von Birgit Cerha
Die deutsche Bischofskonferenz hatte vergangenen September abrupt beschlossen, die angesehene katholische Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ mit Ende November einzustellen. Eine Rumpfversion mit religiösen und kirchlichen Themen wird ab Jänner 2011 als Beilage in „Die Zeit“ erscheinen.
Trägerinnen des RM waren bisher acht deutsche Bistümer sowie – zu einem geringen Anteil – auch die Bischofskonferenz als Dachorganisation aller 27 deutschen Diözesen.
Mit der Entscheidung zur Einstellung dieser in Bonn erscheinenden Zeitung hatten sich offenbar die konservativen Mitglieder der Bischofskonferenz durchgesetzt, denen das Blatt schon seit Jahren als zu liberal und eigenständig ein Dorn im Auge gewesen war. Offiziell heißt es allerdings, ökonomische Gründe – ein Defizit und sinkenden Leserzahlen – hätten den Ausschlag gegeben. Im „Rheinischen Merkur“ geäußerte Kritik an einer Kultur systematischen Verschweigens und Vertuschens der Kirche in Zusammenhang mit jahrelangen Missbrauchskandalen an Schulen hat u.a. konservative Bischöfe zuletzt so erboßt, dass sie eine fast 65-jährige Tradition wertkonservativer Publizistik abrupt beendeten.
Der Fall ruft das traurige Schicksal eines anderen großen publizistischen Projekts der katholischen Kirche Deutschlands in Erinnerung, dem konservative Bischöfe ebenfalls den Todesstoß versetzt hatten: die intellektuell anspruchsvolle Wochenzeitung „Publik“. Sie war 1968 von der Katholischen Kirche in Deutschland gegründet worden und sollte die Idee einer erneuerten Kirche symbolisieren, die sich im Aufbruch befindet und einen offenen Dialog mit der gesamten Gesellschaft führt. Bereits nach drei Jahren hatten sich die konservativen Kräfte in der Bischofskonferenz durchgesetzt und diese reformorientierte und liberale Stimme 1971 zum Schweigen gebracht. Empörte Leser schlossen sich darauf hin zusammen und finanzierten „Publik-Forum“, eine 14-täglich erscheinende, kirchenunabhängige Zeitung, die bis heute einen Leserkreis unter Katholiken, aber auch Protestanten halten konnte und ein eindrucksvolles Beispiel von Basisinitiative setzte.
Nach zehnjähriger Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Merkur durfte auch ich einen Abschiedsbeitrag in der letzten Ausgabe schreiben, den sie nun lesen können
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Ein schmerzlicher Abschied
Mein letzter Beitrag für den RM kann nur ein persönlicher sein. Es ist ein Abschied, der für mich das schmerzliche Ende einer Etappe besiegelt. Ihren Niedergang habe ich in drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondentin für mehr als ein Dutzend deutschsprachiger Zeitungen miterleiden müssen. Der RM hat mir die berufliche Befriedigung geschenkt, die mir der Untergang seiner Leidensgenossen (vier angesehener Wochenzeitungen) geraubt hatte.
Der Wochenzeitungsstil, wie ihn der RM pflegte, hat sein Publikum, das ein Recht und einen Anspruch auf diese Form der fundierten, erklärenden und analysierenden Berichterstattung gerade in einer Zeit des gravierenden Niveauverlusts der Medien besitzt. Der dekrediterte Untergang dieser Zeitung reißt in der Medienlandschaft eine nicht zu schließende Lücke auf. Beispiele beweisen dies: Nach einem Jahrzehnt weinen wissbegierige Bürger im Internet immer noch der alten schweizer „Weltwoche“ (einst RM-Kooperationspartner) nach, für die sie keinen Ersatz finden.
Was mir persönlich am RM und seinem Team solche Freude machte, war neben der sachlichen Kompetenz die Ernsthaftigkeit im Umgang mit wahrhafter Berichterstattung, dem Bemühen, auch „die andere Seite“ darzustellen - leider auch im demokratischen Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass ich bei meiner Berichterstattung über die arabische/islamische Welt bei als seriös geltenden (Tages-) Publikationen die Schere der Zensoren mehrmals scharf zu spüren bekam, bis sie in einem Fall gar eine 15-jährige Zusammenarbeit durchtrennte. Ich habe solches Opfer für die Meinungsfreiheit mit Stolz getragen. Umso mehr aber habe ich die Zusammenarbeit mit dem Team des RM genossen. Den Kollegen sei dafür von Herzen gedankt und den Entscheidungsträgern, die dem RM den Todesstoß versetzten, zugleich meine tiefe Empörung bekundet, dass sie – wiewohl eine starke Institution - gerade in Zeiten der Krise darauf verzichten, auf kompetente, seriöse und gefällige Weise Bildung, demokratische und ethische Werte in einer Weise zu verbreiten, die ihre Glaubwürdigkeit stärkt.
Samstag, 20. November 2010
Was die katholische Kirche von Meinungsfreiheit hält
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