Donnerstag, 12. August 2010

IRAK: Al Kaida versucht ein Come-back im Irak

Anhaltendes Machtvakuum eröffnet Extremistengruppen neuen Aktionsraum, während US-Truppen ihren Abzug vorantreiben

von Birgit Cerha


Nur zwei Wochen bevor die USA die geplante Truppenreduktion im Irak von 140.000 auf 50.000 Mann abgeschlossen haben, gesteht der neue Kommandant der US-Einheiten, General Higgins, offen ein: Extremistengruppen „sind sehr lebendig. Die „Zellen-Struktur der al-Kaida im Irak“ sei immer noch „weitgehend intakt“. Ab September werden die unterdessen mit US-Hilfe auf 650.000 Mann aufgestockten irakischen Sicherheitskräfte für die Herstellung der Ruhe allein verantwortlich sein. Die verbleibenden amerikanischen Einheiten stehen ihnen lediglich mit Rat und Training zur Seite und werden nur in Sonderfällen , gemeinsam mit den Irakern, Anti-Terror-Aktionen durchführen.

Doch ernste Zweifel bestehen an der Effizienz der irakischen Sicherheitskräfte. Sie seien in einigen Aspekten für ihre Mission bereit, in anderen „weisen sie absolute Schwächen“ auf, meint Joost Hiltermann, Irak-Experte der International Crisis Group. Ihre Operationsfähigkeit gegen Terroristen sei recht zufrieden stellend, jedoch nicht die Logistik und besondere Schwäche wiesen sie im Geheimdienst-Sektor auf, wo esan Koordination zwischen den verschiedenen Diensten und der korrekten Auswertung von Informationen mangle. Vor allem aber verfügen die Iraker über keine Luftwaffe.

Unter der Bevölkerung wächst unterdessen wieder die Nervosität. Nicht nur ist sieben Jahre nach Kriegsende die Stromversorgung immer noch nicht ausreichend gesichert, um die nötige Erleichterung in der brütenden Sommerhitze zu schaffen. Die Gewalt zeigt wieder alarmierend steigende Tendenz. Juli war der blutigste seit zwei Jahren. Experten weisen darauf hin, dass Al-Kaida dank erfolgreicher Anti-Terror-Kampagnen nicht mehr wie früher zu koordinierten Selbstmordattentaten in der Lage ist dennoch aber fast täglich zuschlagen.

Wie erwartet, nützen die Widerstandsgruppen das Machtvakuum, in das die Unfähigkeit der irakischen Politiker, sich nach den Parlamentswahlen im Februar zur Bildung einer Regierung zu einigen, das Land gestürzt haben. Ihr Ziel ist es, die Bevölkerung insbesondere Bagdads massiv einzuschüchtern, um sie von der in den vergangenen acht Monaten so erfolgreichen Kooperation mit den Sicherheitskräften abzuschrecken. Die Extremisten versuchten, „die amtierende Regierung und die Sicherheitskräfte zu diskreditieren“, um wieder verstärkt in Bagdad und anderen Regionen Fuß zu fassen, erläutert der stellvertretende Kommandant der US-Truppen im Zentralirak, General Baker. Die Entscheidung der Bagdader Verkehrspolizei, künftig Kalaschnikows zu tragen, nachdem zwölf ihrer Beamten in einer Woche ermordet worden waren, untermauert solche Behauptung.

Besonders beunruhigt eine intensive Werbekampagne der Al-Kaida unter ihren einst abgesprungenen arabisch-sunnitischen Verbündeten. Diese etwa 100.000 Mann zählenden „Söhne des Iraks“, hatten anfänglich mit Al-Kaida gekämpft, dann jedoch die Seiten gewechselt, mit US-Unterstützung ihre Waffen gegen Al-Kaida gerichtet und entscheidend zu einem Abflauen der Gewalt beigetragen. Sie erhielten Waffen und Geld zunächst von den USA und sollten seit mehr als einem Jahr von der irakischen Regierung weiter bezahlt und in die Streitkräfte bzw. die Bürokratie integriert werden. Doch diese Zusagen werden bis heute nicht eingehalten. Viele „Söhne des Iraks“ sind frustriert, fürchten um ihre Existenz und lassen sich deshalb durch finanzielle Lockungen der Al-Kaida oft willig abwerben, dies umso mehr, als sie zunehmend zwischen die Fronten gerieten: auf der einen Seite Al-Kaida, die Rache für den „Verrat“ übt, auf der anderen die von Schiiten dominierte amtierende Regierung, die diesen einstigen sunnitischen Kämpfern nicht traut.

Dramatisch verschärft wird die Situation durch den Zank der Politiker, die auch in sieben Monaten einer Lösung der Regierungskrise nicht näher kamen. Der knappe Wahlsieger, die von Sunniten unterstützte „Iraqiyya“ träumt immer noch von einer Regierung unter Führung ihres laizistischen Schiiten Allawi, vielleicht in Koalition mit der pro-iranischen „“Irakischen Nationalen Allianz“ (INA). Diese würde aber – unter massiven Einfluss Teherans – einen Bund mit der „Rechts-Staats-Partei“ vorziehen, allerdings ohne deren Chef und bisherigen Premier Maliki. Dieser hingegen will von Rückzug aus der Politik nichts wissen und die von den Amerikanern bevorzugte Variante – Koalition zwischen Allawi und Maliki – erscheint bisher diesen beiden Erzrivalen undenkbar. Eine Kompromisslösung wird wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen und danach kann es immer noch Monate dauern, bis eine funktionierende Regierung auf den Beinen steht.

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