Samstag, 4. September 2010

NAHOST: Israeli und Palästinenser reden in Washington

Mehr Friedensverheissungen als Friedensaussichten

von Dr. Arnold Hottinger

Neue direkte Gespräche zwischen Palästinensern und Israeli haben
unter amerikanischem Vorsitz gestern in Washington begonnen. Die
Amerikaner sind entschlossen, diesem diplomatischen Anlass maximale
Publizität zu gewähren. Die beiden Hauptgesprächspartner wurden
weltweit im Fernsehen vorgezeigt, unter amerikanischer Obhut von
Aussenimisterin Clinton. Sie sollen sich mit Obama treffen und auch zu
einem Essen im Weissen Haus eingeladen werden zusammen mit König
Abdullah von Jordanien und Präsident Husni Mubarak von Ägypten. In
zwei Wochen sollen sie dann weiter reden, und in weiteren zwei Wochen
noch einmal.
Es war von vorneherein deutlich, dass Obama und seine Regierung
diese „Friedensgespräche“ durchführen wollten. Die beiden
Kontrahenten, die Frieden zu schliessen hätten, liessen sich nur mit
Mühe von dem übermächtigen Vermittler, Amerika, an den
Verhandlungstisch ziehen. Der Grund dafür ist, dass sie wissen: ihre
Positionen sind so weit voneinander entfernt, dass es kaum eine
Möglichkeit gibt, zu einer Übereinkunft zu gelangen. Man verhandelt –
wie nun schon seit 17 Jahren – über eine Zweistaatenlösung. In den
Augen der Palästinenser müsste ihr Staat, die 23 Prozent Palästinas
umfassen, die seit 1967 unter israelischer militärischer Besetzung
stehen. Dazu gehörte auch Ostjerusalem. Die israelische
Rechtsregierung unter Netaniyahu ist aber der Meinung, Jerusalem
gehöre ihr, und in dem besetzten Westjordangebiet, wo inzwischen fast
eine halbe Million Israeli -rechtswidrig – angesiedelt wurden, wolle
sie weitere Siedlungen bauen. Die Kontrolle über die Grenzen des zu
gründenden „palästinensischen Staates“ wolle sie ausüben, wie auch die
Verfügung über das lebenswichtige Wasser. Eine Rückkehr der
vertriebenen Palästinenser nach Israel, woher sie vertrieben wurden,
oder nach den Westjordangebieten komme nicht in Frage.

Beiden Seiten ist es fast unmöglich, von ihren nun schon
„historischen“ Positionen abzurücken. Schon weil beide unter dem Druck
ihrer eigenen Extremisten stehen. Im Fall von Netanyahu sind sie an
der Regierung beteiligt. Ihr Ausscheiden, würde diese zu Fall bringen.
Im Fall der Palästinensischen Autorität sind sie mächtige politische
Rivalen, die in Gaza die Macht ausüben und im Westjordanland ihren
Einfluss durch Terroranschläge dokumentieren. Ihre Glaubhaftigkeit für
die Palästinenser nimmt zu, weil Mahmud Abbas bisher keinen
palästinensischen Staat erhandeln konnte.

Nur starker amerikanischer Druck auf Israel, die stärkere der beiden
Verhandlungsparteien, die durch die militärische Besetzung alle Karten
in ihrer Hand hält und daher auch die meisten Konzessionen zu machen
hätte, könnte den Verhandlungen zu einem Resultat verhelfen. Doch
dieser Druck wird nicht stattfinden. Obama hat darauf verzichtet, ihn
auszuüben. Warum? – Er mag viele Gründe haben. Einer der sichtbarsten
sind die auf November dieses Jahres bevorstehenden Parlamentswahlen in
Amerika. Seine Wahlberater sind der Ansicht, Druck auf Israel und der
dann zu gewärtigende Gegendruck der berühmten Israel Lobby AIPAC
(American Jewish Public Affairs Committee), einer der
einflussreichsten, die es in Washington gibt, würden sich katastrophal
für die Demokraten auf das zu erwartende Wahlresultat auswirken.
Weil er keinen Druck ausüben will oder kann, hat Obama den Ausweg
eines weithin sichtbaren Verhandlungsdramas gewählt, einer „Photo
Opportunity“, ja einer Soap Opera vor dem Fernsehen der Welt. Dies
vermittelt den amerikanischen Wählern und auch der Aussenwelt den
Eindruck, es geschehe doch etwas in der die ganze Weltpolitik
belastenden Frage des Dauerstreits zwischen Israeli und
Palästinensern. Die Belastung kommt daher, dass der bittere
Jahrhundertstreit um das Heilige Land sich zunehmend auf die Haltung
aller Muslime der Welt auswirkt.

Im Juni 2009 hatte Obama in seiner grossen Rede in Kairo
versprochen, er werde den erhofften Frieden voranbringen. Es geschah
nichts, aber nun sieht es so aus, als ob etwas geschehe - immerhin
über den kritischen Wahltermin vom nächsten November hinweg. Denn es
soll ja, wie bereits vorgegeben, „nicht länger als ein Jahr“ dauern,
bis die beiden Verhandlungspartner den erhofften Frieden zustande
bringen – oder, wie es den heutigen Voraussetzungen nach mit nur zu
grosser Sicherheit zu erwarten ist, einmal mehr scheitern.

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