolge für seinen Sohn zu verzichten. Er verspricht, 2013 abzutreten. Doch von einer demokratischen Öffnung, einer neuen Verfassung, einem Kampf gegen Korruption will der Präsident ebenso wenig wissen, wie von einem Dialog mit der von einer Jugendbewegung geführten Protestbewegung.

Die entscheidende Wende für Saleh kam jedoch vergangenen Freitag, als Anhänger des Präsidenten in zivil in die friedlich demonstrierende Menge in Sanaa schossen, 50 Menschen töteten und Hunderte verletzten. Ob Saleh selbst den Befehl zu diesem Massaker gegeben hatte, ist unklar. Er vermochte jedoch durch eine anschließende Rede, in der er die Opfer als „Märtyrer für die Demokratie“ würdigte und jede Verantwortung für das Blutbad zurückwies, die aufgebrachte Bevölkerung nicht zu beschwichtigen. Am Wochenende setzte aus Protest gegen die Brutalitäten eine Rücktrittswelle ein, die zunächst drei Minister und mehrere Diplomaten, wie zahlreiche andere hohe Beamte des Regimes erfasste. Um einer für ihn äußerst peinlichen Resignation seines ganzen Kabinetts zuvorzukommen, entließ Saleh Sonntag die Regierung. Die Proteste im Militär aus dessen Reihen der einstige General kam und das seither die wichtigste Stütze seiner Macht war, treffen den Präsidenten am härtesten. Alle drei Generäle gehören dem mächtigen Haschid-Stamm Salehs an, der ebenso wie hohe Geistliche am Wochenende den Rücktritt des Präsidenten forderte.

„60 Prozent der Armee ist nun mit der Protestbewegung verbündet“, meint Hakim Al Masmari, Chefredakteur der „Yemen Post“. „Für Saleh ist das Spiel aus.“ Noch hat der Präsident allerdings die hochtrainierten und gut ausgerüsteten Republikanischen Garden auf seiner Seite, da diese von seinem Sohn kommandiert werden. „Wir stehen nun in der Mitte zwischen zwei militärischen Kräften – die eine, die sich den Demonstranten angeschlossen hat und die andere, die noch unter Salehs Autorität steht“, meint Gabul al Mutawakil, einer der jungen Aktivisten. „Die Angst vor einem Bürgerkrieg wächst, aber wir bestehen auf einer friedlichen Revolution.“

Indem er sich in kritischer Stunde von Saleh distanzierte, versucht sich General Muhsin als neuer starker Mann des Jemen zu positionieren und gleichzeitig das Ausscheiden der engsten Familienmitglieder Salehs aus höchsten Posten in den Sicherheitskräften und in der Administration zu betreiben, den Angehörigen des mächtigen Stammeskonföderatioin aber weiterhin ihre privilegierte Stellungen, die sie dem Präsidenten verdanken, zu erhalten. Wie Saleh, gilt auch Mushin im Jemen als korrupt und wird deshalb wohl von der Demokratie-Bewegung abgelehnt.

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