Ein zunehmend einsamer Präsident Saleh klammert sich an die Macht – Das Militär ist gespalten, Vermittlungsversuche scheitern
von Birgit Cerha
Gerüchte von einem Militärputsch schwirren durch Sanaa, auf den Straßen der jemenitischen Hauptstadt halten Panzer und bewaffnete Soldaten Positionen, die Angst vor einem Bürgerkrieg steigt, während eine Allianz von Reformaktivisten, die seit Januar in der Hauptstadt hartnäckig Veränderung fordert, sich auch von einem am Wochenende verhängten Ausnahmezustand nicht von weiteren Demonstrationen gegen Präsident Ali Abdullah Saleh abschrecken lässt.
Die Allianz aus Islamisten, reformhungrigen Studenten, Sozialisten und erzkonservativen Stammesführern, die nur der Sturz des Diktators und die Ahnungslosigkeit über die Gestaltung des „neuen Jemen“ eint, lehnte Dienstag den jüngsten Kompromissvorschlag des massiv bedrängten Präsidenten ab. „Die kommenden Stunden sind entscheidend“, erklärte Mohammed al-Sabry, Sprecher der Oppositionsbewegung. Deshalb wolle man von Salehs Vorschlag, nach von ihm organisierten Parlamentswahlen bis Januar 2012 von der Macht abzutreten, nichts wissen. Bisher hatte Saleh darauf beharrt, erst nach Ablauf seiner Amtsperiode 2013 von der Politik auszuscheiden.
„Wir stehen felsenfest, wie die Berge von Nukum und Ayban (die höchsten Gipfel um Sanaa), und die Mehrheit des Volkes ist für Sicherheit und Stabilität“, also für den Präsidenten, bekräftigte Saleh Dienstag seine unerschütterliche Entschlossenheit, im Amt auszuharren, und dies, obwohl er nach einem Massaker an friedlichen Demonstranten vergangenen Freitag fast seinen gesamten Rückhalt in Politik und Militär verloren hat. Nach dem Rücktritt von Ministern, der Entscheidung von drei hohen Generälen und zahlreichen einflussreichen Militärkommandanten, die Opposition und nicht mehr den Präsidenten zu unterstützen, kann sich Saleh militärisch nur noch auf seinen Verteidigungsminister General Mohammed Nasser Ali stützen, sowie auf seinen Sohn und Neffen, die die Elitetruppe der Republikanischen Garden, den Geheimdienst kommandieren. Das Militär, Salehs wichtigste Hausmacht, ist gespalten, auch wenn der Verteidigungsminister Dienstag die Treue der Streitkräfte „zum Staat, zur politischen Führung und zu Bruder Präsdient Ali Abdullah Saleh“ beschwor.
Mit seiner Entscheidung, künftig die friedliche Oppositionsbewegung zu unterstützen, hatte General Ali Mohsen al-Ahmar, ein Verwandter des Präsidenten und jahrzehntelang enger Vertrauter, Salehs Schicksal entscheidend gewendet. Der General ist der zweitmächtigste Mann in den Streitkräften , andere Offiziere und viele Soldaten folgten ihm und bezogen mit Panzern zum Schutz der Demonstranten Stellung in den Straßen Sanaas, während Panzer der Republikanischen Garden den Präsidentenpalast und einige andere wichtige Gebäude des Staates umstellten.
Ahmar hatte sich Montag offiziell von Saleh distanziert, in der Hoffnung, offenbar mit saudischer Vermittlung einen „würdevollen Abtritt“ des Präsidenten zu erreichen. Der General liebäugelte wohl mit einer ägyptischen Lösung, in der er nach dem Ausscheiden Salehs und dessen engster Familie eine zentrale Rolle spielen, gleichzeitig aber die Privilegien und Machtpositionen seines Clans erhalten würde. Doch Saleh klammert sich weiter an die Macht und die Oppositionsbewegung würde sich durch Ahmars Szenario um die Früchte ihrer Revolution betrogen fühlen, da die Machtelite und damit der Status quo erhalten blieben. Zudem ist Ahmar für die demokratiehungrige Jemeniten inakzeptabel, eng verflochten mit dem korrupten System, gilt er selbst als zutiefst korrupt und steht den erzkonservativen Islamistenströmung der saudischen Wahabiten nahe. Von demokratischen Werten dürfte der General wenig halten.
Viele Jemeniten befürchten nun, da sich Saleh an die Macht klammert und große Teile der Armee sich von ihm distanzieren, dass der Jemen erneut, wie mehrmals in seiner Geschichte in einen Bürgerkrieg versinken könnte.
Dienstag, 22. März 2011
JEMEN: Im Jemen wächst die Angst vor einem Bürgerkrieg
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