Sonntag, 25. April 2010

IRAK: Im Irak hat der Machtkampf erst begonnen

Während den Sicherheitskräften ein schwerer Schlag gegen Al-Kaida gelang, stürzen die beiden Wahlsieger das Land immer tiefer ins Ungewisse

von Birgit Cerha

Nuri al Maliki, der bei den Parlamentswahlen am 7. März ganz knapp unterlegene Premier der vergangenen vier Jahre, feiert seine Triumphe, die ihm letztlich doch wieder die Macht über das gequälte Zweistromland sichern sollen. Die Filiale des Terrornetzwerkes al-Kaida im Irak beseitigte Sonntag in einer ungewöhnlichen Botschaft alle noch bestehenden Zweifel: Die so lange schlagkräftigste der Widerstandsgruppen ist tatsächlich führerlos. „Es ist an uns…. Den Tod zweier Dschihad-Führer bekannt zu geben.“ Die beiden Terrorchefs Abu Omar al-Baghdadi und Abu Ajub al-Masri waren bereits vor einer Woche bei einer Aktion irakischer Sicherheitskräfte mit US-Verstärkung aus der Luft ums Leben gekommen. Über die Identität der beiden Toten hatte bis zuletzt Verwirrung geherrscht.

Zudem sollen auch Dutzende führende Al-Kaida-Extremisten festgenommen oder getötet worden sein. Politische Beobachter sehen diese Entwicklung vor allem als Folge des veränderten politischen Klimas. Die Umwelt, in der diese Dschihadis Unterstützung fanden, ist überwiegend arabisch-sunnitisch. Doch diese Bevölkerungskreise haben weitgehend der Methode abgeschworen, ihre verlorene Macht gewaltsam zurückzuholen. Die hohe Beteiligung der Sunniten an den Parlamentswahlen beweist, dass sie nun ihre Hoffnung in einen politischen Prozess setzen. Regierungskreise glauben deshalb an einen sich abzeichnenden Sieg über Al-Kaida im Irak, die eine Order der allgemeinen Führung erhalten haben soll, sich vollends aus dem Land zurückzuziehen. Die Terrorattacken vom vergangenen Freitag, bei denen fast 60 Menschen ums Leben kamen, werden als verzweifelte Racheaktionen gewertet.

Diese – möglicherweise - dramatische Schwächung der Terrorgruppe bedeutet einen wichtigen Prestigegewinn für Maliki, der sich mit aller Kraft an die ihm entschwindende Macht klammert. Zugleich tauchten Sonntag Berichte auf, dass der ehemalige Stellvertreter des gestürzten Diktators Saddam Hussein, Izzat Ibrahim al-Douri, der seit Jahren für die Organisation des blutigen Widerstandes der in den Untergrund gedrängten Baathisten hauptverantwortlich gemacht wird, festgenommen worden sein soll.

Solche Erfolgsmeldungen rücken vorerst den jüngsten Skandal der Herrschaft Malikis – geheime Folterlager – in den Hintergrund. Denn nun begann auch noch die händische Neuauszählung der Stimmergebnisse in Iraks größtem Wahlkreis, Bagdad. Auch dies ein Triumph des Premiers, der trotz Bestätigung unabhängiger Institutionen, dass es zu keinen gravierenden Wahlfälschungen gekommen sei, eine erneute Auszählung durchgesetzt hatte. Nach den bisherigen Ergebnissen führt Malikis „Rechtsstaat“-Allianz in Bagdad gegenüber der „Irakiyya“ seines bittersten Rivalen Iyad Allawi mit 26 zu 24 Mandaten, während der säkulare Allawi insgesamt 91 und Maliki 89 Mandate erhielten. Beide Politiker ringen seit Wochen um den Anspruch auf Bildung einer Regierung, doch beide haben es bisher nicht geschafft, die dafür nötige Mehrheit zustande zu bringen.

Als mächtigster „Spielverderber“ erweist sich der nach massiven von Maliki angeordneten Militäroperationen gegen seine „Mahdi-Miliz“ an den Rand des politischen Geschehens gedrängte nationalistische Schiitengeistliche Moqtada Sadr. Dank starker Stimmengewinne am 7. März dominiert seine politische Gruppierung heute de facto die auf iranisches Drängen formierte „Irakische National-Allianz“ (INA), der u.a. auch der fundamentalistische schiitische „Höchster Rat des islamischem Iraks“ (SIIC) unter Ammar al-Hakim angehört. Sadr weigert sich entschieden, sowohl den „Lügner“ Maliki, als auch den pro-amerikanischen Laizisten Allawi für das Amt des Premiers zu unterstützen. Ohne INA werden beide aber kaum die nötige Mehrheit im Parlament zustande bringen. Vorerst vermag Maliki einen Kompromisskandidaten seiner „Rechtsstaat“-Allianz abzublocken. Er hofft, durch erneute Stimmenauszählung als klarer Sieger aus den Wahlen hervorzugehen und kleinere Gruppierungen, sowie vor allem auch die Kurden hinter sich zu scharen.

Ob dies gelingt, erscheint höchst zweifelhaft. Deshalb haben sowohl Maliki als auch der wenig aussichtsreiche Allawi begonnen, ihre persönlichen Animositäten beiseite zu schieben. Sie wollen sich, so heißt es, nun zu direkten Gesprächen über eine Koalition zusammenfinden. Immerhin eint sie das Ziel einer starken Zentralregierung die den Ölreichtum des Landes vollends kontrolliert. Doch sowohl Maliki als auch Allawi beharren auf dem Amt des Regierungschefs. Schon kursieren Gerüchte über einen Deal, nach dem Allawi zwei Jahre lang Premier wird und Maliki Staatspräsidenten und beide nach der Hälfte ihrer Amtszeit die Positionen tauschen.

Mindestens drei Wochen wird die Stimmenauszählung in Bagdad dauern und dann gilt es noch an die 300 andere „Beschwerden“ über Manipulationen zu klären. Das Machtvakuum mit möglicherweise fatalen Folgen für die Stabilität des Landes, kann noch Monate anhalten.

Bildquelle: http://www.datenbank-europa.de/erdkunde/land/asien/karten/irak.png

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