Innerhalb des iranischen Regimes verschärft sich der Machtkampf – Auch ein geschwächter Khamenei ringt um seine Autorität
von Birgit Cerha
Irans offizielle und halboffizielle Medien sind nun – einen Tag nach der Verwirrung um einen angeblichen Attentatsversuch auf Präsident Ahmadinedschad, voll auf Linie eingestimmt. Es war nicht eine „Attacke“, wie das Präsidentenamt zuerst gemeldet hatte, sondern ein in überschwänglicher Begeisterung über den Präsidentenbesuch gezündeter Feuerwerkskörper, der nahe Ahmadinedschads Konvoi in Hamedan zur Explosion gekommen war. Alle anderen Versionen sind aus den Medien verschwunden.
Unterdessen sind unabhängige Analysten zu der Ansicht gelangt, dass der Zwischenfall vom Mittwoch in Zusammenhang mit einem sich stetig verschärfenden Machtkampf als Folge der manipulierten Präsidentenwahlen im Vorjahr steht.Und dabei spielt die reformorientierte „grüne“ Opposition ebenso wenig eine Rolle, wie die alten Feinde der Teheraner Herrscher, die „Volksmudschaheddin“, die in den frühen 80er Jahren fast die ganze islamische Führung ermordet hatten. Hauptkontrahenten sind die pragmatischen Konservativen, im Volksmund „Prinzipalisten“ genannt. Führende Politiker dieser Fraktion, darunter vorrangig Parlamentspräsident Ali Laridschani, der einflussreiche Abgeordnete Ahmad Tavakoli und der der ehemalige Kommandant der Revolutionsgarden und Präsidentschaftskandidat im Vorjahr, Mohsen Rezai, schlossen sich zur Führung einer „Vereinten Front“ gegen Ahmadinedschad zusammen. Hauptstrategie ist, den „Geistlichen Führer“ Khamenei, der sich seit einem Jahr uneingeschränkt hinter den Präsidenten gestellt hat, davon zu überzeugen, dass Ahmadinedschads radikale und polarisierende Politik die Stabilität der „Islamischen Republik“ ernsthaft gefährdet und er sich deshalb von ihm distanzieren solle.
Laridschani, Sohn eines Ayatollahs, der enge Beziehungen zur hohen islamischen Geistlichkeit unterhält, ist es offenbar gelungen, seine neue Front durch führende Gottesmänner zu stärken, die seit den massiven Repressionen als Folge der Wahlproteste im Vorjahr tiefes Unbehagen gegenüber dem Präsidenten, aber auch Khamenei empfinden. Besonders erzürnt hat viele Geistliche Anfang Juni eine Gedenkfeier für Revolutionsführer Khomeini, bei der dessen Enkel Hassan von Ahmadinedschads Anhängern brutal an einer Rede gehindert wurde. Hassan Khomeini, der weithin Respekt genießt, hatte sich offen den Protesten gegen die Präsidentschaftswahl angeschlossen.
Laridschani und seine Gesinnungsgenossen quält die Sorge, den Säuberungen reformorientierter Politiker und Intellektueller, die die iranischen Gefängnisse füllen, könnten ähnliche Aktionen gegen die „Prinzipalisten“ folgen, um die Macht der radikalen Autokraten um Ahmadinedschad auch langfristig zu zementieren. Da das Maximalziel – Sturz Ahmadinedschads – kaum zu erreichen sein dürfte, erstreben sie eine entscheidende Schwächung der Position des Präsidenten, um in drei Jahren die Wahl eines der ihren zu sichern. Nicht Ideologie, die grundsätzliche politische Ausrichtung der „Islamischen Republik“ ist hier die Frage, sondern schiere Macht.
Zugleich lassen Khameneis jüngste Manöver erkennen, dass auch der „Geistliche Führer“ um seine Autorität fürchtet. So sah er sich jüngst genötigt, eine eigene „Fetwa“ (islamisches Rechtsgutachten) zu erlassen, in dem er, dem laut Verfassung ohnedies die höchste Macht im „Gottesstaat“ zusteht, dem Volk unbedingten Gehorsam befiehlt. In den vergangenen Wochen hatten mehrere Ayatollahs in Briefen an ihn offen seine Qualifikation zur Führung der „Islamischen Republik“ infrage gestellt.
Ein weiterer Hinweis auf die Schwächung seiner Position lässt sich aus der Entscheidung Khameneis erkennen, 60 „Freitagsprediger“ in Pension zu schicken. Das ist die größte personelle Veränderung dieser Institution seit Gründung der „Islamischen Republik“ 1979. Die Freitagsprediger, die Khamenei direkt unterstehen, besitzen seit der Revolution enormen politischen Einfluss.
Bildquelle: http://www.porttakal.com
Donnerstag, 5. August 2010
IRAN: Neue Front gegen Ahmadinedschad
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