Mittwoch, 26. Januar 2011

Ägypter durchstoßen die Barriere der Furcht

von Birgit Cerha

Regime Mubarak ist entschlossen, Proteste mit Brutalität zu ersticken – Doch lässt sich der „tunesische Bazillus“ abtöten?

Der „tunesische Bazillus“, der Diktator Ben Ali zum Verhängnis wurde, breitet sich aus. Der „Tag des Zornes“, zu dem junge Ägypter das Volk an dem die verhassten Sicherheitskräfte ehrenden Nationalfeiertag, den 25. Januar, gerufen hatten, erwies sich vielleicht nicht als der Beginn einer Intifada (Rebellion), die das Regime Mubarak schon bald zu Fall bringen könnte. Dennoch wird er in die die jüngere Geschichte Ägyptens eingehen. Denn erstmals seit vielen, vielen Jahren stand selbst das höchste Aufgebaut an Sicherheitskräften Zehntausenden, ja vielleicht Hunderttausenden frustrierten und wütenden Ägyptern in den Straßen der Städte des Landes hilflos gegenüber. Wiewohl erwartet, konnten sie die Massendemonstration nicht verhindern und schlugen in altberüchtigter Brutalität zu. Mindestens vier Menschen starben und unzählige flüchteten nach Augenzeugenberichten blutüberströmt heim. Dennoch wagten sich auch Mittwoch wieder erboste Menschen in Kairo und Suez in die Straßen, entschlossen nach den Worten eines der Demonstranten, „endlich Nein“ zu sagen. „Revolution, Revolution, wie ein Vulkan“, lautet einer der Slogans.


Auch Alaa al-Aswany, der Autor des Bestselles „Yacoubian Building“, der korrupte Politiker, Polizeibrutalität und Terror in Ägypten porträtiert, hatte sich den Protestierenden angeschlossen und stellte beeindruckt fest: „Sie haben die Barriere der Furcht durchstoßen“ Immer wieder bekunden Demonstranten ihren durch das Vorbild der Tunesier neu gefundenen Mut und die Bereitschaft für ein besseres Leben und für die Freiheit auch ihr Leben zu riskieren.

Aswany kritisiert regimetreue Medien, die wiederholt Parallelen zu Tunesien zurückweisen. Zu ihren Argumenten zählt vor allem die Tatsache, dass es in Tunesien Vertreter einer breiten Mittelschicht gewesen waren, die sich gegen ihren Despoten erhoben hatten. In Ägypten hingegen fehlt diese Schichte, gehört die Masse der Unzufriedenen den Bitterarmen an, von denen große Zahlen von einem vom Regime – bewusst, wie Kritiker meinen – vernachlässigten Bildungssystem nicht erfasst wurden. „Doch diese jungen Leute“, schwelgt Aswany, „haben bewiesen, dass sie sich energisch für ihre Rechte einsetzen können“. Fast die Hälfte der 80-Millionen-Bevölkerung lebt unter oder knapp über der von der UNO mit zwei Dollar im Tag festgesetzten Armutsgrenze. Armut, Arbeitslosigkeit und rasant angestiegene Lebensmittelpreise stellen das Regime Mubarak vor schwere Probleme in einer Zeit in der wachsende Spannungen zwischen den Muslimen und der koptischen Minderheit im Land Ägypten auch noch dramatisch zusetzen.

Das Regime reagiert auf den erwachenden Mut der so lange eingeschüchterten Bevölkerung mit altbewährter Methode: Repression und Gewalt. Mindestens 500 Demonstranten wurden bisher verhaftet. Öffentliche Versammlungen würden künftig nicht mehr toleriert, verkündete das Innenministerium. Und jeder, der es wagt in den Straßen gegen das Regime zu agieren, wird strafrechtlich verfolgt. Das seit Mubaraks Machtübernahme vor drei Jahrzehnten herrschende Kriegsrecht ermöglicht massive Repressionen, die Zerschlagung auch nur der kleinsten Protestkundgebungen, die Verfolgung politisch Andersdenkender. Eine sich mehr und mehr entwickelnden Zivilgesellschaft versucht seit Jahren sich gegen solche Unterdrückungsmethoden zu wehren. Bisher vergeblich. Hemmungslose Folter und Erschießungen friedlicher Demonstranten durch die Sicherheitskräfte haben die Menschen über die Jahre radikal eingeschüchtert. Bis zu 10.000 Ägypter schmachten nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen ohne Anklage in den Gefängnissen des Landes.

Mit dieser Strategie hat sich Mubarak auch jegliche Opposition vom Leib gehalten. Selbst die Massenbewegung der Moslembrüder wagt es nicht, dem Diktator offen zu widerstehen. Seit Jahren werden ihre Mitglieder immer wieder in großen Zahlen inhaftiert und gefoltert. Aus Angst, sie könnten zum Sündenbock für Unruhen am „Tag des Zorns“ gestempelt werden, hatte die Bruderschaft auch nicht zur Teilnahme an den Protesten am 25. Januar aufgerufen, eine Haltung, die ihre viele Aktivisten verübeln. Tatsächlich beschuldigt das Regime die Moslembrüder nun, die Menschen, die sich Dienstag gegen Mubarak erhoben hatten, aufgehetzt zu haben.

In Wahrheit waren es aber die Sozialnetzwerke – Facebook und Twitter - , die wie in Tunesien Zehntausende Menschen zum Protest zusammengetrommelt hatten. Sie wurden Mittwoch offenbar vom Regime blockiert. Wie in Tunesien, sind Ägyptens Protestler führerlos und sind die politischen Parteien nicht in der Lage, sich durch diese neue Bewegung zu stärken. Die Bilder erinnern ein wenig an den Iran des Jahres 2009, wo das Regime monatelange Massenproteste mit ungeheurer Brutalität schließlich niedergeschlagen hat.

Hosni Mubarak muß der Hass, der ihm in den Straßen seines Reiches entgegenschlägt schockieren. Doch in den Grundfesten erschüttern wird er das Regime – zumindest noch lange – nicht. Die Armee steht – im Gegensatz zu jener Tunesiens – fest hinter dem Diktator und dieser weiß die Supermacht USA unerschütterlich hinter sich. Das Regime sei stabil, stellte US-Außenministerin Hillary Clinton für das strategische Denken der USA beruhigend fest, auch wenn Freiheit und Menschenrechte auf der Strecke bleiben.

Bildquelle: BBC

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen