Freitag, 16. April 2010

IRAN schreitet zur vollen Gegenattacke

Mit einer internationalen Konferenz und einer Fülle dramatischer Erklärungen reagiert Teheran auf Obamas verschärfte Atomstrategie

von Birgit Cerha

Das iranische Regime ballt seine Faust. Nach mehr als einem Jahr ist es Obama nicht gelungen, diese iranische Faust, wie der US-Präsident es ausdrückte, zu öffnen und die „Islamische Republik“ zu einem versöhnlichen Handschlag zu gewinnen. Nun ist der Iran auf dem besten Weg, auch für die Obama Administration zum internationalen Buhman aufzusteigen. Der Krieg der Worte verschärft sich und die Hoffnung auf Versöhnung zwischen den beiden Erzfeinden schwindet zusehends.

Nachdem Obama vor dem jüngsten internationalen Atomgipfel in Washington eine neue Strategie verkündet, geschworen hatte, keine Atomwaffen gegen Staaten einzusetzen, die diese nicht besäßen, doch ausdrücklich Nord-Korea und den Iran ausgenommen hatte, ist Teheran in die totale Gegenoffensive getreten. Dramatische Erklärungen politischer Führer und Militärs sollen ihren Höhepunkt am Wochenende finden, wenn der Iran Gastgeber einer internationalen „Gegenkonferenz“ zur Washingtoner Tagung spielt. Experten und Politiker aus 70 Ländern sind geladen. 14 Staaten entsenden ihre Außenminister, heißt es offiziell in Teheran. „Atomenergie für alle, Atomwaffen für niemanden“, lautet das Motto der Tagung, bei der die Iraner den Finger in die Wunden legen, die Weltmächte anklagen wollen, dass sie sich auf Nichtverbreitung von Atomwaffen konzentrieren, aber nicht daran denken, ihre Atomwaffen abzurüsten, wiewohl dies der Atomwaffensperrvertrag ausdrücklich vorsieht.

Die Konferenz soll der Welt beweisen, dass die „Islamische Republik“ insbesondere auch in der Atomfrage keineswegs international isoliert ist. Indien ist eine der Atommächte, die einen Vertreter entsendet, ebenso China, wiewohl sich die Anzeichen mehren, dass Peking allmählich die Geduld im leidigen Atomkonflikt mit dem Iran verliert, bereit ist, über verschärfte internationale Sanktionen im Weltsicherheitsrat zu diskutieren, solange diese nicht der iranischen Bevölkerung und allgemeinen Wirtschaftsentwicklung des Landes schaden, zugleich aber nicht daran denkt, seine eigenen ökonomischen Verbindungen mit dem Iran zu reduzieren. Peking bezieht zehn Prozent seines Ölbedarfs aus dem „Gottesstaat“.

Präsident Ahmadinedschad will auf dieser Konferenz vor allem den Atomsperrvertrag unter Beschuss nehmen, der im Mai zu seiner fünfjährigen Überprüfung ansteht. Als Mitunterzeichner haben die Iraner, die nicht zum Washingtoner Gipfel geladen waren, das Recht, an dieser Konferenz teilzunehmen und Ahmadinedschad ist entschlossen, eine Gruppe von Entwicklungsländern anzuführen, die die USA und andere Westmächte der „Heuchelei“ in der Atomfrage überführen wollen. Besonders hat Irans Außenminister Mottaki jüngst die von London geplante Modernisierung des „Trident-Systems“, einem wichtigen Bestandteil der nuklearen Abschreckung, attackiert. Diese Pläne würden weit größere Gefahren für den Frieden im Mittleren Osten in sich bergen, als Irans Atomprogramm, ganz zu schweigen von Israels Atomwaffen, die die Welt vollends ignoriert und damit toleriert. Teheran bekräftigt immer wieder die rein friedlichen Absichten seiner nuklearen Forschung, was allerdings jüngst auch von der Internationalen Atombehörde offen bezweifelt wurde.

Iranische Führer überstürzen sich seit Tagen mit dramatischen Erklärungen. So frohlockte Ahmadinedschad über einen „gigantischen Schritt“, den der Iran durch eine selbst produzierte neue Generation von Zentrifugen gesetzt hätte. Auf diese Weise könnte Uran sechsmal schneller angereichert werden als mit den bisherigen. Die USA sehen darin einen weiteren Hinweis darauf, dass Teheran in Wahrheit die Produktion von Atomwaffen anstrebe, da ein „friedliches Atomprogramm“ solche rasch produzierende Zentrifugen nicht benötige.

Obamas neue Atom-Strategie und seine intensiven Bemühungen um Verschärfung der Sanktionen haben unter den Führern des „Gottesstaates“ den offenen Anti-Amerikanismus wieder wesentlich verstärkt und neue Animosität gegen diesen Präsidenten geweckt, der den Iranern als erster seit drei Jahrzehnten die Hand zur Versöhnung entgegengestreckt hatte. Während Ahmadinedschad einen Brief an Obama ankündigt, in dem er den US-Präsidenten einerseits von seiner unverminderten Kooperationsbereitschaft überzeugen will, anderseits in selbstbewusstem Ton die regionalpolitische Schwäche der USA ausnützt und die Abhängigkeit amerikanischer Mittelostpolitik (in Afghanistan, Irak und vor allem beim Palästinenserproblem) vom guten Willen des Gottesstaates darlegt, zeihen iranische Führer nun Obama der Kriegstreiberei. Auf welche internationale Regeln stütze der US-Präsident seine neue Atomstrategie gegenüber dem Iran, fragt etwa der keineswegs radikale Parlamentssprecher Laridschani. Und der „Geistliche Führer“ Khamenei hält Obamas Drohungen „für sehr merkwürdig“, wenn „in diesem Jahrhundert der Menschenrechte und des Anti-Terrorkrieges der Führer eines Landes eine atomare Attacke androht.“

Khamenei hatte bisher bedingungslos die Produktion von Atomwaffen als unvereinbar mit islamischen Prinzipien zurückgewiesen. Er könnte nun – so meinen auch unabhängige iranische Beobachter – eine offizielle Änderung dieser Position mit der neuen US-Strategie begründen.

Mit diesem verschärften Verbalkrieg bezweckt das Regime vor allem aber die interne Opposition zu schwächen und viele politische Gegner wieder hinter sich zu scharen, verschärfte Sanktionen könnten dabei wertvolle Hilfe leisten.

Bildquelle: http://www.merkur-online.de

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