Demokratiebewegung zielt auf den gefürchteten Sicherheitsapparat – Ehemaliger Innenminister vor Gericht
von Birgit Cerha
Schritt für Schritt setzt Ägyptens Demokratiebewegung weitere Forderungen durch. Ihr Donnerstag zum neuen Premier ernannte Wunschkandidat - der langjährige Kritiker Ex-Präsident Mubaraks Essam Scharaf – holte Sonntag den ehemaligen Gouverneur von Minya, General Mansour El-Essawy als Innenminister ins neue Kabinett. Damit wird Schritt für Schritt Mubaraks „alte Garde“ zunächst einmal in der Regierung ersetzt. Die Führer der Demokratiebewegung hatten das Ausscheiden des erst Anfang Februar von Mubarak ernannten Innenministers gefordert, weil er zum engen Kreis des gestürzten Diktators zählte.
Zugleich konzentrieren sich nun kleinere, aber hartnäckige Gruppen von Protestierenden im ganzen Land auf nun auf den gefürchteten Sicherheitsapparat des alten Systems, dessen Zerschlagung sie entschieden fordern. Sprecher der Aktivisten weisen darauf hin, dass die Geheimdienste auch seit dem Abtritt Mubaraks unverändert aktiv seien und sich auf den Schutz von Vertretern des alten Regimes sowie auf die Sabotage der Revolution konzentrierten. Erzürnte Vertreter der Demokratiebewegung stürmten am Wochenende Geheimdienstzentralen in Alexandria, Kairo und mehreren anderen Städten des Landes, nachdem Informationen durchgesickert waren, dass Sicherheitsbeamte Archive in Brand gesteckt, Stöße von Dokumenten vernichtet hätten. „Sie wollen Chaos verbreiten“, meint ein Aktivist und vor allem auch aus Sorge vor evtl. künftigen Prozessen Beweise für Folter und andere Menschenrechtsverletzungen beseitigen. In Alexandria suchten stürmende Demonstranten vergeblich nach Gefangenen, fanden nur leere Räume mit Folterwerkzeugen und einen Keller voller Waffen.
Seit Verhängung des Kriegsrechts vor 30 Jahren der Sicherheitsapparat mit rund 100.000 Angestellten und einem riesigen Netz an Informanten wegen seiner Brutalitäten gefürchtet. Doch seit Beginn des Anti-Terrorkrieges 2001 haben die Beamten ihre Foltermethoden und willkürlichen Verhaftungen dramatisch verschärft. Keineswegs nur politische Gefangene oder mutmaßliche Terroristen, doch sogar Kleinkriminelle werden systematisch brutal misshandelt. Der neue Premier und sein Innenminister versprachen eine grundlegende Reform der Sicherheitsdienste, die künftig – so Scharaf – „den Bürgern dienen“ sollten.
Als Symbol für die besondere Brutalität der Herrschaft Mubaraks gilt der noch vom Ex-Präsidenten Ende Januar abgelöste Innenminister General Habib al Adly, der bisher einzige hohe Repräsentant des Regimes, der verhaftet wurde. Er erschien am Wochenende vor Gericht, um sich wegen Korruption und Geldwäsche zu verantworten und bekannte sich in allen Fällen für „unschuldig“ Der Prozeß wurde auf Anfang April vertagt. Die Anklage erfüllte aber nicht die Hauptforderungen Hunderttausender Demonstranten, Adly wegen krasser Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen. Dem Es-Innenminister wird weithin vorgeworfen, er hätte während der friedlichen Demonstrationen gegen Mubarak bewusst Vandalismus und Chaos provoziert und Befehl zur Tötung von Protestierenden erteilt – ein Vorwurf, den der Ex-Innenminister zurückweist.
Sonntag, 6. März 2011
ÄGYPTEN: Mubaraks „alte Garde“ tritt langsam ab
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