von Birgit Cerha
Demokratiebewegung setzt Rücktritt des Premiers der „alten Garde“ durch – Doch das Militär stärkt seine Macht
(Bild: Essam Scharaf)
Drei Wochen nach dem Sturz des ägyptischen Diktators Mubarak errang die Demokratiebewegung einen weiteren wichtigen Sieg. Nach Gesprächen mit Vertretern der Opposition verkündete das Oberkommando der Streitkräfte, das in einer Übergangszeit die höchste Regierungsgewalt ausübt, den Rücktritt des ehemaligen Luftwaffengenerals Ahmed Schafik. Mubarak hatte Schafik noch rasch Ende Januar zum Premierminister ernannt, in der Hoffnung, damit die über sein Regime erzürnten Massen zu beschwichtigen. In Wahrheit aber galt Schafik als wichtiger Vertreter der „alten Garde“, eng mit dem autokratischen und korrupten Regime verknüpft. Sein Ausscheiden aus der Regierung zählte zu den zentralen Anliegen der Demokratiebewegung.
„Wir sind auf dem richtigen Weg“, kommentierte Mohammed el-Baradei, einer der wichtigen Sprecher der säkularen Reformer, Donnerstag die Entscheidung des Militärrats. Schafiks Nachfolger, der ehemalige Transportminister (2004 bis 06) und Universitätsprofessor Essam Scharaf gilt als Wunschkandidat der Opposition. Der 59-jährige Zivilingenieur, der zuletzt an der Kairoer Universität unterrichtete, hatte sich in den vergangenen Wochen den Massenprotesten am Kairoer Tahrir-Platz angeschlossen und unter den Demonstranten viel Sympathie gewonnen. Er soll nun ein ziviles Kabinett bilden und die Reformer hoffen, dass andere Schlüsselfiguren der Mubarak-Ära, wie die bisherigen Verteidigungs-, Justiz- und Außenminister ersetzt werden. Denn der vom Militärrat beschlossene Übergang zur Demokratie verlöre – so das Argument der Opposition – an Glaubwürdigkeit, wenn er von Vertretern des alten autokratischen Systems geleitet und überwacht werde.
So rasch Ägyptens freiheitshungrige Massen sich auch ihres Diktators entledigten, so langsam setzen nun die erhofften Veränderungen ein. Deshalb ist die Opposition entschlossen, den „Druck der Straße“ aufrecht zu erhalten. Immerhin hatte die Drohung eines für heute, Freitag, angekündigten Sitzstreiks der Millionen im Zentrum Kairos Wirkung gezeigt. Diese Aktion wurde nun nach dem Rücktritt Schafiks abgeblasen. Dennoch soll weiter für Demokratie demonstriert werden. Denn viele Forderungen bleiben bisher unerfüllt, wie die Auflösung des Staats-Sicherheitsapparats, die Freilassung aller politischen Gefangenen, Prozesse gegen die Verantwortlichen an der vom Mubarak-Regime organisierten „Schlacht der Kamele“, d.h. Attacken gegen Demonstrierende, bei denen unzählige Menschen ums Leben kamen, sowie die Aufhebung des seit 30 Jahren herrschenden Kriegsrechts.
Ungeachtet der wohlwollenden Position, die die Armee während der wochenlangen Revolution gegenüber den Demonstranten eingenommen hatte, trauen viele Oppositionelle den demokratischen Absichten des Militärrats nicht. ‚So stellt etwa der angesehene amerikanische Think-Tank „Stratfor“ fest: „Zwar ist Mubarak gegangen, doch das militärische Regime, in dem er diente, hat dramatisch seine Macht ausgeweitet.“
Nach einem Plan des Militärrats soll bis August die Macht an eine neue zivile Führung übergeben werden, die aus Parlaments- und Präsidentschaftswahlen hervorging und deren wichtigste Aufgabe es sein wird, eine neue demokratische Verfassung zu erarbeiten. Doch Oppositionsführer und angesehene Juristen, wie Tarek el Bishri, der gegenwärtig eine Komitee zur Verfassungsänderung leitet, befürchten, dieser all zu kurze Zeitplan werde der teilweise immer noch führerlosen Demokratiebewegung nicht die Chance lassen, sich zu formieren, um sich im Wahlkampf effektiv zu präsentieren. Dieses Szenario könnte „einen neuen Mubarak“ hervorbringen, warnt Bishri. Kräfte des alten Regimes sind immer noch sehr stark präsent und zeigen keinerlei Bereitschaft, sich kampflos zurückzuziehen.
Baradei und andere Vertreter der Demokratiebewegung fordern kritisieren vor allem auch den Plan des Militärrates, Präsidentschaftswahlen vor Parlamentswahlen abzuhalten, denn auf diese Weise könnte die „alte Garde“ ihre Macht konsolidieren, da das gegenwärtige Parlament von Mubaraks „Nationalen Demokratischen Partei“ fast vollständig dominiert wird.
Im Land herrscht viel Verwirrung und Unsicherheit. Der Demokratiebewegung fehlt es an Führern und einer klaren Strategie und viele glauben erste Anzeichen von „dunklen Machenschaften“ aus dem Kreis Mubaraks in dessen Aufenthaltsort Scharm el Scheich zu erkennen, die Macht für seine Anhänger zurück zu erobern.