Inmitten eskalierender Drohungen von allen Seiten und gigantischen Aufrüstungsplänen treibt Teheran sein Atomprogramm voran – Doch Washington versucht zu beschwichtigen
Die Menschheit sei an einem gefährlichen Kreuzpunkt angelangt. Vorbereitungen für einen Angriff auf den Iran hätten ein „fortgeschrittenes Stadium“ erreicht. Hi-Tech-Waffensysteme, darunter auch Atomsprengköpfe stünden voll einsatzbereit. Vorbereitungen für einen „Dritten Weltkrieg“ liefen auf Hochtouren, warnt die in Kanada stationierte unabhängige Forschungsgruppe „Global Research“. Tatsächlich steigt im Mittleren Osten die Hochspannung. Ein Bericht der New York Times, nach dem die US-.Regierung Israel davon überzeugt habe, dass der Iran mindestens ein weiteres Jahr für die Entwicklung einer Atomwaffe benötige können die Wogen der Nervosität kaum glätten.
Unabhängige Diplomaten und Militärexperten sind ohnedies seit längerem davon überzeugt, dass die „Islamische Republik“ noch Jahre benötige, um eigene Atomwaffen zu produzieren. Die Gefahr werde instrumentalisiert, um die aufsteigende iranische Regionalmacht zurückzudrängen und einzuschüchtern.
Dennoch: die Kriegsgefahr wächst. Zwar beschwichtigen diplomatische Kreise, Israel habe sich von den Amerikanern von der Notwendigkeit überzeugen lassen, der Diplomatie und der jüngst in Kraft getretenen vierten Sanktionsrunde gegen den Iran noch eine Chance zu geben. Immerhin äußert Irans Präsident Ahmadinedschad wieder verstärkt den Wunsch nach einem Dialog mit den USA und andere Hardliner, wie Mohammed-Javad Laridschani, Berater des „Geistlichen Führers“ Khamenei, deuten gar offen die Möglichkeit an, „wenn notwendig, werden wir mit dem Teufel (USA) in der feurigen Höhle der Hölle“ verhandeln. Zugleich aber stehen die Zeichen auf Sturm. Heute, Samstag, soll das erste iranische Atomkraftwerk in Betriebe gehen. Ein Sprecher der russischen Atomenergiebehörde verkündete, die Bestückung des von den Russen fertig gestellten Reaktors Bushehr mit Brennstoff solle nun begonnen werden. Bis zur völligen Inbetriebnahme werde es allerdings noch etwa zehn Wochen dauern. Laut iranischer Atomenergiebehörde sollen insgesamt 165 Brennstäbe installiert werden. Die erste Kernspaltung in der 1000-Megawatt-Anlage soll Anfang Oktober erfolgen. Bushehr, das unter Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gebaut wurde, steht jedoch nicht im Zentrum des Atomstreits zwischen Teheran und der internationalen Gemeinschaft.
Kern des Konflikts ist ein eigenes iranisches Programm zur Urananreicherung, das Teheran entschlossen vorantreibt. So verkündete der Chef der iranischen Atomorganisation, Ali Akbar Salehi eben, dass – ungeachtet des Sanktionsdrucks – mit dem Bau der ersten von zehn geplanten Uran-Anreicherungsanlagen spätestens Anfang nächsten Jahres begonnen werden solle.
Solch stolze Entschlossenheit steigert wachsende Ängste auf der arabischen Seite des Persischen Golfs. Dort zeigen Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erstmals offen ihre Bereitschaft, sich selbst militärischen Aktionen zum Stopp eines befürchteten iranischen Atomwaffenprogramms anzuschließen. Am Golf befürchtet man weniger, dass der Iran Nuklearwaffen tatsächlich einsetzen könnte, sondern dass ihn deren Besitz vielmehr dazu ermutigen werde, weit aggressiver als bisher seine Dominanz über die Region herzustellen. Immerhin beherbergen fast alle arabischen Golfstaaten schiitische Minderheiten, die im Konfliktfall mit Teheran sympathisieren könnten.
Die wachsende Unsicherheit hat einen gigantischen Rüstungswettlauf vom Zaum gebrochen. So haben die Saudis ein Waffenpaket – das größte in der Geschichte der USA – in Höhe von 60 Mrd. Dollar in Washington bestellt, Abu Dhabi kauft neue amerikanische und französische Kampf-Jets und Kuwait 200 amerikanische Abwehrraketen. Zugleich brüstet sich der Iran seiner höchst effizienten heimischen Rüstungsindustrie. Verteidigungsminister Vahidi verkündete den Produktionsbeginn eines Langstrecken-Raketen Verteidigungssystems und droht zugleich mit der Bereitschaft, Israel zu zerstören, sollte es einen Angriff auf iranische Atomanlagen wagen. Und die Revolutionsgarden, so einer ihrer Sprecher, hielten sich bereit, „überall in der Welt energisch der Dummheit der amerikanischen und zionistischen Regime zu begegnen“.
Wenig glaubwürdige Gerüchte, Saudi-Arabien hätte Israel die Erlaubnis erteilt im Falle eines Angriffs auf den Iran über saudisches Hoheitsgebiet zu fliegen, und von Riad allerdings heftig dementierte Berichte der iranische Nachrichtenagentur Fars, die israelische Luftwaffe hätte militärische Geräte in der saudischen Wüste, nahe der Grenze zu Jordanien, gelagert, heizen die Spannungen auf. „Gulf Daily“ meldete, Israel hätte Kampfflugzeuge in Georgien und Aserbaidschan stationiert, um aus größerer Nähe leichter den Nord-Iran zu attackieren. Und selbst Al-Kaida schließt sich der Hysterie an. Deren stellvertretende Führer im Jemen, Said al Shehri erklärte eben in einer Audionachricht die Bereitschaft, sich einem „von den Juden gegen den Iran“ begonnen Krieg mit den Methoden des Terrornetzwerkes anzuschließen.
Unabhängige Beobachter halten die Eskalation der Propaganda und Kriegstreiberei allerdings für höchst gefährlich. Denn sie berge das Risiko, dass politische Führer von ihrer eigenen Rhetorik übermannt und tatsächlich zu den Waffen greifen würden.
Samstag, 21. August 2010
Am Persischen Golf steigen die Kriegsängste
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