Ahmadinedschad schürt mit seinem demonstrativen Besuch des Libanons schwere interne Konflikte, sein Hauptmotiv aber ist die Flucht vor der Unpopularität daheim
von Birgit Cerha
Er hofft wohl sehnsüchtig auf den Jubel von Anhängern, der ihm in seiner iranischen Heimat seit vielen Monaten versagt bleibt. Und sein treuer Bündnispartner Hassan Nasrallah, Chef der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, trommelt seit Tagen eifrig seine Anhängerschar zusammen, um Mahmud Ahmadinedschad in Beirut einen begeisterten Empfang zu bereiten. Ob der von israelischen Attentatsplänen verfolgte Nasrallah sich dabei zum erstenmal seit mehr als zwei Jahren persönlich an die Öffentlichkeit wagt, bleibt vorerst Spekulation.
Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass ein iranischer Präsident heute, Mittwoch, zu einem Staatsbesuch libanesischen Boden betritt. Der Besuch ist spektakulär, heizt Emotionen auf, positive und negative, im Libanon, im Iran, in den Nachbarstaaten, insbesondere in Israel, aber auch darüber hinaus. Die Regierung in Washington fühlt sich gezwungen, ihre Bürger vor möglichen Gewaltakten zu warnen. Und für die Sicherheit des von im Libanon stationierten Al-Kaida-Terroristen bedrohten Gast übernimmt die vom Iran ausgestattete und trainierte Hisbollah die Sicherheit. Sicherheitskräfte des libanesischen Staates bleiben wohl im Hintergrund.
Ahmadinedschad wird von einer hochrangigen Delegation von Ministern, Parlamentariern und Geschäftsleuten begleitet. Und er will sich als der große Gönner des kleinen, schwer bedrängten Levantestaates präsentieren, der im geostrategischen Denken iranischer Islamisten vom Schlage des Präsidenten eine ganz entscheidende Position einnimmt. Aktive Unterstützung bei der Förderung von jüngst entdeckten Energiequellen an der Mittelmeerküste will Ahmadinedschad ebenso anbieten, wie Hilfe bei der äußerst mangelhaften Energieversorgung des Landes (die in der Vergangenheit wiederholt durch israelische Militärattacken unterbrochen wurde) und hochfliegenden Plänen, wie dem Bau von Industriestädten. Vor allem aber will Irans Präsident die libanesischen Armee großzügig mit Waffen aufrüsten, nachdem der US-Kongress jüngst jede militärische Unterstützung aus Sorge darüber gestoppt hatte, dass Militärgeräte in die Hände der Hisbollah für deren Kampf gegen Israel geraten.
Doch der Libanon steckt wegen der erwarteten Anklage von Hisbollah-Mitgliedern, die der Mittäterschaft am Mord von Ex-Premier Rafik Hariri und 22 anderen Libanesen 2005 beschuldigt werden, in einer schweren internen Krise. Ahmadinedschad wird seinem schiitischen Verbündeten demonstrativ den Rücken stärken und damit die Spannungen im Land aufheizen. Seit Tagen attackieren Verbündete des Premiers Saad Hariri - des von Saudi-Arabien, Irans Erzrivalen in der Region, unterstützten Sohns des Ermordeten -Ahmadinedschads Reisepläne als „provokativ“ und die Bevölkerung ist gespalten.
Kaum mehr als ein Drittel der Libanesen sind Schiiten und vielleicht nur die Hälfte von ihnen unterstützt aktiv Hisbollah. „Der Rest der Vier-Millionen-Libanesen fragt sich, ob Ahmadinedschad als Freund kommt oder als Eroberer“. Die Antwort sieht Fadia Kiwan, Politologin der Beiruter „Saint Joseph“ Universität, in der Tatsache, dass Hisbollah fast totale militärische und politische Vormachtstellung im Libanon genießt. Sie erachtet die Frage als entscheidend, ob„Ahmadiunedschad bei seinem Besuch Unterstützung für den Libanon bekunden“ werde, oder ob er plane, „libanesisches Territorium als Sprungbrett für seine eigenen Interessen“, etwa im Konflikt über das iranische Atomprogramm, zu nützen.
Der Besuch des Iraners ist auch nach objektiven Kriterien in mehrfacher Hinsicht provokativ. Offiziell geht es Ahmadinedschad darum, die „Widerstandsfront gegen Israel“ zu stärken, und dies gerade zu einem Zeitpunkt, da sich Washington verzweifelt um die Rettung von Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern bemüht. Demonstrativ will der offiziell den Holokaust leugnende Iraner, der sich immer wieder für die Zerstörung Israels ausspricht, libanesische Grenzdörfer zu Israel besuchen und dort am „Fatima“-Grenzübergang Donnerstag symbolisch auch Steine werfen und bei einer Massenkundgebung in Hisbollahs Süd-Beiruter Hochburg deren „Verdienste“ preisen.
Dem Drängen seines syrischen Verbündeten Assad, angesichts der eskalierenden Spannungen in der Levante den Besuch doch lieber aufzuschieben, hatte Ahmadinedschad kein Gehör geschenkt. Denn nicht die Stärkung der iranischen geostrategischen Position, in der Hisbollah eine entscheidende Rolle einnimmt, ist die Hauptmotivation seiner Reise. Daheim durch eine Massenopposition, noch mehr aber durch mächtige Konservative im Regime bedrängt, sucht Ahmadinedschad verzweifelt nach Beweisen für seine Popularität. In Libanons Schiitenvierteln fliegen ihm ehrlich Herzen zu, voll Dankbarkeit darüber, dass der Iran jahrelang soziale Unterstützung und insbesondere nach den massiven Zerstörungen im Krieg der Israelis gegen die Hisbollah 2006 entscheidende Wideraufbauhilfe geleistet hatte. ‚“Wir verdanken dem Iran unser Überleben. Er hat uns mehr geholfen als der libanesische Staat“, fasst ein schiitischer Kaufmann im südlibanesischen Bint Jbeil weitverbreitete Emotionen zusammen. Der durch wachsende Animosität daheim tief verwundete Ahmadinedschad hofft wohl durch solche Dankbarkeit seine schwer angeschlagene Position im Iran ein wenig zu stärken, gleichgültig, welchen Preis die Libanesen dafür bezahlen müssen.
Bilquelle:
Dienstag, 12. Oktober 2010
IRAN:„Freund oder Eroberer?“
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