Dienstag, 25. Januar 2011

LIBANON: Hisbollah stärkt ihre Macht im Libanon

Schlauer Schachzug der „Partei Gottes“ vertieft die Kluft zwischen den Fraktionen im Levantestaat und könnte Israel bedrohlich provozieren

von Birgit Cerha

Kaum war einer der reichsten Männer des Mittleren Ostens, Najib Mikati, vom Parlament in Beirut zum neuen Premier gekürt, da verbrannten wütende Gegner in Beirut, Tripoli und Sidon schon seine Konterfeis. Doch der „Tag des Zornes“, zu dem der unterlegene Kandidat für das Amt des Regierungschefs, Saad Hariri, seine Anhänger für Dienstag gerufen hatte, konnte an der drastischen Verschiebung der Machtverhältnisse im Libanon nichts ändern. „Verrat“ brüllten Demonstranten, „das Blut der Sunniten kocht“ und sie bezichtigten die politischen Gegner unter Führung der schiitischen Hisbollah, einen „Putsch“ gegen Hariris (pro-westliche) Mehrheitsgruppierung inszeniert zu haben. Mustafa Alloush, enger Verbündeter des Ex-Premiers, versuchte mit mäßigem Erfolg, noch mehr Demonstranten auf die Straßen zu treiben, damit diese ihrem Widerstand gegen „persische Bevormundung“ bekundeten.

Wiewohl Mikati energisch seine politische Unabhängigkeit bekundete, ist er Hisbollahs Kandidat, der seinen Abstimmungssieg im Parlament dem Allianzwechsel des langjährigen Hariri-Verbündeten, Drusenführer Walid Dschumblatt, verdankt. Dschumblatt hatte sich entschlossen, ungeachtet langjähriger Animositäten gegen die Schiitenorganisation, Hisbollah zu unterstützen, weil er in einer Beendigung aller Beziehungen zum Internationalen Tribunal zur Aufklärung des Mordes von Ex-Premier Rafik Hariri 2005 die einzige Chance sieht, den Libanon vor einem erneuten Bürgerkrieg zu bewahren.

Es war die Weigerung Saad Hariris gewesen, die Kooperation mit dem Tribunal, das vor einer Woche erstmals Anklage gegen des Mordes Verdächtige erhoben hatte, einzustellen, die Hisbollah-Chef Nasrallah zum Auszug aus der Koalitionsregierung und damit zum Sturz Hariris bewogen hatte. Die Identität der Angeklagten wird erst in wenigen Wochen veröffentlicht, doch alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es sich um Hisbollah-Mitglieder handelt. Nasrallah weist jegliche Verwicklung in das Attentat entschieden zurück und betrachtet eine Anklage als schweren Imageschaden und von Israel, wie den USA inszeniertes Komplott, um seine Organisation zu vernichten.

Indem sich Hisbollah einen Verbündeten an der Spitze der Regierung sicherte, gelang es ihr, ihren steten Aufstieg von einer Widerstandsgruppe zu politischer Macht im Libanon zu krönen. Nach dem Krieg mit Israel 2006 hatte sie zwei Jahre später gewaltsam die Kontrolle über die Straßen Beiruts an sich gerissen. 81 Menschen waren dabei ums Leben gekommen und sie verärgerte mit derartig gefährlicher Militanz auch viele Anhänger. Deshalb und um den Libanon vor dem erneuten Ausbruch eines Bürgerkriegs zu bewahren, setzte Nasrallah verstärkt auf politische Manöver, um seine, wie die Interessen seiner syrischen und iranischen Verbündeten durchzusetzen.

Nun versucht sich Nasrallah, seinen Gegnern als verantwortungsbewusster Politiker zu präsentieren, vor allem auch durch die Wahl Mikatis. Dieser Ökonom und Absolvent der Harvard-Universität, der laut Forbes-Magazin durch sein gemeinsam mit seinem Bruder geführtes Business-Empire über ein Vermögen von 2,5 Mrd. Dollar verfügen soll, ist Sunnit, wie es der die Macht im Libanon regelnde Nationalpakt für das Amt des Premiers vorsieht. Er gilt als relativ neutrale Persönlichkeit, akzeptabel für die wichtigsten Regionalmächte, Syrien und Saudi-Arabien, wie auch Frankreich. Die USA hingegen zeigten sich beunruhigt über seine Bindungen an Hisbollah.

„Ich bin ein gemäßigter Mann, ein gemäßigter Politiker“, betonte Mikati Dienstag und bekräftigte seine politische Unabhängigkeit. „Ich habe es akzeptiert, Premierminister zu werden, nicht um Probleme zu schaffen, sondern um diese zu lösen.“ Ob er rasch Nasrallahs Wunsch erfüllen und alle Bindungen zum Tribunal abbrechen wird, ließ er vorerst offen.

Auch Hariri rief Dienstag seine Anhänger zur Besonnenheit auf, wohl bewusst, dass der Libanon erneut am Rande eines Bürgerkrieges steht. Dennoch lehnte er das Angebot Nasrallahs zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit ab, da er sich nicht der Dominanz von Hisbollah beugen wolle. Manche seiner Verbündeten, wie der Maronitenführer Samir Geagea, befürchten, dem Libanon werde nun ein „Schicksal wie jenes von Gaza“ drohen. US-Regierungsvertreter hätten nach einem Bericht von „Asharq al Awsat“ bereits mit der Einstellung der Finanzhilfe gedroht. Und schon wird in Beirut die Befürchtung laut, Hisbollahs Manöver spiele Israel in die Hände. Die Regierung Netanyahu suche nur nach einem Vorwand, um Rache an Hisbollah für ihre militärische Niederlage im Krieg 2006 zu üben.

Bild: Najib Mikati

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